Auf den Spuren der Schwaben umarmt von den Wäldern der Tolnau

Ein Beitrag von Stefánia Szabó. Erschienen auf der Internetseite magyarmezogazdasag.hu am 21. 08. 2021. Aus dem Ungarischen von Annkristin Teichert.

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Dichte Wälder, hoch aufragende Bäume und Wildblumenwiesen bedecken den Tolnauer Bergrücken (Tolnai-hegyhát), der von Tälern und Schluchten durchzogen wurd. Die Tolnauer Grüne Route verbindet die kleinen Dörfer, die sich in der Stille verstecken. Die Geschichte der Dörfer, die reich an ethnografischen, architektonischen und historischen Werten sind, ist eng miteinander verwoben: Sie wurden in der Regel in der Arpaden-Zeit gegründet, wurden aber später in der Zeit der osmanischen Besatzung völlig verlassen.

Die ersten deutschen Siedler kamen Anfang der 1700 Jahren in die Region und veränderten innerhalb weniger Jahrzehnte dank den Wäldern der Tolnau das Aussehen der Siedlungen. Diesmal laden wir Sie ein, die schwäbische Architektur auf der Grünen Route der Tolnau zu entdecken. Die gepflasterten, staubigen Straßen, die Häuser, die Kruzifixe am Straßenrand könnten endlose Geschichten aus alten Zeiten erzählen. Die Schwaben, die sich zu Beginn des 16. Jahrhunderts hier niederließen, prägten das Erscheinungsbild der Siedlungen nachhaltig, indem sie zunächst so genannte Fachwerkhäuser der ersten Generation bauten. Die Fachwerkkonstruktion der Häuser wurde mit Lehm, der auf Torfgeflecht aufgeklebt wurde, später mit Lehm ausgefüllt.

Von Lendl/Lengyel nach Sawed/Závod

Fachwerkhäuser sind in Ungarn eine architektonische Rarität, da nur relativ wenige von ihnen in ihrem ursprünglichen Zustand erhalten geblieben sind.

In Südtransdanubien gibt es nur 50 solcher Denkmäler, von denen die Rekonstruktion eines zeitgenössischen Fachwerkhauses in Sawed erwähnenswert ist.

Es wurde um 1700 von einer deutschsprachigen Bauernfamilie aus Lendl erbaut, die hier bis zum Zweiten Weltkrieg lebte, als sie durch Szekler aus der Bukowina ersetzt wurde. Im Jahr 2000 wurde das Gebäude vom damaligen Eigentümer zum Abriss verurteilt, doch bei den Arbeiten wurde festgestellt, dass das Mauerwerk des Hauses aus Fachwerk besteht. Unter der Leitung des Architekten Gábor Szász wurde das Gebäude begutachtet, und die Teile des Fachwerks, die gerettet werden konnten, wurden einzeln markiert, damit es wiederaufgebaut werden konnte. Herbst 2014 begannen die Arbeiten in einer Straße, die heute nicht mehr bewohnt wird. Beim Wiederaufbau wurden Holzelemente des ehemaligen Hauses verwendet, wobei die Balken, wo nötig, durch Eichenholz ersetzt wurden. Die Holzrahmen wurden mit Lehmziegeln ausgefüllt. Die Hauptfassade wird von einem Brüstungsbalken gekrönt, der im Dorf gefunden wurde und eine eingravierte Inschrift mit dem Namen des ehemaligen Gastgebers und dem Baujahr (1772) trägt. Außerdem trägt er die lateinische Inschrift Gloria In Excelsis Deo (Ehre sei Gott in der Höhe).

Das Haus ist heute ein architekturgeschichtliches Museum, und daneben befindet sich ein Gästehaus, das ebenfalls im Stil der früheren schwäbischen Architektur restauriert wurde.

