Entstehung der multikulturellen Struktur in Kötsching nach 1730. Die Ansiedlung der ungarischen/madjarischen Bevölkerung (Teil 14)

Von Prof. Dr. Zoltán Tefner

Korrekterweise hätten wir so sagen müssen, dass die ungarische/madjarische Bevölkerung im Dorf schon angesiedelt war, als die Deutschen kamen. Bereits ausgehend von den Behauptungen der vorangegangenen Kapitel kann festgestellt werden, dass nach 1720 in einigen der erwähnten Siedlungen besonders bei den Inquilinen und Kleinhäuslern eine sichtbare Überbevölkerung aufgetreten ist. Im späten Mittelalter verfolgte das Bauerntum nur ein Ziel, nämlich ein Grundstück zu erwerben. Dadurch, dass die leeren Heiden in Parzellen aufgeteilt worden waren, ergriffen zahlreiche Leibeigene, Bedienstete und andere mittellose Knechte die Möglichkeit zum sozialen Aufstieg und wurden Grundbesitzer.

Unser Wissen über die ungarische/madjarische Wohnbevölkerung ist viel genauer als über die deutsche. Die Konskription des Jahres 1814 von dem Pastor Laky ist die Auflistung madjarischer Bauern wesentlich genauer als jene der deutschen. In der Aufzählung der deutschen Kolonisten finden wir mehr als ein Dutzend Namen, deren Träger zu Zeit der „Landeinnahme”, am 11. April 1730, keine Familienoberhäupter sein konnten. Damals, 1814, wurde die Liste der Kolonisten nur so aus Erinnerung zusammengestellt, die Enkelkinder diktierten die Namen in das Protokoll für den Bischof. Alle ungarischen Namen können demgegenüber in den bis zum Ende des Jahrhunderts untersuchten Quellen ausgewiesen werden. Mindestens ebenso kompliziert ist auch die Feststellung der genauen Abstammung, weil die Wege und Methoden bei ihrer Erforschung bei weitem nicht so ausgefeilt bzw. adäquat sind wie jene bei den Deutschen.

Auch hinsichtlich der Organisation selbst verfügen wir nur über wenige sachdienliche Angaben. Bei der Ansiedlung der Deutschen laufen die Fäden eindeutig bei den Gutsherrschaften Mercy, Magyary-Kossa und Styrum-Lymburg zusammen. Die Frage, in welcher Verbindung János und György Antal mit den erwähnten Herrschaften standen, bleibt ungeklärt. Gesellschaftlich stand Mercy höher als die anderen, jedoch konnten die Antals als Mitglieder einer namhaften Türkenkämpferfamilie mit dem General der türkischen Feldzüge in gutem Einvernehmen leben.

In den vorherigen Zeitungsartikeln wurde erörtert, wie sich im Herbst des Jahres 1723 69 Familien aus Hessen-Nassau zusammenschlossen, um die Auswanderung nach Ungarn vorzubereiten. Als die Details mit dem Fiskal Falk und dem Frankfurter Kaufmann Georg Müller ausgehandelt waren, brachen sie im Frühling 1724 als geschlossene Gruppe auf, mit dem Erlös ihres verkauften Vermögens in der Tasche und mit dem kühnen Ziel, sich ins Banat zu begeben. Die abenteuerlichen Ereignisse der Donaureise und des Warschader Schlussaktes bei der Ankunft am 9. Mai 1724 kennen wir schon. Nur ein wichtiger Moment soll dabei hervorgehoben werden, jedenfalls die Tätigkeit und Rolle eines gewissen Hauptmanns Vátzy, der noch auf der Nußdorfer Anlegebrücke versuchte, die 69 Familien zu einer Änderung ihres Reiseziels in die Tolnau zu bewegen.

Genauere Angaben über die Identität Vátzys konnten wir leider nicht ausfindig machen, außer dass die Familie Vátzy später auch in Kötsching manche Liegenschaften besaß Auch die Frau des einstigen Kötschinger evangelischen Pfarrers, Pál Mezibiodszky, hieß Zsuzsanna „Váczi” Die Frau von István Mezibiodszky, dem Bruder von Pál, war außerdem Rebeka Horváth, die in den beiden Komitaten zu vielen adeligen Familien – unter anderem auch zu den Vátzys – gute Verbindungen pflegte. Die Vermutung legt nahe, dass man mit Mercy nicht in engster Verbindung hatte stehen müssen, um über das Schicksal von zwei-drei Dutzende Kolonisten Entscheidungen treffen zu können Die gesellschaftliche Ebene der Familie Magyary-Kossa entsprach der der Familie Antal, und die Kontakte zwischen ihnen gediehen so weit, dass sich intensive freundschaftliche und patrimoniale Faden zwischen Jink/Gyönk, Groß-Säckel/Nagyszékely und Kötsching entwickeln. Es scheint keine allzu kühne Behauptung zu sein, wenn man Kötsching als eine Tochtersiedlung von Jink und besonders Groß-Säckel, Warschad/Varsád-Gallas, bzw. Tormasch/Tormás auffasst. Groß-Säckel kann noch weitere Tochtersiedlungen aufweisen, die seine Migration aufzufangen wussten: Bonna, Polan/Polány, Wadkert/Soltvadkert, Balmazújváros, Hatsch/Hács, Bujad/Borjád und Illutsch/Illocska in der Branau.

