Von Richard Guth
„2008 fing es an, da habe ich zum ersten Mal eine Mannschaft aufgestellt. Das Turnier fand in der Schweiz bei den Rätoromanen statt, die Mannschaft bestand damals aus GJUlern. 2012 gingen wir zu den Sorben nach Deutschland, vier Jahre später fand die Europeada mit bereits 24 Herren und sechs Damenmannschaften in Südtirol statt”, erzählt der aus Ohfala/Ófalu stammende ehemalige GJU-Vorsitzende Emil Koch. „Ich habe immer mitgespielt und die Spiele wurden mit der Zeit immer niveauvoller”, berichtet der Fußballer, der von Anfang an auch für das Organisatorische zuständig ist, stolz.
Dieses Jahr fand die Europeada, das Fußballturnier autochtoner Minderheiten in Europa, zum vierten Mal statt, Austragungsort war diesmal das österreichische Bundesland Kärnten; als Gastgeber traten die Kärntner Slowenen auf. Organisator des Juni-Turniers war die FUEN, finanziell unterstützt wurden das Turnier und die Mannschaften von Sponsoren (die Ungarndeutschen reisten mit einem Bus des Valeria-Koch-Schulzentrums und eigenen Pkws an) und staatlichen Stellen wie dem deutschen Bundesinnenministerium (BMI). Aber auch Eigenmittel der Spieler flossen reichlich.
Das Turnier sollte 2020 stattfinden, wurde aber aufgrund der Corona-Pandemie um zwei Jahre verschoben. „Das Konzept für 2020 beziehungsweise 2022 lautete: Von den Teilnehmern des GJU-Fußballturniers Leute auswählen, die die Mannschaft „Ungarndeutsche” bilden könnten. Dieses Mal war es schon deshalb nicht so einfach, weil 75 % der für 2020 Aufgestellten nicht mehr zur Verfügung standen. Die Europeada bedeutet eine enorm große Belastung, denn an nur sechs Tagen absolviert man mindestens vier Spiele. Nur zur Veranschaulichung: Beim zweiten Turnier haben sich von den 16 angereisten Spielern acht verletzt, was wegen den langen Ausfällen in Folge gerade für aktive Fußballer besonders schmerzhaft ist. Deswegen haben wir dieses Jahr einen ungarndeutschen Physiotherapeuten aus Deutschbohl/Bóly mitgenommen”, so Koch. Er erzählt weiter, dass man sich bemühe, eine gute Mischung aus Jüngeren und Älteren zu finden.
Das Jahr 2022 brachte nach Kochs Worten auch ein neues Konzept mit sich, denn „ich war bislang Trainer und Organisator und das wollten wir ändern”. Engagiert wurden zwei Trainer: der aus Petschwar/Pécsvárad stammende und in Mischlen/Kozármisleny lebende Norbert Schweitzer und der gelernte Gartenbauingenieur Viktor Schneider aus Deutschbohl. Voraussetzungen für die Aufnahme in die Mannschaft waren kontinuierliche Spielpraxis, Bezug zur deutschen Minderheit und die Fähigkeit ein Mannschaftspieler zu sein, so Emil Koch. Letzteres sei auch deswegen wichtig, weil man vor dem Turnier keine Zeit habe, um sich kennenzulernen. „Dieses Jahr fand lediglich ein einziges gemeinsames Spiel gegen Surgetin/Szederkény statt”, erinnert sich der Teammanager. Auch Mannschaftskapitän Viktor Schneider, der das zweite Mal dabei war, berichtet von Schwierigkeiten: „Wegen Corona konnten wir leider seit zwei Jahren unser GJU-Hallenturnier nicht mehr austragen, wo normalerweise die Spielerauswahl stattfindet. Unter diesen Voraussetzungen haben wir nach „Kandidaten” gesucht, die deutschsprachig mit schwäbischen Wurzeln sind, spielerisch gekonnt mit „deutschem Herzen” kämpfen können und charakterlich zur Mannschaft passen. Ich denke, wir haben diese Ziele erreichen können und das bisher beste Ergebnis abgeliefert”.
