Nikolaus Lenaus Wirken im Banat und in der Weltliteratur – Tagung zum 220. Jahrestag des Dichters in Wien

Von Katharina Kilzer

Mit einem Zitat des Gedichtes „Einst und Jetzt“ (1829/30) von Nikolaus Lenau wurde am 6. Oktober im Festsaal des Bezirksmuseums Josefstadt stattgefundende Veranstaltung „Lenau- vor 220 Jahre im Banat geboren: „Möchte wieder in die Gegend…“ (Wo ich einst so selig war…“) eingeleitet. Die Veranstalter waren die Banater Schwaben Österreichs, die Jakob-Bleyer Gemeinschaft Ungarn und die Landsmannschaft der Banater Schwaben in Deutschland.

Zahlreiche Gäste und Teilnehmer aus Österreich, Rumänien, der Slowakei, Ukraine, Ungarn und Deutschland hatten sich im Festsaal des Bezirksmuseums Josefstadt, in der Nähe der Lenau-Straße eingefunden. Judith Edelmann, stellvertretende Vorsitzende der Kultur-Kommission und Bezirksrätin in Wien-Josefstadt begrüßte die Gäste, unter denen sich auch Vertreter der rumänischen Botschaft in Wien, Botschaftsrätin Melania Blendea und Botschaftsrat Adrian Adam, die beide aus dem Banat stammen, befanden. Nach einer kurzen Einführung von Remo Neusatz, Vertreter des Vereins der Banater Schwaben Österreich, übernahm das Wort Peter D. Leber. Der Vorsitzende der Landsmannschaft der Banater Schwaben, der zusammen mit seiner Frau Hiltrud zur Teilnahme an der Präsentation, die dem im Banat geborenen deutschen Dichter Nikolaus Lenau zum 220. Geburtstag gewidmet war, anreiste, erinnerte in seiner Ansprache an Einwendungen bei anderen Gedenktagen für Nikolaus Lenau gegen eine Vereinnahmung des Dichters von den Banater Schwaben.

Lenau sei zwar in Csatád, heute Lenauheim (seit 1926), im Banat geboren, hat aber bereits nach kurzer Zeit das Land verlassen. Da der Vater als Rentamtsschreiber tätig war, wurde er häufig versetzt, so zog die Familie aus Csatad und Busiasch im Banat nur kurze Zeit nach der Geburt von Niki (wie die Mutter ihren Sohn nannte) in Csatád/Lenauheim nach Altofen und nach dem frühen Tod des Vaters ging die Mutter mit ihrem neuen Mann, dem Arzt Dr. Karl Vogel, nach Pest, später Tokaj und Buda, Pressburg und Wien.

Franz Nikolaus Niembsch Edler von Strehlenau, der am 13. August 1802, im Banat, in Csatad, dem heutigen Lenauheim geboren wurde, wird schon deswegen auch als dem Banat zugehöriger Dichter betrachtet, weil seine Dichtung Landschaften, Lebenswelten und Stimmungen jener Landschaft seiner frühen Kindheit wiedergibt. Das geht nicht nur auf seine Vorliebe für diese Landschaften zurück, aber auch auf die Erzählungen seiner Mutter, die ihren Niki über alles liebte und die Erinnerung wachhielt. Da sein Vater, der Bezirksbeamte, gerne in Temeswar im damaligen gutbesuchten Gasthaus „Der Trompeter“ das Geld der Familie vertrank und verspielte, musste die Mutter nach des Vaters Tod mit Niki und seinen drei Schwestern das Banat verlassen.

Hans Dama, Vorsitzender der Banater Schwaben Österreichs, zitierte anschließend in seinem Vortrag Gedichte wie „Mischka an der Marosch“, „Die Heideschenke“, „Husarenlieder“, „Der Räuber im Bakony“,Die drei Zigeuner“, die an Lenaus Zeit und Erinnerungen vom Banat zu erwähnen gilt, ebenso wie das stimmungsvolle Gedicht „Nach Süden“:

Dort nach Süden zieht der Regen, /

Winde brausen südenwärts,

Nach des Donners fernen Schlägen,

Dort nach Süden will mein Herz.

Diese Stimmungs- und Naturgedichte, romantisch angehaucht, die Zigeunerlieder, Husarenlieder, aber auch Elemente in den späteren Schilflieder, Waldlieder belegen deutlich die Aussage, warum Lenau auch als Banater Dichter betrachtet werden darf. Lenau war, wie Dama in seinem spannenden Vortrag über den Dichter hervorhob, ein Wanderdichter, aber vor allem ein „Freiheitsdichter“, eine Lichtgestalt seiner Zeit. Ins Haus der Großeltern in Stockerau bei Wien, hatte die Mutter ihn geschickt, um ihm eine gute Ausbildung und Studium zu ermöglichen. Lenau studierte in Wien und Pressburg Philosophie, Mathematik, Geschichte und Recht, später auch Landwirtschaft in Altenburg und Medizin in Wien und Heidelberg. Wie in der zuletzt erschienen Biographie „Zeit des Herbstes“ (2002) von Michael Ritter geschildert, war Niki ein eleganter „Husarenschnäuzer“, der in schwarzem Samtrock gekleidet und mit Lackstiefeln ein Star in den Billiardbars und Cafés (im Neuner-Cafe) Wiens war. Niki betrieb all das Studierte nicht ernsthaft und wendete sich schließlich der Dichtung zu. Er war sich seiner Wirkung auf Menschen sehr bewusst, und beeindruckte mit seinem Gitarren- und Geigenspiel sowie seinen Imitationen von hundert Vogelstimmen.

