So lebte man damals, vor der Vertreibung in der Tolnauer Gemeinde Pari (Teil 1)

Von Ibolya Lengyel-Rauh

Teil 1

Die Gemeinde Pari/Pári erstreckt sich in einem Tal am Rande der Tolnauer Hügellandschaft. Sie ist eine deutsche Insel am rechten Ufer des Flusses Koppány. Das Dorf wurde erstmals im 14. Jahrhundert in den alten Schriften erwähnt. Den Grund und Boden besaßen 1542 zwei Adlige namens Johann und Simon Pari. Im 17. Jahrhundert war Pari von Raitzen bewohnt, die während der Kuruzenkämpfe vertrieben wurden. Dabei spielte der Generalmajor Paar eine wichtige Rolle, dem der Name des Dorfes zu verdanken ist. Nach der Vertreibung der Raitzen und dem Rákóczi-Freiheitskampf gelangte Pari in den Besitz des Fürsten Esterházy, der die öde Landschaft bevölkern und bewirtschaften wollte. Aus diesem Grund rief er deutsche Kolonisten in dieses Gebiet, da er keine ungarischen Kolonisten von seinen anderen Besitzungen anwerben konnte. So wurde Pari in zwei Etappen besiedelt. Die ersten Kolonisten kamen 1726 an, jedoch blieb die erste Kolonisation erfolglos, da viele von den Kolonisten an seltenen Krankheiten oder Hungersnot starben oder auch weiterzogen. Der Parier Boden war zwar fruchtbar, aber sehr schwer zu bewirtschaften. Nur die zweite Welle der Ansiedlung 1738 war erfolgreich; deren Nachkommen leben auch heute noch in Pari. Die Ansiedler kamen aus dem heutigen Baden-Württemberg, aus dem Schwarzwald, was an ihrer Mundart zu erkennen ist. Überwiegend ließen sich hier Bauern nieder und wandelten die waldige Landschaft in fruchtbares Land um. Die Kolonisten hatten es hier nicht leicht, was in mehreren Bittschriften zu verfolgen ist. Die heutige Kirche wurde zwischen 1763-1767 im Barockstil erbaut. Die katholische Gemeinde erhielt ihren ersten Pfarrer 1795 und trennte sich somit von der Parochie Nagykónyi. Die Gemeinde zählte 1767 bereits 459 Einwohner; laut der Volkszählung im Jahr 1784 stieg die Bevölkerungszahl auf 667. Die Einwohnerzahl verdoppelte sich binnen eines Jahrhunderts, da das Dorf 1857 schon 1009 Siedler hatte. Es gab nur einige Madjaren und zwei jüdische Familien.

Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts bis zu den 30er Jahren gingen immer mehr Einwohner nach Amerika, vor allem nach Kanada, um dort Geld zu verdienen, womit sie in Pari besser vorankommen und eventuell Felder kaufen konnten. 1903 wurde Pari in den Schienenverkehr eingebunden. Ihre Blütezeit erlebte die Gemeinde in den 1930er und 1940er Jahren, als sie am dichtesten besiedelt war. Laut der Volkszählung von 1941 erreichte Pari eine Einwohnerzahl von 1520. Seine ethnische Zusammensetzung blieb homogen, 94% der Bevölkerung bekannte sich zum Deutschtum. Die hier Wohnenden waren auf Selbstversorgung eingestellt, führten ein bäuerliches Leben, bearbeiteten die Felder, Weingärten und die Wälder des Herzogs Esterházy und züchteten Vieh. Es gab auch Handwerker, die ihre Produkte und die landwirtschaftlichen Güter auf dem Markt der Nachbardörfer verkauften. Aber wie die Parier gelebt haben, darüber gibt es eine Erinnerung von der ehemaligen Bewohnerin Elisabeth Páczelt (1926-2017), die bis zur Vertreibung in Pari lebte. Diese Erinnerungen sind bereits im Deutschen Kalender 2022 erschienen. Hier sind nur Auszüge zu lesen. Sie beschrieb das Dorf so:

Das Dorf Pari liegt in einem schönen Tal mit zwei Hauptstraßen, zwei Nebenstraßen und mehreren Gassen. Es gibt noch eine kleine Siedlung mit Einfamilienhäusern, die in letzter Zeit gebaut wurden. Das ist die Neustadt. Pari hatte ca. 300 Häuser mit 1500 Einwohnern, eine schöne mittelgroße Kirche (gebaut 1963-1967), ein Rathaus, ein Pfarrhaus, drei Schulgebäude, drei Läden (Gwelber), drei Gasthäuser, vier Haarschneider für Männer, vier Tischler, zwei Stellmacher, mehrere Maurer, Schneider, zwei Hebammen, Dreher (=Drechsler), Schmied, Klumpenmacher, Schäfer, Sauhalter – und eine Schnapsbrennerei!

Die Weinberge lagen an den Hügeln und Bergen: Kirchberg, Nußtal, Sauaberg, Hennaberg, Wangetäli und Erzhasatal. Dahinter lag der Wald (Bauernwald, Herrschaftswald).

Der Hotter – das heißt die Felder – lag am Eingang des Dorfes. Die Felder waren von unterschiedlicher Qualität. Damit keiner benachteiligt wurde, sind die Felder in schmale Streifen geteilt worden und jeder Bauer erhielt Streifen von unterschiedlicher Qualität. Sie hießen: Breitäcker, Mitteläcker, Altäcker, Unteräcker, Oberäcker, Kirchäcker, Breiäcker, und Schlaflochäcker.

In Pari durfte vom Samstagnachmittag bis Montag früh weder im Weingarten noch auf dem Hotter (Feld) gearbeitet werden. Wurde jemand vom Feldhüter erwischt, dann wurde er nach Hause geschickt. Später gestattete man Samstagnachmittag Grünes für die Tiere zu holen. Jeden Sonntagabend und Sonntag früh wurden Hof und Straße gekehrt. Man hat dazu auch Erde mit dem Schubkarren auf die Straße gefahren. Sonntag früh wurden im Stall die Spinnennetze heruntergefegt. Dabei erhielten die Tiere ihr Futter. Jede Nacht hielten vier Personen im Dorf Wache und zwar von 10 Uhr abends bis 4 Uhr früh. Sie liefen langsam die Straßen rauf und runter, mussten sich beim Gemeindediener melden und unterschreiben. Damals wurde nicht viel eingebrochen und nicht viel gestohlen. (Ende Teil 1)

Bild: Kleinhaisli in Pari

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Im zweiten Teil erhält der Leser weitere Einblicke in das Leben der Bewohner im Jahreskreis.

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