Betrachtungen von außen – von der Minderheit zur schleichenden Bedeutungslosigkeit des Ungarndeutschtums

Von Armin Trischler

Als Siebenjähriger bereiste ich mit der Familie zum ersten Mal im Jahr 1970 das Land meiner Großeltern. Mit den Augen des Kindes zu erfahren, wovon Oma und Opa gerne zu erzählen wussten! Nach nicht endend wollender Fahrt von ca. 14 Stunden hatten wir unseren Urlaubsort erreicht. Jackfall/Kisjakabfalva bei Willand/Villány empfing uns wie Olympiasieger nach einem erfolgreichen Wettkampf.

Wir spürten echte Herzlichkeit und Willkommensein. Die Freude war riesengroß und jeden Abend erwarteten uns Verwandte und Bekannte – auch gänzlich Unbekannte – zum Abendschmaus.

Interessant war, dass die Menschen dieselbe Mundart sprachen wie die Großmutter in Deutschland. Es fühlte sich an, als wären wir doch noch zu Hause, nur die Umgebung war plötzlich eine andere. Deutsch zu „reden” war vor 50 Jahren noch eine Selbstverständlichkeit. Auch im Jahr darauf durften wir wieder Gast sein „drunten im Süden”. Ein ganz besonderes Ereignis sollte 1973 stattfinden: die Hochzeit eines Verwandten. Ein prunkvoll und aufwändig zelebriertes Familienfest mit reichlich vielen Gästen war ein Kontrapunkt zu den eher bescheidenen Hochzeiten in Deutschland.

Es vergingen die Jahre und erst im Jahre 1990 sahen ich und meine Frau die Baranya, die Branau, wieder. Mit den Augen eines Erwachsenen sah alles so aus wie in den 70ern. Jedoch reisten wir unbeschwerter ins Land ein, nachdem Visazwang und lange Grenzkontrollen nicht mehr vorhanden waren. Es war die Hoffnung einer neuen geeinten und freien Zukunft zu spüren.

Im Milleniumsjahr 2000 besuchten wir – mittlerweile eine fünfköpfige Familie – wieder den Süden Ungarns. Höhepunkt war ein Heimatfest, zu dem alle Jackfaller eingeladen waren. Unterschiedliche Menschen aus dem gleichen Dorf sprachen „jackfallerisch”, oberbairisch, schwäbisch, hochdeutsch und natürlich ungarisch. Der Veranstalter – die Gemeinde Jackfall – präsentierte zwei druckfrische Ortsbücher dem Publikum und der anwesenden Presse.

In dieser Zeit fiel mir ganz besonders das Verschwinden der Mundart und die „holprige” Art zu sprechen auf. Vor allem bei den jüngeren Menschen wurden kaum mehr Mundartsprecher ermittelt. Sie lernten die Hochsprache in der Schule und sprachen sie so aus.

Nach weiteren zwanzig Jahren ist mir klar geworden, dass jetzt die Tage der Mundart gezählt sind. Die deutschen Mundarten werden nur noch auf Tonträgern zu hören sein!

Die Hoffnung auf das Überleben des Deutschtums in Ungarn wird der Gebrauch der Sprache sein. Ansonsten werden die Sprache und so auch die Identität verloren gehen. Übrigbleiben wird die Folklore: Blaskapelle, Tanz und Trachtengruppen mit ungarischer Moderation.

Bild: https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/7/7d/Verlassenes_Haus.jpg/1024px-Verlassenes_Haus.jpg

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