Mit Theaterspaß Deutsch lernen

Im Rahmen eines vom ifa (Institut für Auslandsbeziehungen in Deutschland) ausgeschriebenen Projekts durften Kleinkinder im Alter von 3 bis 6 Jahren und Schulkinder von den unteren bis zu den oberen Klassenstufen (1.-8.) mit „Theaterspaß Deutsch lernen” so wie auch das Projekt hieß, das für die Förderung des Spracherwerbs bei Kindern im Komitat Branau ins Leben gerufen worden war. Dabei fanden zwischen dem  30. September 2022 und dem 14. Dezember 2022 21 Theateraufführungen für Kinder aus Bawarz/Babarc, Seik/Szajk, Surgentin/Szederkény, Großnaarad/Nagynyárád, Tiedisch/Töttös und Deutschbohl/Bóly statt. Das Projekt konnte dank der Kooperation mit der Deutschen Bühne Ungarn (DBU), der Schauspielerin Ildiko Frank, dem Zaubermusik Ensemble, Eduard (Ede) Figura mit Charlotte (Sarolta) umgesetzt werden. „Der Motor” dieses Projektes war Suse-Annette Hasenfus aus Tiedisch, die letztes Jahr bei der Deutschen Bühne Ungarn vier Wochen lang hospitiert hatte. Über die hier gesammelten Erfahrungen und das Theaterprojekt wurde sie von Ibolya Lengyel-Rauh befragt.

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SB: Frau Hasenfus, wie kamen Sie zu diesem Projekt?

SAH: Es gab eine Projektförderung – ausgeschrieben vom ifa – und mir kam die Idee, ein Theaterprojekt zu entwerfen. Zuerst habe ich 2021 bei der Deutschen Bühne Ungarn in Seksard hospitiert. Dann gab es die Projektausschreibung letztes Jahr beim ifa, die vom Auswärtigen Amt in Deutschland finanziert wurde. Als Projektförderung wurde eine große Summe zur Verfügung gestellt. Ich saß am Computer und wollte nicht glauben, dass für ein neues Projekt so viel Geld bereitgestellt wurde. Ich überlegte, was wir davon machen könnten, und kam zur Idee, dass ich mit der DBU und freischaffenden Künstlern Theatervorstellungen für die Kinder veranstalte, um den Spracherwerb der deutschen Sprache zu fördern.

SB: Können Sie auch ein bisschen über die Hospitationsphase erzählen? Was haben Sie bei der DBU genau gemacht?

SAH: Wie gesagt, 2021 war ich bei der Bühne und vier Wochen lang durfte ich alles hautnah erleben, wie die ganze Theaterarbeit aussieht und funktioniert – von Newslettererstellung bis zur Theaterpädagogik. Ich wollte eigentlich nur mehr über soziale Netzwerke, PR und Soziale Medien lernen, deswegen habe ich diese Hospitationsmöglichkeit des ifa ergriffen. Am meisten hat mir jedoch die Arbeit als Theaterpädagogin gefallen.

SB: Und dann kam die neue Projektausschreibung im August 2022: „Mit Theaterspaß Deutsch lernen” – können Sie ein bisschen mehr darüber erzählen? Wie ist das Projekt zustande gekommen?

SAH: Für den Projektantrag habe ich mit dem Team der DBU über die Möglichkeiten gesprochen, wie wir die deutschen Sprachkenntnisse der Kinder auf eine spielerische Weise mit Theater fördern können und welche ihrer Stücke die Bühne empfehlen kann. Dann habe ich die Schauspielerin Ildiko Frank kontaktiert – welche Stücke sie aus ihrem Koffermärchenprogramm spielen könnte, ebenso sprach ich mit Ede Figura und Sarolta. Und so ist die Zusammenarbeit mit der Bühne und den anderen entstanden. Wir wollten das Schauspiel interaktiv gestalten, damit die Kinder mitmachen. Das war wichtig, denn zuhören, auf Fragen antworten und Deutsch sprechen ist der Lerneffekt, den wir mit den Theaterstücken erreichen wollten. Die Projektförderung wurde erst Mitte September zugesagt und bis Jahresende mussten wir die Theaterstücke gespielt haben – also hatten wir nicht so viel Zeit zur Vorbereitung.

SB: Können Sie über die Theaterstücke auch ein wenig erzählen?

SAH: Ja, wie gesagt, es gab 21 Aufführungen in verschiedenen Ortschaften der Branau wie in Tiedisch, Bawarz, Seik, Surgentin, Großnaarad und Bohl. Die Altersgruppe war von 3 bis 14 Jahren. Für die Kleinkinder hatte Ildiko Frank ihre Märchen aus dem “Koffer” mitgebracht und schlüpfte in verschiedene Rollen. So waren der Froschkönig, Till Eulenspiegel, das Wintermärchen und Frau Holle zu sehen. Die Märchen waren sehr interaktiv konzipiert und zogen die Kinder in ihren Bann. Neben Ildiko bildeten Ede Figura und Sarolta ein gutes Team und zauberten durch ihre Musikkunst “die Bremer Stadtmusikanten” ins Klassenzimmer und dann durfte “der deutsche Nikolaus kommen”. Diese Unterstufenkinder haben das Ganze mitgesungen und mitgestaltet. Außerdem führte das Zaubermusik-Ensemble die Kleinkinder mit seiner Musikbegleitung in den Advent. Die Deutsche Bühne Ungarn nahm ihre Taschentheater-Stücke auch mit und führte den Kiga-Kindern “den Hasen und den Löwen” auf. Die Unterstufenklassen durften sich das Stück “Oh wie schön ist Panama” anschauen. Die größte Veranstaltung war „Des Kaisers neue Kleider”, das vor 300 Kindern im Alter von 3 bis 11 gespielt wurde. Und zum Schluss war das traurige Ereignis der Ungarndeutschen, die Vertreibung, auch auf der Bühne zu sehen. Das war der “Bündeltanz”. Es war ein sehr sehr berührendes Stück von der Oberon Company.