In jeder Straße des Tolnauer Bergrückens und in den Dörfern des Tals gibt es ein oder zwei schöne alte Gebäude, aber Straßenzüge im gleichen Baustil sind sehr selten. Sawed leistet hierbei seit den 1980er Jahren hervorragende Erhaltungsarbeit. Die lokalen Behörden haben den Wert der lokalen schwäbischen Baudenkmäler erkannt und widmen ihrer Erhaltung besondere Aufmerksamkeit: Seit 2002 regelt ein Erlass den lokalen Schutz des architektonischen Erbes, und seit 2003 werden schützenswerte Gebäude mit einem Schild „geschütztes lokales architektonisches Erbe” (védett helyi érték) gekennzeichnet, und auf der Keramiktafel steht auch der Name des ehemaligen schwäbischen Gebäudes. Die Gemeinde Sawed erhielt 2007 den Niveaupreis des Architekturerbes, der in diesem Jahr zum ersten Mal vergeben wurde.

Anstelle von Holz, Mauern und Lehmziegeln

Der Bau von Fachwerkhäusern wurde durch ein Dekret Maria Theresias unterbrochen, das die Verwendung von Holz einschränkte, da sie erkannte, dass diese Bauweise die Holzressourcen der umliegenden Wälder, insbesondere die Eiche, dezimierte.

Die Einschränkung bestand darin, dass Holz nur für die wichtigsten Baukonstruktionen wie Dächer und Fenster verwendet werden durfte.

Für die Wände konnten jedoch feste Baumaterialien verwendet werden, und so wurden die Fachwerkhäuser der zweiten Generation entweder mit geschlagenen Wänden oder mit Lehmziegeln gebaut. Der Übergang zu den neuen Bautechniken verlief langsam, und lange Zeit wurden noch die alten Methoden angewandt, aber um die Vorschriften zu erfüllen, wurden die Fachwerkhäuser einfach mit Putz überzogen.

Sawed ist ein hervorragender Ausgangspunkt für die Erkundung der Baudenkmäler der Grünen Route der Tolnau. Weiter in südwestlicher Richtung erreichen Sie Lendl, wo sich schwäbische und szeklerische Denkmäler vermischen. Dort finden Sie auch mehrere renovierte oder renovierungsbedürftige Häuser, in denen einst deutsche Siedler lebten. Das nationale Erbe in diesem Gebiet wird von der Lendler Sammlung für Kindergartengeschichte und Ethnographie gepflegt.

Sie kamen, um eine Burg zu bauen

Die Deutsche Nationalitätenselbstverwaltung Hedjeß/Hőgyész mit ihrer Sammlung und ihrem Heimatmuseum ragt aus der Sammlung der ehemaligen schwäbischen Traditionen und Werte heraus.

Im Jahr 1722 kaufte Graf Claudius Flormiundus Mercy Land in der Gegend von Hedjeß. Später beauftragte er seinen Neffen Anton Mercy mit der Besiedlung von Hedjeß und der Wiederherstellung der wirtschaftlichen Verhältnisse.

Zur gleichen Zeit kamen deutsche freiwillige Siedler mit einem Kahn auf der Donau nach Ungarn, die so genannte Ulmer Schachtel. Graf Mercy wartete mit seinen Haiducken im Hafen des Komitats Tolnau auf sie und wählte die besten Handwerker, Maurer, Zimmerleute, Tischler und Steinmetze aus, mit der Absicht, in Hedjeß ein Schloss zu bauen, und so entstand das Schloss Apponyi, umgeben von einem schönen Park. Sie waren die ersten schwäbischen Bewohner der Siedlung. Aufgenommen wurden nur diejenigen, die über ein Vermögen von mindestens 200 Forint verfügten, mit dem sie die Grundlagen ihrer eigenen Wirtschaft aufbauen konnten. Das ließ nicht lange auf sich warten, und Hedjeß wurde bald zu einem Marktflecken erhoben. Die fleißige, sparsame, zielstrebige deutsche Bevölkerung lebte in enger Gemeinschaft, aber in Frieden mit den Madjaren. Im Jahr 2002 bauten sie mit Hilfe der in der Siedlung verbliebenen oder später zurückgekehrten Deutschen ihr Heimatmuseum auf, in dem Trachten aus Hedjeß, Berin/Diósberény, Duschau/Dúzs, Murgau/Murga und Gallaß/Kalaznó zu sehen sind. Die Sammlung kann nach Vereinbarung besichtigt werden.

Geordnete, geschlossene Siedlungsformen

 Die Geschichte des benachbarten Gallaß wurde von den deutschen Siedlern geprägt, die 1722 ankamen und das Recht auf ein Wirtshaus, eine Befreiung vom Frondienst und dem Zehnten genossen sowie Religionsfreiheit erhielten.

