Pionierarbeit

40 Jahre zweisprachiger deutscher Nationalitätenunterricht in Deutschbohl/Bóly

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Von Richard Guth

„Bereits in den siebziger Jahren brachte der deutsche Sprachunterricht nicht die erwarteten Ergebnisse hervor, so suchten der Demokratische Verband der Deutschen in Ungarn, das Ministerium für Bildung und Kultur und das Pädagogische Institut jahrelang nach neuen Lösungen. Sie sahen die Möglichkeit in der Zweisprachigkeit in der Grundschule. Sie suchten auch eine Partnerschule, die dieses Pilotprojekt einleitet. Dafür stellte sich die Bohler Grundschule bereit“, erinnert sich Katharina Meiszter-Győri an die Anfänge des zweisprachigen Unterrichts in Deutschbohl vor vierzig Jahren. Anlässlich des Jubiläums sprach das Sonntagsblatt mit der ehemaligen Lehrerin der zweisprachigen Grundschule. Der damalige stellvertretende Direktor Franz Schummer bemühte sich nach Erinnerungen der Vorsitzenden der Deutschen Selbstverwaltung Deutschbohl um die Verwirklichung dieser Form des Unterrichts. Das Motto lautete dabei: „Die Zweisprachigkeit bedeutet nicht nur den Besitz zweier Sprachen, sondern auch den Besitz zweier Kulturen: die Sprache und die Kultur unserer Vorfahren.”

Pionierarbeit 2

Am Anfang mussten die Verantwortlichen ganze Überzeugungsarbeit leisten um „die Eltern zu überzeugen, dass diese Bildungsform bessere Ergebnisse im Sprachunterricht bringt“. Die Klassengrößen waren nach Meiszter-Győris Erinnerungen klein, bewegten sich zwischen 16 und 18 Schülerinnen und Schülern. Es wurde auch ein Schülerheim in Bohl gebaut, so dass auch die Kinder aus den umliegenden Dörfern und Städten bis heute die Möglichkeit hätten am zweisprachigen deutschen Nationalitätenunterricht teilzunehmen. Anfangs gab es nach Angaben der DNSVW-Vorsitzenden eine zweisprachige Klasse, die anderen lernten in der sprachunterrichtenden Form Deutsch. Zweisprachig wurden/werden die Fächer Geschichte, Naturkunde, Geografie, Musik und Kunst unterrichtet und „wenn wir entsprechende Lehrer dazu haben, unterrichten wir auch noch Mathematik und Sport zweisprachig“. Mit der Zeit seien die Klassen größer geworden, so dass es möglich sei, zeitweise zwei zweisprachige Klassen zu starten.

„Am Anfang brachten noch mehrere Schüler von zu Hause die Sprache mit, einige auch die Mundart. Zurzeit sprechen nur wenige Kinder zu Hause Deutsch, Vorkenntnisse bringen sie aus dem Kindergarten mit“, berichtet Katharina Meiszter-Győri weiter. Nach ihrem Eindruck habe das Nationalitätenbewusstsein am Anfang noch stärkere Wurzeln gehabt, aber es gäbe zurzeit auch noch viele Familien, die auf ihre ungarndeutsche Abstammung stolz seien und ihre Kinder so erzögen. Eine Hälfte der Schülerinnen und Schüler stammt nach ihren Angaben aus Deutschbohl, die andere Hälfte aus gut zwanzig Dörfern und Städten der Umgebung. Auch Eltern aus deutschsprachigen Ländern, die sich in Ungarn niedergelassen haben, würden ihre Kinder auf die Deutschbohler Grundschule schicken. „Die Schüler der zweisprachigen Klassen legen die DSD I – Sprachprüfung (Niveaustufe A2/B1) ab. Sie verlassen die Schule mit guten Sprachkenntnissen. Viele wählen auch in den weiterführenden Schulen Deutsch. Die meisten lernen an verschiedenen Gymnasien weiter, darunter auch am Valeria-Koch-Schulzentrum in Fünfkirchen, zu denen wir gute Kontakte ausgebaut haben“, gewährt die aus Litowr/Liptód stammende DNSVW-Vorsitzende einen Einblick in den weiteren Lebensweg der Abgänger.

Als Problem sieht die Deutschpädagogin, dass wie vor vierzig Jahren auch heute keine deutschsprachige Fachlehrerausbildung existiere: „Es gab und gibt Deutschlehrer, die Geschichte oder andere Fächer auf Ungarisch studiert haben und bereit waren und sind diese zweisprachig zu unterrichten.“ Darüber hinaus kämpfe die Schule mit denselben Herausforderungen wie andere staatlich finanzierte Bildungseinrichtungen.

Schule und Kindergarten werden seit dem Jahr 2015 von der Bohler DNSVW getragen. Dies bringe nach Eindruck von Meiszter-Győri Vorteile wie mehr Unabhängigkeit, die Vereinfachung der Entscheidungsmechanismen und bessere Löhne. Dazu kommen zusätzliche Ressourcen für die Anschaffung von Ausrüstung, kleinere Renovierungsarbeiten sowie die Anstellung von Mitarbeitern wie Schulpsychologen oder Sonderpädagogen. Aber insgesamt fordere dieser Status viel mehr Arbeit von der Schulleitung und vom Schulträger ab.

„Viel Arbeit, viele Schwierigkeiten am Anfang ohne Lehrmittel, inmitten der Bauarbeiten der neuen Schule, wenig Erfahrung, selbst zusammengestellter Lehrplan! Hilfe erhielten wir keine, weil es noch keine Erfahrungen gab. Wir mussten alles selber erfinden, auch den Lehrstoff und die Lehrmittel selber herstellen. Ein langer Weg mit vielen Schwierigkeiten! Aber mit zielbewusster Arbeit gelang es uns schrittweise die Probleme zu überwinden“, beschreibt Meiszter-Győri die Anfänge auf dem Gebiet der methodisch-didaktischen Arbeit. Dies habe sich im Laufe der Zeit geändert: Heute gebe es eine große Auswahl an modernen Büchern und Arbeitsheften, erfolgreiche Nationalitäten- und Comenius-/Erasmus plus-Projekte, Schulpartnerschaften, Gastlehrer, Studienreisen und Fortbildungen im In- und Ausland. Im Laufe der Jahre seien gut ausgearbeitete Lehrpläne entwickelt worden und Hilfe erhalte dabei die Schule vom Ungarndeutschen Pädagogischen Institut (UPD), das im Rahmen des Valeria-Koch-Schulzentrums arbeitet. „Die Lehrer unserer Schule organisieren viele außerschulische deutsche bzw. deutschsprachige Projekte, z. B. Nationalitätenprojekte oder Dorfprojekte in der Umgebung. Leider hat die Covid-Pandemie die Beziehung zu unserer Partnerschule in Schlesien/Polen zerstört. Das war auch eine gute Möglichkeit die deutsche Sprache außerschulisch zu üben“, ergänzt die DNSVW-Vorsitzende.

Was die Zukunft betrifft, berichtet Katharina Meiszter-Győri davon, dass sie zwar keine Wahrsagerin sei, aber eine Optimistin. „Eine qualitativ hochwertige Sprachausbildung wird immer wichtig sein. Meiner Hoffnung nach wird es noch lange Zeit einen Bedarf an mehrsprachigen Menschen geben, daher auch an der zweisprachigen Bildungsform“, resümiert sie.

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