Von der „Feuernacht” zur „Autonomie” – Spannende Sonderausstellung über Südtirol im Jakob Bleyer Heimatmuseum

Von Dr. Kathi Gajdos-Frank, Heimatmuseum

Am 25. November 2022 konnten wir – das Haus der Tiroler Geschichte Bozen und das  Jakob Bleyer Heimatmuseum Wudersch – die Sonderausstellung „Befreiungsausschuss Südtirol – Von der „Feuernacht“ zur „Autonomie“ im Gebäude des Heimatmuseums feierlich eröffnen.

Nach dem berührend schönen „Ave Maria“, vorgetragen vom Lyra Gesangchor Wudersch, war es für uns eine große Ehre, unsere lieben Gäste aus Südtirol, Herrn Dr. Dr. h.c. Franz Pahl, ehemaliger Präsident des Regionalrates, ehemaliger Landtagsabgeordneter und Vorstand des Ausstellungsbeirates, Herrn Mag. Andreas Schwaighofer, Finanzchef, Obmann des Trägervereins der Ausstellung, Kurator der Laurin-Stiftung und Rechtsanwalt in Wien, Herrn Hofrat Oberst Dr. Hubert Speckner und seine Ehefrau Mag. Sylvia, Kuratoren der Hauptausstellung in Bozen und für die Ausstellungsgestaltung zuständig Herrn Martin Dorfmann und Herrn Thomas Pomarolli, von der Firma DP-Art aus Brixen begrüßen zu können.

Wir Ungarndeutsche lieben Südtirol, schwärmen von der Landschaft, besichtigen gerne die Schlösser, essen Südtiroler Apfel, Speck, Edelkastanie und trinken dazu Südtiroler Wein, aber die Zeitgeschichte von Südtirol, vor allem die des 20. Jahrhunderts kennen Viele von uns nur aus den offiziellen Geschichtsbüchern. Unser Motto im Ausstellungsraum des Heimatmuseums „Eure Geschichte ist unsere Geschichte“ fanden unsere Gäste aus Südtirol passend, denn es gibt zwischen uns Ungarndeutschen und Südtirolern viele Gemeinsamkeiten. Beim Lesen der Maßnahmen zur Italianisierung Südtirols von Ettore Tolomei (1923) im Ausstellungsführer denken wir gleich an die Magyarisierung und die Folgen des ungarischen Schulgesetztes Lex Apponyi. Oder die zwischen Hitler und Mussolini ausgehandelte „Bleiben oder gehen Option“ (Oktober 1939) verursachte bei den Südtirolern ähnliche Probleme, wie später bei unseren ungarndeutschen Großvätern die Rekrutierungen, im Jahre 1944 die Zwangsrekrutierungen. Die Politik hat sowohl die Südtiroler, als auch die Ungarndeutschen instrumentalisiert. Nach 1946 wurden sie weiter diskriminiert, mussten für ihre Freiheit und für ihre deutsche Muttersprache kämpfen. Aus diesen Gründen war es für uns eine große Ehre, dass Herr Dr. Dr. h.c. Franz Pahl die Ausstellung eröffnete. In seiner Eröffnungsrede sprach Herr Pahl über die Geschichte von Südtirol, vor allem über die Konflikte und führte uns in eine Zeit zurück, die nicht einfach vergangen ist. In Südtirol war die einheimische Bevölkerung laufend staatlicher Repression ausgesetzt und Italien verfolgte unverhüllt das Ziel, die deutsche und ladinische Bevölkerung zu einer entrechteten Minderheit zu machen und ihre Identität auszulöschen. Herr Pahl freute sich über die Eröffnung der Sonderausstellung, denn sie dokumentiert, dass die BAS-Aktivisten der 1960er Jahre durch ihren beherzten Einsatz und ihre großen Opfer einen entscheidenden Beitrag zur Erreichung der neuen Autonomie Südtirols geleistet haben. Es machte uns große Freude, dass Herr Dr. Pahl in seiner Rede die Minderheitenpolitik Ungarns und die Arbeit der Ungarndeutschen positiv bewertete. Wir bedankten uns bei Herrn Pahl für diese Worte und waren mit den Südtirolern gleicher Meinung, „weniger Worte – mehr Taten“ (Transparent, 1960er Jahre) helfen, um unsere Ziele zu erreichen.