Im Laufe der Jahrzehnte wurden parallele Straßen entlang des Donatusbachs und dann schmale Seitenstraßen im Süden gebaut.

Ursprünglich wurden auch die Häuser in Fachwerkbauweise errichtet, und mehrere Scheunen haben diese Bauweise noch bewahrt. Alle Häuser, die gebaut wurden, verfügten über Ställe, aber sie wurden aus Ziegeln gebaut, einem besseren Material als die Wohnhäuser, da der Dunst, der aufgrund der Tierhaltung, entsteht, von den gebrannten Ziegeln besser absorbiert wurde. Durch die Anordnung der Grundstücke entstand eine gut eingezäunte und geschützte Siedlung. Die Wohnhäuser wurden rechtwinklig zur Straße gebaut, während die Scheune oft parallel zum Wohnhaus gebaut wurde, und die Scheune wurde oft hinter dem Nachbarhaus gebaut, ebenfalls rechtwinklig zur Straße. Der Abbau des hügeligen Geländes war eine mühsame Arbeit, bei der der Lösswall in den horizontalen Bereichen oft aufgebrochen wurde. Die so gewonnene Erde wurde für den Bau der hohlen Wände des Wohnhauses verwendet.

Amerikanische Häuser in Gallaß

Bis Mitte des 20. Jahrhunderts hatten die fleißigen Schwaben in Gallaß rund 200 Häuser gebaut. Die überwiegende Mehrheit der heute noch stehenden Häuser wurde Anfang des 20. Jahrhunderts gebaut, mit Walmdächern, Gesimsen und Rauten an den Fassaden, geschlossenen Fenstern, oft mit einer Tür am Ende des Flurs, die auf die Straße führt, ohne Treppe und die nur bei seltenen Gelegenheiten benutzt – über diese Tür wurde der Sarg aus dem Haus getragen.

In den frühen 1940er Jahren erschienen die so genannten amerikanischen Häuser mit großen, hohen Sockeln, Walmdächern, großen Fenstern an drei Straßen, verzierten Fassaden mit Monogrammen und gedrechselten Holzsäulen.

 Ihr Name rührt daher, dass die Männer nach Amerika gingen, um dort zu arbeiten, und das Geld, das sie dort verdienten, dazu verwendeten, der Familie ein Haus zu bauen. Bei ihrem Entwurf wurde darauf geachtet, dass die Veranda eines nach Süden ausgerichteten Hauses weit genug nach vorne reicht, um die Sommersonne abzuhalten, dass aber im Winter die Sonnenstrahlen, die in einem kleineren Winkel einfallen, das Haus mit Licht erfüllen. Die Säulen an den Seitenschiffen waren rein ästhetisch und dienten nicht zur Stützung der Dachkonstruktion.

Sammlung der lokalen Geschichte

 Einige der Erbauer der amerikanischen Häuser konnten nicht einmal dort wohnen, da viele von ihnen während des Zweiten Weltkriegs nicht in ihre Heimat zurückkehren konnten und die, die es konnten, bald darauf vertrieben wurden. Die Häuser, die leer standen, wurden von Szeklern aus der Bukowina und Madjaren aus dem ehemaligen Oberungarn bewohnt. Das nationale Raumordnungsprogramm (országos körzetesítési program) der 1970er Jahre hätte Gallaß beinahe zum Aussterben verurteilt, da keine Baugenehmigungen mehr erteilt wurden.

Ironischerweise ist es das, was das Dorf in seiner ursprünglichen Schönheit bewahrt hat, denn Kádár-Würfel, die das Land regelrecht überschwemmt haben, sind hier nicht entstanden.

 Im Dorf gibt es eine kleine Sammlung der lokalen Geschichte, deren Exponate von der Architektin Katalin Bodor mit Hilfe der begeisterten Dorfbewohner auf der Grundlage einer Studie der Volkskundlerin Berta Jékely zusammengestellt wurden.

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Quelle: https://magyarmezogazdasag.hu/2021/08/21/svabok-nyomaban-tolnai-erdok-oleleseben?fbclid=IwAR139Swz-jDTBEOvWSGSAKCUAR06w-_GLoxDiK2C6UoP0z7U2kplIItg1ms

 

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