Fotobuch gedenkt deutscher Vergangenheit einer Tolnauer Gemeinde
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„Die Vergangenheit ist der Hafen der Erinnerungen im Sturm der Zeit“ (Andre Comte-Sponville)
Von Josef Kiss
Unter diesem Motto entstand zu Pfingsten 2022 das heimatgeschichtliche Fotobuch von Jink/Gyönk. Das Fotobuch „ Die Vergangenheit lebt mit uns“ bekam diesen Titel nach einer Ausstellung von alten Fotos anlässlich der Errichtung der Gedenktafel im Jahre 2016, die an die Verschleppung und Vertreibung der Jinker Bürger erinnert. Frau Margarethe Lerch-Kocsis als Leiterin der örtlichen Deutschen Nationalitätenselbstverwaltung sammelte noch viele weitere alte Fotos von den Jinkern, die vor 1945 schon in Tolnauer Gemeinde beheimatet waren. Sie besuchte im Sommer 2021 die Heimatsammlung von Josef Kiss und entdeckte, dass dieser dort sehr viele Fotos in verschiedenen Fotoalben aufbewahrt. So entstand die gemeinsame Idee der Veröffentlichung eines Fotobuches über die Vorfahren der Jinker – ohne den Anspruch auf Vollständigkeit.
Im Jahre 1722 kam eine große Gruppe deutscher protestantischer Siedler aus Hessen an und fand in Jink eine neue Heimat. Durch das Erscheinen des Fotobuches gedenken wir würdigend des 300-jährigen Jubiläums der Neubesiedlung dieses Dorfes. Dieses Buch mit den mehr als 300 Fotos lässt das Alltagsleben der dort Lebenden gegenwärtig werden. Es stellt in Darstellungen die Lebensart und Lebensweisen der Jinker in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts dar. Die Autoren möchten mit Hilfe der Fotos einen Beitrag leisten, dem Leser das Kennenlernen der Geschichte von Jink und der hiesigen Trachten zu erleichtern. Der Leser kann sich in diesem Buch mit 403 Seiten auf eine Zeitreise begeben. Alle, die uns ihre Fotos zukommen ließen, erhielten ein Geschenkexemplar. Auch in Deutschland erhielten die betreffenden Familien je ein Fotobuch.
Die Familien der Autoren stammen beide aus Jink. Frau Margarethe Kocsis geb. Lerch wurde 1950 in einer ungarndeutschen Familie geboren. Sie studierte in Kaposvár und war lange Jahre Grundschullehrerin im Dorf. Seit 2008 ist sie im Ruhestand und seit 2014 leitet sie die Deutsche Nationalitätenselbstverwaltung. Sie gestaltet das kulturelle Leben der Ungarndeutschen aktiv mit (Adventsfeier, Grenzgang vor Pfingsten, Unterstützung der Schulen und der Kirchen bei ihren Veranstaltungen für Kinder und Jugendliche). Sie hat die notwendigen Fördergelder für das Erscheinen des Buches durch Ausschreibungen und durch Spenden sicherstellen können.
Josef Kiss wurde 1969 in Pincehely geboren. Seit seiner Kindheit ist er dadurch mit der Jinker Mundart sowie mit vielen Geschichten aus der Vergangenheit vertraut. Sein Lebensweg führte ihn nach seinem Abitur in Jink zum Studium nach Deutschland. Nach seinem Staatsexamen für das Lehramt an Gymnasien in den Fächern Geschichte, Deutsch und evangelische Religionslehre arbeitete er an einem Gymnasium in Rostock und seit 1999 unterrichtet Kiss am Gymnasium Altenkirchen im Westerwald. Er leitet seit 2000 den Schüleraustausch mit dem Friedrich- Schiller-Gymnasium Werischwar/Pilisvörösvár. Das ist sein wichtiger Beitrag zur Entstehung von Freundschaften zwischen den Jugendlichen beider Staaten und für die ungarischen Schülerinnen und Schüler zum besseren Erlernen der deutschen Sprache. Er zeigte großen Einsatz bei der Pflege der Traditionen durch das Errichten seiner ungarndeutschen Privatsammlung in Jink. Die Rettung mehrerer deutscher evangelischer Kirchen in der Tolnau ist seine Herzenssache gewesen. Seine Diplomarbeit über die Schicksalsschläge der Jinker Deutschen erschien 1995 bei der Donauschwäbischen Kulturstiftung in München. Er arbeitete an mehreren Veröffentlichungen aktiv mit, z. B. „Donauschwäbisches Unterrichtswerk“, München 1997, und „Mi svábok“ (Wir Ungarndeutsche), Budapest 2021. Er forscht intensiv nach der Geschichte und der Volkskunde der deutschen Volksgruppen in den Herkunftsgebieten Batschka und Banat wie auch in Deutschland.