Bis 1802 sind alle später in Kötsching befindlichen Grundbesitzerfamilien in einer Gesellschaft in Groß-Säckel. Am 23. August 1802 heiratet Péter Magyary Julianna Saáry aus jener Familie, die noch um 1870 im Haus wohnt und im Grundbuch registrierte Grundstücke in Kötsching hatte. Der Trauzeuge Dávid Kenessey, der Groß-Säckler Dorfnotar, dessen Neffe um die Mitte des 19. Jahrhunderts im alten Haus der Antals in der Magyar-Straße 46 wohnt, heiratete in die Familie Antal ein. An diesen Kreis schlossen sich vor der Mitte des Jahrhunderts auch die Mitglieder der Familie Roboz, wie auch die Familie Pesti an, die in kurzer Zeit über einen Immobilienbesitz in Kötsching verfügten. 1833 nimmt Mihály Hollósy an der Hochzeitsfeier der mit den Magyarys verwandten Familie Portelki als Pate teil. Es geht hier um jenen Hollósy, dessen Namen der Flurname „Hollósy-Pócza” in der Pocza-Pußta bei Kötsching heute noch trägt. Viele ähnliche Verbindungen werden auch um 1720 noch bestanden haben.

György Antal hatte – wie schon oben erwähnt – seinen Wohnsitz um 1730 in Csepel/Nagycsepely. Der Komitatstag hatte seinen Sitz damals noch in der Gemeinde Tapsony, die im 18. Jahrhundert als Zentrum des Komitats galt. Man weiß es nicht genau, aber es ist anzunehmen, dass György Antal aus praktischen Gründen Kozma-Pußta, diesen dem Komitatszentrum naheliegenden Ort, kauft. Vielleicht wollte er dem Amt etwas näher sein, um vielleicht sein Geld besser anlegen zu können. Sein früheres Gut, die Visz-Puszta, ließ er der Familie Bárány zukommen. Diese Kaufgeschäfte wurden um 1730 realisiert, mit größerer Wahrscheinlichkeit aber noch vor 1730. Die Ansiedlung seines Gutes – obwohl er wegen seiner Amtspflichten ins Komitatsinnen gezogen ist – blieb jedenfalls eine gemeinsame Sache mit seinem Bruder, János. Vielleicht kam der Kontakt mit Mercy durch seine Vermittlung zustande. Allerdings waren diese Kontakte mit den unmittelbar benachbarten Grundbesitzern – dies ist auch urkundlich bewiesen – die allerbesten. Da es bei der Überführung deutscher Kolonistengruppen an persönlichen Komponenten nicht mangelte, waren diese auch bei der Überführung ungarischer/madjarischer Ansiedler sehr wichtig. In Őszöd leben die Antals in einem Kondominium-Verhältnis mit der Familie Vázsonyi, wobei die Größe des Vázsonyi-Dominiums die Größe des Antal-Besitzes fünfzehnmal übersteigt. Aber das Gleichgewicht stellt sich hier durch eine entsprechende Heiratspolitik her. Erzsébet Antal und Gergely Vázsonyi schließen den Ehebund.

Lassen wir den Anfang von Lakys Berichts nicht außer Acht, wo er die Besiedlung Kötschings durch Madjaren beschreibt, dann bleibt zu entscheiden, ob sie diese Besiedlung auch tatsächlich als erste Kolonisten vollzogen haben und ob sie 1730 wirklich da waren. Bei Mihály Igali, Ferentz Molnár, Pál Gulás und István Bertsik weiß man es nicht, bei György Börötz und dem Reformierten István Bognár jedoch genau, dass sie nicht dabei waren. Sie gingen erst 1731 dorthin, als sie infolge eines wirtschaftlichen Krachs ihre ursprüngliche Gemeinde Szemes verlassen hatten und sich in das neu entstehende Dorf, nach Kötcse-Pußta begaben. Die Verfassung ist hinsichtlich unseres Themas vielversprechend, denn die Eintragung „neopopulandum” spricht von einer noch bestehenden Ansiedlung. Aus diesem Dokument geht hervor, dass 1731 noch die Qualifizierungsbezeichnung Kötschings als „praedium”, also .Pußta”, und nicht „possessio”, Dorf angegeben wurde. Leider sind unsere Quellen danach für lange Jahre unterbrochen, es gibt deswegen keine exakten Jahresangaben, mit deren Hilfe man feststellen konnte, seit wann Kötsching in seiner neuzeitlichen Geschichte als Dorf weiter existierte. Ende Mai 1731 sind von den reformiert-calvinistischen Familienvätern Kántás, Márton und Mihály an ihrem ursprünglichen Wohnort in Őszöd zu finden, die von Laky erwähnten drei Namen János, Ferentz, György waren vielleicht in Kötsching. 1725 wohnt János Fonyó nicht mehr in Csepel, sicher aber der später in Kötsching auftauchende István Fonyó. Man kann dazu bemerken, dass die erforschten Quellen uns über eine nicht näher bestimmte Seuche berichten, die in den Jahren um 1725 in den Gemeinden nahe dem Plattensee den ganzen Viehbestand ausgerottet haben sollten. Die Familien Kántás und die Familie Börötz sind wahrscheinlich deswegen weggezogen. Das alles passierte am Südbalaton. Was allerdings im Norden der Fall war, darüber in der nächsten Folge.                                                                                              (Fortsetzug folgt)

 

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