SB: Können Sie über den “Bündeltanz” erzählen? Wie haben die Kinder das erlebt, das ist kein Stück zum Lachen, eher zum Nachdenken.

SAH: Ja, das ist wirklich so. Normalerweise wird das Stück draußen vor einem Schwabenhaus gespielt, erstmals wurde es indoor, also drinnen aufgeführt. Die Kinder (40) und die Erwachsenen (90) saßen um die Schauspieler herum und konnten so die Vertreibung ganz hautnah selbst erleben. Das Stück hat die Kinder sehr berührt und beeindruckt, sie waren aber auch ganz erschrocken. Das spiegelte sich in ihren Kommentaren bei der Nachbesprechung in der Schule wider. Es ist ein himmelweiter Unterschied, nur davon im Geschichtsbuch zu lesen, davon zu hören oder so zu erleben und zu schauen, wie die Schwaben mit nur einem „Bündel“ gehen mussten.

SB: Es gab ein anderes erfolgreiches Theaterstück: Des Kaisers neue Kleider” der DBU. Es sind etwa 300 Kinder erschienen. Was hat das Stück so erfolgreich gemacht?

SAH: Ich muss zugestehen, dass es ein schwierig zu verstehendes Stück war. Zwar hat der Regisseur das Stück ab 5 Jahren empfohlen, obwohl ich der Meinung bin, dass es ab 8 Jahren für die Kinder geeignet ist. Außerdem ist schon das Märchen selbst sehr schwierig zu verstehen. Dazu kam, dass 80-90% der Gespräche im Stück auf Deutsch waren und nur 10-20% auf Ungarisch. Und das Stück dauert eine Stunde lang. Da wir 300 Kinder bei der Vorführung hatten, war das ein richtiges Theatererlebnis. Und die Masken, die Kostüme und die Schminke waren schillernd. Das Stück wurde sehr witzig gespielt. Die Dekoration war auch besonders. Die Kinder haben zwar nicht alles verstanden, aber es war für mich wichtig, dass die Kinder eine Stunde lang Hochdeutsch gehört haben.

SB: Auf einem Foto habe ich auch Sie mitspielen gesehen. Hatten Sie im Stück eine Rolle gehabt?

SAH: Ich habe nicht mitgespielt, sondern wollte die Konzentration der Kinder auf die Geschehnisse auf der Bühne lenken, deswegen habe ich beschlossen, dass ich die Kinder vor jedem Stück „abhole”. Deshalb habe ich meinen Gong mitgenommen und die Kinder immer so begrüßt und gesagt: „Jetzt kommt ein besonderes Theaterstück.”

SB: Was hat Sie motiviert, sich an dieser Projektförderung zu beteiligen?

SAH: Ich wollte den Kindern etwas geben, da sie auf dem Land sehr wenige Möglichkeiten haben, Theater zu erleben. In den Schulen wird zwar Deutsch vermittelt, aber es wird nur noch in wenigen Familien Deutsch gesprochen und so fällt es ihnen schwer Deutsch zu sprechen. Die meisten Schulkinder erleben die Sprache als lästiges Schulfach, obwohl es für ihre Identität sehr wichtig ist. Dank dieses Projektes konnten sie Deutsch auf eine spielerische Weise erleben. Ich bin sehr froh, dass wir das den Kindern zeigen konnten, vor allem, weil vielen Familien das Geld für einen Theaterbesuch fehlt.

SB: Welche Nachwirkungen hat das Projekt? Haben Sie darüber etwas erfahren?

SAH: Es ist uns gelungen, den Kindern die Sprache näher zu bringen und sie konnten neue Wörter auf eine spielerische Weise dazulernen. Das haben uns die Erzieher und Pädagogen auch bestätigt. Außerdem fanden Diskussionen über die Vertreibung der Deutschen im Familienkreis statt.

SB: Gibt es noch eine Fortsetzung Ihrer Zusammenarbeit mit der DBU nach Ihrer Hospitation?

SAH: Zurzeit gibt es keine Ausschreibungen für ein solches Projekt und es stehen auch keine finanziellen Mittel dafür zur Verfügung – und ohne Förderung wäre es für die Deutschen Selbstverwaltungen in den kleinen Dörfern nicht möglich.

Bitte lassen Sie mich abschließend noch allen Beteiligten, Erzieherinnen, Lehrerinnen und Kulturmanagerinnen der Ortschaften für ihre Unterstützung herzlich danken, denn ohne Euch wäre dieses tolle Theaterprojekt nicht möglich gewesen! Eine ganz besondere Freude war für mich die Erfahrung der ortsübergreifenden Zusammenarbeit und die Erfahrung, die unser „Netzwerk“ trägt!

SB: Frau Suse-Annette Hasenfus, vielen Dank für das Interview. Ich wünsche Ihnen und allen Beteiligten noch viele ähnliche Projekte, die der nachkommenden Generation ihre identitätsprägende Sprache – Deutsch – näher bringt und ihnen dazu verhilft, die Sprache der Vorfahren zu erlernen. Das kann dank ortsübergreifender Zusammenarbeit mithilfe ähnlicher Projektausschreibungen erfolgen.

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