Zur Entstehung des Fotobuches
Wir danken an dieser Stelle allen Helfern für alle Unterstützungen bei dem Erstellen des Buches. Die meisten Fotos stammen aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Da wir keine zeitliche Begrenzung festgelegt haben, findet man auch viele spätere Fotos. Die Fotoarbeiten erledigte György Kaposvári. Die Fotos und die einleitenden Texte zu den Themenbereichen stellte Frau Kocsis mit Ildikó Loch zusammen. Josef Kiss lieferte viele Angaben wie Namen und Lebensdaten der Personen auf den Fotos. Er fasste die Geschichte von Jink zusammen und beschrieb fachmännisch die Tracht der Jinker. Wir sahen diesen Teil als sehr begründet an, weil die Menschen auf den meisten Fotos noch Trachtenträger waren. Da das Buch zweisprachig gestaltet wurde, übersetzte Josef Kiss alle Texte in das Deutsche. Mehrere Korrekturdurchgänge gehörten auch zur Tätigkeit von J. Kiss. Frau Erzsébet Kocsis leistete ebenfalls bei der Korrektur der ungarischen Texte große Hilfe. Wir legten bei dem Konzept des Buches nur auf solche Fotos wert, die in keinen anderen Veröffentlichungen vorkommen. Lediglich die Kapellen Mestyan und Szameth und die Schulen bildeten dabei Ausnahmen.
Inhaltliche Aspekte
Das Titelbild zeigt eine Alltagssituation mit einem Pferdewagen im Zentrum von Jink sowie die Geschäfte von den Familien Ranschburg und Franz Schmidt. Im Hintergrund steht die reformiert-calvinistische Kirche. Die Fotos von den drei Kirchen bebildern die Rückseite des Buches. Das erste Farbbild zeigt eine Teilansicht der Stadt mit den protestantischen Kirchen, dem Kulturhaus – der früheren Mühle – und dem Gymnasium. Das zweite Farbbild zeigt ganz am Ende eine Karte von der Flur und den Parzellen in Jink im 19. Jahrhundert als Teil des Habsburgerreiches.
Der Leser bekommt folgende Einblicke in das gesamte Dorfleben:
- Familie
- Jugend und Gemeinschaft
- Trauung, Hochzeit
- Kirche, Glaubensleben
- Erziehung, Schule (Kindheit)
- Wirtschaftsleben
- Soldatenleben, Zwangsarbeit und Vertreibung
- Beerdigung
Anschließend werden die Trachten der Männer, der Frauen und der Kinder detailliert beschrieben.
Das heimatgeschichtliche Fotobuch wurde mit dem historischen Überblick bis 1950 beendet. Wir haben das Leben in Deutschland nach 1945 nicht in einem neuen Kapitel zusammengefasst, sondern die Fotos aus Deutschland wurden bei den einzelnen Themen verteilt zugeordnet.
Einige Familien wurden wegen fehlender Fotos in dieser Ausgabe leider nicht verewigt, so konnten wir auf die Vollständigkeit keine Rücksicht nehmen. Nach vielen positiven Rückmeldungen dürfen wir jedoch gemeinsam feststellen, dass das Buch generell sehr gut angenommen wurde. Es fehlte in Jink schon lange ein ähnliches, übersichtliches Werk neben den Erinnerungsbüchern und Forschungen über Herrenhäuser, Musikanten, Kirchen und Soldaten. Mit wenig Darstellungstexten erfüllten wir den heutigen modernen Anspruch der Überschaubarkeit.
Nach mehrmaliger Durchsicht stellten wir fest, dass Menschen jüdischen Glaubens, die katholischen Familien und auch die Sinti und Roma zur Jinker Vergangenheit gehörten. Sie fehlen hier in der Fotodokumentation. Diese Tatsache gibt noch mehr Ansporn, auch noch über diese Bevölkerungsgruppen zu forschen, damit der Titel des Buches wirklich für alle zur Geltung kommen kann.
Unser Dank gilt allen Förderern dieser Ausgabe, Privatpersonen, Selbstverwaltungen und ebenso auch der ungarischen Regierung. Ich schließe mit dem Zitat des Bürgermeisters von Jink, Gyula Szaka: „Das habt Ihr gut gemacht!“