Von Prof. Dr. Zoltán Tefner
Teil 10
Primäre Siedlungen und unsichere Quellen
Die Liste der Ortschaften, bewohnt von deutschen Familien, die die Richtung ihrer Wanderungen nach Norden, bis zum Plattensee nahmen, ist jedenfalls lang, und diejenigen, die endlich in Kötsching auf Obhut fanden, bedeckt die Schleier der Vergessenheit. In der Sache hat Mercy allerdings sehr viel gemacht. 1717 wurde Waschad gegründet, 1722 Hidjeß, Falschnannen und Gallas, bis 1730 entstanden noch Maratz/Mórágy, Ladome/Ladomány, Kleindorog/Kisdorog, Apadi/Bátaapáti, Bonnhard/Bonyhád, Warasch/Bonyhádvarasd, Ismin, Hiewrkut, Ländl/Lengyel, Mösch/Mőzs, Mutsching, Großmanok, Sagetal/Szakadát usw. Sie erhielten deutsche Kolonisten aus fast allen südlich gelegenen Ländern des Deutschen Imperiums, aus allen drei Konfessionen und aus den verschiedensten mundartlichen Regionen. Anlässlich der Entstehung Kötschings im Jahre 1730 müssen wir auch die Orte kleinerer Bevölkerungszahl in Betracht ziehen und feststellen, welche Familien woher in Deutschland kamen und wo sie eine mehr oder weniger Zeit während ihres Aufenthaltes in der Branau und der Tolnau verbracht hatten.
Die Lage scheint in der Tat kompliziert zu sein, aber nicht so sehr, wie man das nach dem ersten Lesen einer langen Reihe von Ortsnamen vermuten könnte. Die konfessionelle Zusammengehörigkeit, das zuweilen gesetzmäßige Zusammentreffen der Vor- und Zunamen, die vergleichende Untersuchung bestimmter evangelischer Kirchenbücher in den Komitaten Branau-Tolnau-Schomodei, die in manchen von diesen vorfindbaren wenigen Eintragungen bezüglich der Herkunft der Familien abweichen, wie die Suche nach Daten im römisch-katholischen Kirchenbuch der Kirchengemeinde Karád liefern uns Anhaltspunkte für diese Arbeit.
Seit 1745 mussten nämlich – zu Folge der in der Amtszeit des Wesprimer Bischofs, Márton Padányi Biró, immer stärker und grausamer gewordenen Protestantenverfolgung – die evangelischen und die reformierten Einwohner Kötschings ins Kirchenregister in Karád eingetragen worden sein. Eheschließungen, Taufen, Sterbefälle sind in dieses Buch von verschiedenen Geistlichen in Karád eingetragen worden: entweder vom Pfarrer selbst oder von einem der ihm unterstellten Kaplane. Bis zum Jahre 1745 war das anders, denn bis dahin registrierte diese Angaben Michael Harmonia (Harman, Herman), der erste Lizentiat-Schulmeister Kötschings, in einem von ihm selbst eingeführten Büchlein. Laut Überlieferungen sollte dieses kleine Buch das erste Kötschinger Kirchenbuch gewesen sein. Bei vielen Autoren – unter anderem auch bei Johann Schmidt – findet dieses Heftchen Erwähnung, doch ist es im Laufe der Zeit abhandengekommen und verschwunden. Sollte dieses unersetzliche Dokument wieder zum Vorschein kommen, dann könnten auch neue Daten und Zusammenhänge ans Tageslicht geholt werden, die die Behauptungen des vorliegenden Aufsatzes gewissermaßen modifizieren oder mit einigen Einzelheiten bereichern würden.
Behilflich bei der Erschließung dieser Zusammenhänge sind in Deutschland besonders die Auswandererkarteien des Hessischen Staatsarchivs in Darmstadt, die Dokumente des Ungarischen Staatsarchives, wie der Archive in der Tolnau und Schomodei. Aufgrund der Quellen dieser Institute legen wir die Liste vor, die die bisher erschlossenen Angaben der Kötschinger Familien beinhaltet. Ungewohnt, und vor allem unbillig seitens einer Familienforschers ist es, wenn er sagt, dass er für die Richtigkeit der Daten die Garantie nur teilweise übernehmen kann. Das ist doch der Fall wegen der in die Unsicherheit untertauchenden Quellen. Der Autor denkt diesmal, dass diese teilweise berechtigten Feststellungen über die Herkunft einzelner Familien andere Familienforscher dazu leiten, dass sie die richtigen Herkunftsorte finden werden.