Nach einem schönen Lied von Schubert, professionell vorgetragen vom Pro Musica Chor Wudersch, hielt Univ.-Prof. Dr. Nelu Bradean-Ebinger seine Grußworte. Herr Bradean-Ebinger, Professor an der Corvinus Universität in Budapest und aktiver Mitglied im Wuderscher Kulturverein bzw. im deutschen Stammtisch, kennt nicht nur die Landschaften von Südtirol, sondern auch ihre Zeitgeschichte gut und erzählte in seinen Grußworten über seine positiven Erfahrungen und auch über seine persönliche Meinung bezüglich der heutigen europäischen Politik, was im Publikum gut ankam. Wir freuten uns über seine Grußworte und hoffen, dass mit seiner Hilfe diese Sonderausstellung auch viele Studentinnen und Studenten besuchen werden.

Nach einem wunderschönen Lied, vorgetragen vom Pro Musica Chor, erzählte ich über die Entstehung dieser Ausstellung. Im Juli 2019 haben wir von Herrn Univ.-Prof. Dr. Erhard Hartung, dem emeritierten Stiftungskurator der Laurin –Stiftung einen Brief bekommen. Herr Hartung hat mit großem Interesse in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung den Bericht über unser Budaörser Jakob Bleyer Heimatmuseum gelesen (FAZ, „Goldene Mitte gesucht”, 24.7.2019) und fand erfreulich, dass es dieses Museum gibt und dass so über die Vergangenheit des deutschen Bevölkerungsanteils unserer Heimat berichtet wird. Er war der Meinung, wir sollten Erfahrungen austauschen und Kontakte vertiefen. Wir freuten uns darüber, als Mitte August 2019 die Kuratoren der „BAS”-Ausstellung, Herr Dr. Hubert Speckner, Zeithistoriker an der Landesverteidigungsakademie des österreichischen Bundesheeres in Wien und seine Frau Mag. Sylvia unser Heimatmuseum aufgesucht haben. Wir konnten interessante Gespräche über unser themenähnliches Projekt führen. Seit drei Jahren sind wir in Kontakt und seit August 2022 arbeiten wir zusammen an dieser Sonderausstellung. Hier möchte ich Herrn Hartung zitieren „vielen Dank für die ausgezeichnete Zusammenarbeit mit Hubert und Martin. Es freut mich besonders, dass in dem von Dir geleiteten Museum in Budaörs eine Ausstellung über die Südtiroler Zeitgeschichte einem interessierten Publikum gezeigt wird.” (E-Mail, September 2022) Ich freue mich sehr über diese positiven Zeilen von Herrn Hartung, denn wir – Ungarndeutsche und Südtiroler – können einander wirklich viel erzählen. Die Politik hat uns beide instrumentalisiert und die offizielle Geschichtsschreibung verfälscht oder verleugnet viele wichtige Tatsachen, unsere Arbeit, die Ausstellungen sind deshalb von großer Bedeutung.

Hiermit möchten wir uns für die freundliche Unterstützung beim Herrn Mag. Andreas Schwaighofer herzlichst bedanken. Wir bedanken uns auch beim Herrn Dr. Hubert Speckner und seiner Frau Mag. Sylvia, sie haben die Texte verfasst und die Ausstellung kuratiert. Unseren Dank möchten wir auch beim Herrn Martin Dorfmann und Herrn Thomas Pomarolli aus Brixen aussprechen, sie haben die Sonderausstellung professionell aufgebaut. Meine Kolleginnen und Kollegen im Jakob Bleyer Heimatmuseum übersetzten die Texte und halfen bei der Verwirklichung dieser Ausstellung, vielen Dank dafür. Vor allem aber danken wir Herrn Univ.-Prof. Dr. Erhard Hartung, der an der Eröffnung leider nicht teilnehmen konnte, weil er in Italien zu lebenslanger Haft verurteilt wurde und deshalb in Innsbruck lebt, uns jedoch aktiv geholfen hat, und wir danken allen anderen Freiheitskämpfern sowie deren Angehörigen, für die Überlassung der Exponate.