Als weitere Einzigartigkeiten seiner dichterischen Laufbahn nannte Dama erwiesenermaßen den „reichsten Wortschatz“ unter allen deutschsprachigen Dichtern nach Johann Wolfgang Goethe. Außerdem wurden seine Gedichte mehr als 300-mal vertont, angefangen von Franz Liszt, Felix Mendelssohn Bartholdy, Robert Schumann, Richard Strauß, Arnold Schönberg, Hugo Wolf, Max Reger, Carl Orff und anderen deutschen, ungarischen und rumänischen Komponisten. Seine symbolistischen Naturgedichte „Schilflieder“ wurden sogar mehr als 150-mal vertont, wie kaum ein anderes deutsches Gedicht seither. Lenau schrieb 1821 erste Gedichte, Liebesgedichte für Berta Hauer, die er nach seinem Umzug nach Wien kennen lernte. Nach dem Tod der Mutter 1829, die ihm sehr nahestand, nahm er 1830 bei seinen Gedichtveröffentlichungen das Pseudonym „Lenau“ an. Ein Jahr später lernte er bei einer Reise nach Deutschland Gustav Schwab und andere schwäbische Dichter kennen, die ihm zeitlebens verbunden blieben. Seine oft vertonten „Schilflieder“ veröffentlichte er 1832. Nach einer enttäuschenden Amerikareise schrieb er seine erste versepische „Faust“-Dichtung, da er meinte, „Faust ist unser aller Erbe“ und kein Monopol Goethes, wie Hans Dama betonte. In Wien-Lainz lernte er die Frau seines Freundes Max, Sophie von Löwenthal, kennen, die ihn bis zum Lebensende beeinflussen und beherrschen wird und der er zahlreiche Liebesgedichte widmete wie „Das dürre Blatt“ oder „An die Entfernte Sophie“ – die auch von dem rumänischen Nationaldichter Mihai Eminescu, der Lenau bewunderte, ins Rumänische übertragen wurden. Von der verehrten, entfernten Sophie konnte Lenau sich bis zu seinem Wahnsinnsverfall nie wieder gedanklich trennen, obwohl die Verbindung aussichtslos war. Somit löste er auch eine Verlobung mit der Opernsängerin Karoline Unger, und auch im Fall der Marie Behrends, mit der Lenau noch 1844 Hoffnungen auf ein gemeinsames Glück hegte, misslang die Abnabelung von der Minneherrin Sophie. Stattdessen durchlitt er neue Nervenkrisen. Lenau hat weitere Versepen wie „Savonarola“ und die „Albigenser“ veröffentlicht. 1843 erscheinen seine bekannten „Waldlieder“. 1844 sei das „Schicksalsjahr“ Lenaus gewesen, erzählte Dama: Er erlitt einen Schlaganfall und verfiel dem Wahnsinn. Er starb mit 48 Jahren in einer Irrenanstalt in Oberdöbling bei Wien nahe bei seiner Schwester Therese und dem Schwager Schurz. Sein Grab liegt heute in Klosterneuburg, Weidling, neben dem seiner liebsten Schwester Therese und seines Schwagers Anton Xaver Schurz, den er zeitlebens „Bruder“ nannte und der ebenfalls literarisch tätig war.

Nikolaus Lenau war ein erfolgreicher und einer der bestbezahlten Autoren seiner Zeit

Dem Vortrag von Hans Dama folgten die Gedichtvorträge von Josef Szarvas. Remo Neusatz von den österreichischen Banater Schwaben moderierte gewandt und kundig die Veranstaltung und kündigte mit kurzen Einführungen die Klavier- und Gesangseinlagen, gespielt von Professor Andrei Roth am Klavier und gesungen von der aus Temeswar stammenden Opernsängerin Frau Simina Ivan, Sopran, ein, die musikalisch berührend die Übergänge zu den Gedichtvorträgen vorbereiteten. Die Teilnehmer lauschten den Liedern wie „Frühlingsblick“, vertont von Othmar Schoeck, dem „Frühlingsgedränge“ von Richard Strauss oder dem wunderbaren „Schilflied“, vertont von dem Banater Komponisten Emmerich Bartzer, sowie einer Vertonung der Verse von Mihai Eminescu.

Es folgte ein Videovortrag von Dr. Kathi Gajdos-Frank, Direktorin des Jakob-Bleyer- Heimatmuseums Wudersch, Ungarn. Sie stellte mit zahlreichen Bildern ihre Informationsreise durch Lenauheim letzten Sommer dar und zeigte Ausschnitte aus dem Geburtshaus von Nikolaus Lenau in Lenauheim. Gleichzeitig informierte sie die Zuhörer über das Heimatmuseum der Ungarndeutschen nahe Budapest und lud zum Besuch und Erfahrungsaustausch ein.

Silvia Vesta, geborene Berwanger, stellte in einer kurzen Präsentation ihr populärwissenschaftliches Familienbuch vor, erschienen 2021, das als Beispiel für all jene interessant ist, die sich mit Ahnenforschung beschäftigen.

Die Veranstaltung in der Josefstadt in Wien hat den Gästen die doch sonderbare Art des Dichters Nikolaus Lenau bekanntgemacht. Hans Dama zitierte einen Freund Lenaus mit der Aussage „Lenau war ein sonderbarer Mensch“, der sich jedoch im Kreise der Freunde wie den wohlbekannten romantischen Dichtern Ludwig Uhland und Gustav Schwab immer wohl fühlte. Er konnte tief traurig, aber auch fröhlich und lustig sein. „Lenau war faustengleich“, zitierte Dama. Mit diesen tiefgehenden vielseitigen Eindrücken versammelten sich die Teilnehmer zu einem gemeinsamen Umtrunk im Ausstellungssaal des Bezirksmuseums Josefstadt und vertieften ihre Eindrücke anschließend im Restaurant „Centimeter“ in der Lenau-Gasse Wiens.

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