index.hu-Beitrag gedenkt Verschleppung vor 78 Jahren
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Von Richard Guth
„Dem Idyll im Vorgebirgsland bereitete der zweite Januartag 1945 ein jähes Ende und verursachte solche Wunden in Herz und Seele, die bis heute nicht verheilt sind. 135 junge Mädchen und Burschen, Frauen und Männer wurden zum Schulhof geladen, um zum Arbeitseinsatz in der Nähe, der einige Wochen dauern soll, auszurücken.
Man brachte Mädel und Burschen weg, ein Sechstel der Dorfbevölkerung. Die als Malenkij Robot bekannte „Wiedergutmachung” verwandelte sich auf dem Gebiet der Sowjetunion in eine mehrjährige Zwangsarbeit.
Die Glücklicheren kehrten heim. Sechszehn von ihnen sahen ihr geliebtes Dorf nie wieder. Die Überlebenden mussten schweigen. Das Grauen erfasste sie im Inneren ganz. Lachen wurde ein seltener Schatz. Sie haben wiedergutgemacht, was sie gar nicht verursacht haben. Ihre einzige Sünde war als Ungarn ihre deutsche Vergangenheit. Das kann man gar nicht verstehen. Heute lebt nur noch eine von ihnen.”
Sie heißt Maria Götz-Koczák und ist heute 96 Jahre alt. Um sie geht es in einem Beitrag von Gábor Jernei, der am 4. Januar 2023 im Internetportal index.hu erschienen ist (Jóvátették, amíg el sem követtek, közben beléjük dermedt a borzalom). Der Journalist besuchte das im Semplin gelegene Dorf Trautsondorf/Hercegkút, das vom Fürsten von Trautson um 1750 mit Schwarzwäldern besiedelt wurde.
2011 wurde der 25. November zum Gedenktag der Verschleppung erklärt, in Trautsondorf gedenkt man der Verschleppung am 2. Januar, dem Tag, an dem die Zwangsarbeiter das Dorf in Richtung Sowjetunion verließen und „ihr Holocaust begann”. Mehr als 100 Menschen kamen nach Angaben von Jernei in die katholische Kirche von Trautsondorf, um für die Seelenruhe der Verschleppten zu beten. Auch die trotz ihres Alters geistig fitte Maria Götz-Koczák ist unter ihnen – im Anschluss lädt sie den Journalisten nach Hause ein und erzählt über das Vergangene.
Die Freude über das Kriegsende soll schnell vorbei gewesen sein, als ausgetrommelt wurde, dass man sich mit Kleidung und Verpflegung für zwei Wochen auf dem Schulhof versammeln soll. Man dachte, man würde nur wenige Wochen bleiben und im Frühling wieder daheim sein. Für die 96-Jährige wurden aus wenigen Monaten drei volle Jahre. Sie fuhren nach ihren Angaben 1700 km und drei Wochen, ehe sie im Donbass angekommen sind. Nach ihren Erinnerungen sei die Mehrzahl der Trautsondorfer zusammen geblieben. Sie mussten bei Wind und Wetter im Bergwerk arbeiten und Waggons beladen. Die Verpflegung sei einseitig und nicht besonders ertragreich gewesen, was dem Körper zusetzte. Gewohnt hätten sie sieben Kilometer vom Bergwerk entfernt, also zweimal am Tag Fußmarsch zum Bergwerk und zurück. Für ihre Arbeit hätten sie kaum Lohn erhalten, auch die drei Wechselkleidungen seien schnell kaputtgegangen. Gegen Brot konnten sie Stoff besorgen und neue nähen. Zu schaffen hätten sie die Wanzen gemacht, die zahlreich gewesen seien.
Wenn sie nicht arbeiteten, hätten sie freien Ausgang gehabt. Die Anwohner dachten nach Erinnerungen der Frau, dass sie ihnen die Arbeit wegnehmen wollten und seien überrascht gewesen, als sie von ihrem Schicksal erfuhren.
1948 durfte sie im Rahmen des dritten Transports heimkehren. Sie erkrankte an Ruhr und der Lagerarzt wollte sie dort behalten. Durch ihre Hartnäckigkeit durfte sie nach eigenen Angaben heimfahren, wo eine pflegebedürftige Mutter auf sie wartete. Sie heiratete und zog zwei Kinder groß. Heute hat sie noch vier Enkel- und vier Urenkelkinder.
„Danke, es ist nett, dass Sie meine Geschichte notieren, so kann ich ein wenig meine Spuren in dieser Welt hinterlassen”, so die Frau, die den Journalisten mit einem sanften Lächeln verabschiedet haben soll.
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Die Reportage können Sie auf Ungarisch hier nachlesen: https://index.hu/belfold/2023/01/04/malenkij-robot-hercegkut-donyec-medence-szenbanya-jovatetel/?fbclid=IwAR09t__WY75LNdzp9SbMMA7C5nQ3lwbpuCXVrInpVjDShkRM5mIFj1tSVSU&token=cefeb7f0c9f122fa86b9d0d5fdb1f9c4