Nach einem schönen ungarndeutschen Lied über die Kapelle auf dem Berg, vorgetragen vom Lyra Gesangchor, konnten unsere Besucher die neue Sonderausstellung besichtigen und mit Hilfe von Herrn Dr. Hubert Speckner und Herrn Martin Dorfmann an einer spannenden Führung teilnehmen. Anhand vieler Fotos, Gegenstände im Ausstellungsraum erhielten die Besucher viele Informationen über den „Südtirol-Konflikt“. Dieser hat seinen Ursprung in der Annexion Südtirols durch Italien nach dem Ersten Weltkrieg im November 1918 und der faschistischen Machtübernahme in Italien im Jahr 1922. Die Maßnahmen der faschistischen Regierung unter Benito Mussolini zur „Italianisierung“ Südtirols und zur „Majorisierung“ durch die Massenzuwanderung italienischer Bürger brachte die deutschsprachige Südtiroler Bevölkerung in arge Bedrängnis. Nach dem Zweiten Weltkrieg setzte Italien seine Politik durch massive Zuwanderung von Italienern fort, was 1956 zur Gründung des „Befreiungsausschuss Südtirol“ (BAS) führte, der die Weltöffentlichkeit auf diese Situation aufmerksam machen wollte. Dies vorerst durch „zivilen Widerstand“, ab 1961 aber auch durch Sprengstoffanschläge auf die Symbole des italienischen Staates zur Machtübernahme in Südtirol. Ehemalige Südtiroler-Aktivisten des „Befreiungsausschuss Südtirol“ (BAS) der 1950/60er Jahre sammelten jahrelang Exponate zu den Jahren des Widerstandes – die sogenannten „Südtiroler Bombenjahre“, die im „Haus der Tiroler Geschichte“ in Bozen über diese schwierigen Jahre in der Geschichte Südtirols informieren. In dieser Sonderausstellung im Jakob Bleyer Heimatmuseum wird ein kleiner Überblick zu dieser Zeit in Südtirol geboten. Am 25. November erwarteten wir unsere Besucher im Museumsgarten mit heißem Tee und Glühwein und nach der Eröffnung waren sie unsere Gäste zu einem Empfang in dem museumspädagogischen Beschäftigungsraum. Mehr als 50 Personen haben an dieser Eröffnungsfeier teilgenommen und die schönen Lieder, gesungen von den Chören (Lyra Gesangchor und Pro Musica Chor) bereicherten die Veranstaltung, vielen Dank dafür.

Die Geschichte dieser Freiheitskämpfer zeigt der Welt beispielhaft, wie wichtig Freiheit ist und wie man dafür kämpfen muss. Ich bin der Meinung, dass man bei Unrecht nicht schweigen, sondern aktiv reagieren muss. Jede Ungerechtigkeit – sei es die Unterdrückung der Südtiroler durch die Politik Italiens oder die Verschleppung und Vertreibung der deutschen Bevölkerung nach dem Zweiten Weltkrieg – ist ein Verbrechen. Damit solche Verbrechen nicht wieder passieren können, dafür arbeiten wir. Die Sonderausstellung „Befreiungsausschuss Südtirol“ – Von der „Feuernacht“ zur „Autonomie“ bleibt bis Ende November 2023 im Jakob Bleyer Heimatmuseum. Hiermit möchte ich Sie zu dieser Ausstellung herzlichst einladen. Wir und auch unsere Kinder sollen mit Hilfe dieser Ausstellung lernen, Freiheit ist nicht frei!

Folgen Sie uns in den sozialen Medien!

Spende

Um unsere Qualitätsarbeit ohne finanzielle Schwierigkeiten weitermachen zu können bitten wir um Ihre Hilfe!
Schon mit einer kleinen Spende können Sie uns viel helfen.

Beitrag teilen:​
Geben Sie ein Suchbegriff ein, um Ergebnisse zu finden.

Newsletter

Möchten Sie keine unserer neuen Artikel verpassen?
Abonnieren Sie jetzt!