Einzelne Kötschinger Familien und ihre Abwanderungsorte in alphabetischer Reihenfolge. Teil I
Unten führen wir die Liste in mehreren Teilen vor. Die Liste beginnt mit dem Buchstaben „A”: Wir wissen nichts Näheres über die Familien Anders und Andresz, nicht einmal, ob etwa die beiden Namen bloß durch eine fehlerhafte Eintragung entstanden sind. Die Variante Andresz läuft gegen Ende des 19. Jahrhunderts aus, der männliche Zweig der Anders-Linie ist vor einigen Jahren ausgestorben. Kaspar Auman ist einer der Dorfgründer. In Mutschwar/Mucsfa lebte zwar eine Familie Auman, aber auch die unmittelbare Auswanderung aus Hessen ist durchaus vorstellbar. In Niederhausen, Billings und Groß-Bieberau leben noch heute viele Familien dieses Namens. Der männliche Zweig starb mit István Atádi während des Zweiten Weltkrieges aus. Der Name Bauman taucht kurze Zeit im Karáder Kirchenregister auf. Gegen Ende der 80er Jahre des 19. Jahrhunderts ist ihr Name im Dorf nicht mehr zu finden. Die Herkunft der jetzigen Familie Bauman ist Bayern.
Johannes Becker geht 1721 nach Moratz/Mórágy. 1725 ist er in Gallas zu finden, von wo seine Nachkommen nach Kötsching gelangten. Sie sind zwar in der Konskription des Schomodeier Komitats aus dem Jahre 1771 noch nicht zu finden, wohl aber in der Liste des Kötschinger Pfarramtes. Aus dem Bericht von 1814 an den evangelischen Bischof Laky bei Gelegenheit seiner „Visitation” ist uns ein gewisser Bodo Becker überliefert, dessen Name allerdings in anderen Schriften nie aufscheint, wohl aber 25 Jahre später der der Familie. Es ist durchaus vorstellbar, dass seine Kinder (?) nicht aus Gallas, sondern unmittelbar aus Tormasch gekommen sind.
Andreas Berner kommt am 5. April 1763 als Gevatter bei der Kindstaufe Georg Tills Tochter Dorothea vor. Bei Laky wird er als Dorfgründer erwähnt, doch taucht bis zum obigen Datum kein Berner auf. Der Name lässt sich nach Süd-Hessen zurückverfolgen: Um Groß-Bieberau war dieser Name in der Form „Bernius” sehr verbreitet und ebenso in Kötsching bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts. Nach dem Dreißigjährigen Krieg ließ man die verwüsteten Darmstädter Orte durch Leute aus der Schweiz besiedeln, unter anderem durch solche aus der Umgebung von Bern, wo während des langen Krieges sogar ein Bevölkerungsüberschuss entstand. Dieser „Bernius” schweizerischer Herkunft ist wahrscheinlich irgendwann in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts nach Ungarn ausgewandert. Im Gegensatz zu Laky taucht er also erst um die Mitte des 18. Jahrhunderts in Kötsching auf.
Die Familie Bruder aus Worfelden in der Nähe von Rüsselsheim ließ sich 1722 in Groß-Säckel nieder. Von hier gingen sie nach Kötsching. Die Daten von Laky sind genau: Josef Bruder finden wir 1730 in Kötsching, sein Sohn heiratet am 19. Januar 1754 eine junge Frau namens Margarethe aus Raitzkosar/Ráczkozár (heute Egyházaskozár), die zu jener Zeit in der Büdösgát-Pußta zwischen Karád und Tekerespuszta lebte. Die Büdösgát-Pußta existiert heute nicht mehr, nur der Name „Büdösgáti Árok” [Büdösgát-Kanal, kartographische Benennung: Kőrises víz] erinnert an die ehemalige Pußta. Mit der Zeit übersiedelten alle Familienmitglieder nach Kötsching, Georg Bruder – wahrscheinlich der Bruder von Josef – tauft seinen Sohn Friedrich am 7. Oktober 1763 in Kötsching. Sein Vater, Peter Bruder, der noch in Rüsselsheim geboren worden war, starb am 16. September 1777, im Alter von 77 Jahren in Kötsching. Johann Georg Bruder – vermutlich sein jüngerer Bruder – stirbt 1778, im Alter von 65 Jahren ebenfalls in Kötsching. 1783 ist die Familie bereits in fünf Linien verzweigt, im 19. Jahrhundert starb die männliche Linie endgültig aus.
Die Familie Buchenauer [nach dem Kötschinger Volksmund: Pukonár] ist in der Einwandererliste nicht zu finden. Erst sehr spät, im 19. Jahrhundert erscheinen sie in den Kirchenbüchern, obwohl sie in Warschad 1722 als Dorfgründer registriert sind. Johann Buchenau kam mit Anna Barbara Buchholz ursprünglich aus Storndorf. Sie heirateten 1706 in Ober-Breidenbach. Der männliche Zweig lebt heute noch in Kötsching unter dem Namen Bakonyi. Der Familienzweig in Somogymeggyes starb 1993 aus. Fortsetzung folgt