Die 18 Spieler kamen 2022 vornehmlich aus der Branau, aber man habe sich auch um Kicker aus der Region Nord bemüht – mit Erfolg: Vier Spieler konnte man aus dem „Norden” gewinnen. Einer von ihnen war Szabolcs Fenyvesi aus Saar/Szár, der seit seiner Kindheit Sport macht und tanzt: „Ich empfand es als eine gute Gelegenheit, die Kräfte messen zu lassen und mich in einem Umfeld aufzuhalten, für das Traditionen wichtig sind und mit dem ich mich verbunden fühle. Vor dem Turnier kannte ich nur zwei Spieler, aber mit den Werischwarern haben wir bereits im Bus den gemeinsamen Ton gefunden. Jeder war offen und aufnahmebereit, so dass wir auf dem Platz zu Spielkameraden wurden. Das Ergebnis war leider enttäuschend, aber nun steht die Kernmannschaft, so dass wir es in zwei Jahren erneut versuchen können”. Dabei fiel Szabolcs Fenyvesi gerade bei den Südtirolern und den Kärntner Slowenen auf, dass sich die Teammitglieder kennen und über gemeinsame Spielerfahrung verfügen. Darüber hinaus habe die Präsenz einer mitgereisten bzw. anwesenden Fangemeinde eine große Rolle gespielt, so dass es kein Wunder gewesen sei, dass diese beiden Mannschaften ins Finale kamen.
„Da es erst im März feststand, dass das Turnier stattfand, hatten wir wenig Zeit. Dabei war es uns wichtig, dass wir die Leute kennen. Es ist eine bunte Truppe entstanden, vom Tätowierer bis zum Tankstellenbesitzer war jeder dabei”, berichtet Emil Koch weiter. „Was die Chancenverwertung im Turnier anbelangt, hatten wir wieder Pech”, denn man war mit dem viermaligen Sieger Südtirol in einer Gruppe. Aber auch gegen die traditionell starken Rumänienmadjaren endete das Spiel mit einer Niederlage, obwohl man nach Worten von Koch „eine Überraschung bereithalten wollte”. Am Ende ging es um den 13. Platz – hier konnten die Ungarndeutschen „das Maximum rausholen” und sicherten sich nach einem 0 zu 0 Unentschieden gegen die Burgenlandkroaten, einem 6 zu 0 gegen die Slowaken und Tschechen aus Rumänien und mit einem 5:0 gegen die Zimbrer aus Italien den 13. Platz.
Was den Kader anbelangt, war man, so Koch, bemüht, dass mindestens 75 % der Spieler deutschsprachig sind. In der täglichen Kommunikation herrschte nach Emil Kochs Eindruck aber das Ungarische vor. Bei den anderen Mannschaften war es ein gemischtes Bild, so bei den Burgenlandkroaten und Sorben, wohingegen sich die Madjaren aus Rumänien und die Südtiroler der Sprache der eigenen Minderheitengemeinschaft bedienten. Bei den Slowaken aus Ungarn habe es sich ähnlich gestaltet wie bei den Ungarndeutschen. Dennoch ist sich Emil Koch sicher, dass die Europeada die Identität der Spieler als Minderheitenangehörige stärke: „Die Präsenz ist wichtig wie bei einer Olympiade: Die ungarndeutsche Minderheit muss da sein, daher ist die Teilnahme an der Europeada für mich eine Prestigefrage. Ziel ist nicht das Gewinnen, es geht ja hier um Amateure, sondern dass man sein Land und seine Minderheit vertritt und andere Minderheiten kennen lernt”, so der Vorsitzende des LdU-Jugendausschusses. Eine Erfahrung, die er auch mit Co-Trainer und Mannschaftskapitän Viktor Schneider teilt: „Die Zeit war leider nicht genug, um uns gut kennen zu lernen, aber was ich bei den Spielen und den gemeinsamen Abendessen erfahren habe, war, dass jeder stolz auf sein Volk und seine Herkunft ist. Man ist einander ein Stück näher gekommen, man hat beispielsweise versucht gemeinsam Volkslieder zu singen. Auf alle Fälle ein Gemeinschaftserlebnis, was über diese Zeilen zu vermitteln kaum möglich ist!“