Sprachlich-kulturelles Erbe bewusster weitergeben

Haraster DNG-Schülerin Kira Sztaskó über Identität, ihre Liebe zur Kunst und den Stellenwert der deutschen Sprache

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Von Richard Guth

Alles fing mit einem Plakat im sozialen Netzwerk Facebook an, das zum Faschingsball einladen sollte. Einsprachig ungarisch (mittlerweile gibt es eine deutsche Version)! Das lud mich geradezu ein, eine Reaktion loszulassen. Ohne die Künstlerin dahinter oder gar den künstlerischen Wert des Plakats richtig in Augenschein zu nehmen! Darauf folgten Reaktionen von anderen und das Angebot einander näher kennen zu lernen. Erste Etappe: Ein deutschsprachiges Gespräch mit der achtzehnjährigen Kira Sztaskó aus Harast/Dunaharaszti, die das einladende Plakat entworfen hat.

Kira (eigentlich Kíra, aber sie schreibt das I in ihrem Namen „kurz”) besucht das zweisprachige Deutsche Nationalitätengymnasium Budapest (DNG) und bereitet sich gerade auf ihr Abitur vor. Die Schule selbst habe viel zu ihrer deutschen Identität beigetragen, denn man würde sich nicht nur Wissen aneignen, sondern auch Traditionen wie Schwabenbälle und Martinstag leben, was das Gemeinschaftsgefühl stärke. Auch das Tragen der Tracht empfindet sie als eine Bereicherung. „Sehr viele entdecken ihre Wurzeln erst hier, denn sie entscheiden sich oft wegen der Sprache für das DNG”, so die Schülerin. Auch bei ihr hätten die Eltern wenig Bezug zum Deutschtum gehabt, obwohl sie mütterlicherseits Ungarndeutsche ist – Mädchenname der Mutter: Szing. Nach eigenen Erinnerungen hörte sie den Begriff „Schwabe” zum ersten Mal von der Oma, dann immer öfters in der Grundschule. Kein Wunder, dass sie bereits in der Grundschule dem Verein Junger Haraster Schwaben beitrat: „Die Mitgliedschaft im Verein hat meine ungarndeutsche Identität gestärkt”, sagt die Schülerin, die nach bestandenem Abitur und erfolgreicher Sprachdiplomprüfung (DSD II) ein Studium im Studienfach „Visuelle Kommunikation” in Deutschland – genauer gesagt an der Kunsthochschule Kassel – aufnehmen möchte, die sie als eine internationale Schule mit fächerübergreifender Lehre wahrnimmt.

Für ihr besonderes Engagement erhielt sie für das letzte und das laufende Schuljahr das Nationalitätenstipendium des Schulministeriums: „Bei der Auswahl hat man auf Wettbewerbsteilnahmen, soziales Engagement und die schulischen Ergebnisse geachtet – auf Letzteres lege ich großen Wert.” Kira spart die 30.000 Forint im Monat (85 Euro) nach eigenen Angaben für das spätere Studium und empfindet das Stipendium als „motivierend, um meine Tätigkeit fortzuführen”. Dazu gehört nach Kiras Selbstverständnis auch Plakate zu entwerfen – der Ausgangspunkt des Gesprächs.

Ihre Vereinstätigkeit und „Volkstumsarbeit” begann bereits in der Kindheit und hier spielte die Großmutter nach Kiras Angaben eine zentrale Rolle: „Oma kennt noch die Traditionen und hat mich geprägt, wobei mich als Kind dieses deutsche Erbe noch nicht sonderlich interessierte. Noch vor der DNG-Zeit bin ich aber von Mitgliedern des Vereins Junger Haraster Schwaben zum Tanzlager eingeladen worden und erkannte, was für eine tolle Gemeinschaft sie bilden. In der Tanzgruppe hat jeder die Chance sich zu entfalten – nicht nur beim Tanz, sondern auch bei meiner Persönlichkeit, meinen sozialen Fähigkeiten und meiner ungarndeutschen Identität, dabei war das Zusammengehörigkeitsgefühl von Anfang an sehr wichtig.” Die Vereinsarbeit bedeutet für die Harasterin „andere Erfahrungen als in der Schule”. Der Verein Junger Haraster Schwaben zählt mit Unterstützern 50-60 Personen, nach Kiras Angaben alle bekennende Ungarndeutsche mit oder ohne Deutschkenntnisse – je nach Schulbildung, denn das Elternhaus würde nur noch in den seltensten Fällen die Sprache tradieren. Darüber hinaus würden auch andere, „neugierige” Jugendliche ihre Veranstaltungen besuchen, um daran teilzuhaben. Mit dem Verein werde das Ungarndeutschtum auch im Ausland vertreten; sie nennt als Beispiel ein Tanzlager in Österreich, das jüngst stattgefunden hat: Hier habe die Haraster Tanzgruppe das ungarländische deutsche Tanz- und Kulturgut vorgestellt und viele Ähnlichkeiten mit österreichischen Tänzen erkannt: „Das Tanzlager war ein wichtiger kultureller Austausch, ich konnte meine ungarndeutsche Seite im Ausland zeigen.”

Kira Sztaskó ist bei aller Begeisterung für die Brauchtumspflege eine kritische Zeitgenossin geblieben: „Der Sprachverlust ist ein großes Problem. In meiner Familie beispielsweise wird die Mundart nicht mehr gesprochen, selbst meine Oma versteht sie auch nur. Daher stellt sich die Frage, ob man diesen Prozess noch stoppen kann. Dennoch gibt es heute Möglichkeiten des Spracherwerbs und der Wissensvermittlung bezüglich der Tradition, wie mein Beispiel auch zeigt.” Sie sieht auch die räumliche Zersplitterung der deutschen Gemeinschaft im Lande als ein Problem: Jede Region habe ihre eigenen Veranstaltungen – man benötige mehr Plattformen, um den landesweiten Zusammenhalt zu stärken. „Die letzte Jugendkonferenz in Werischwar sehe ich als eine gute Gelegenheit dafür an. Es kamen Jugendliche aus ganz Ungarn, man konnte Verbindungen knüpfen und die bestehenden Kontakte stärken.”

So entsteht im Laufe des Gesprächs das Bild von einer jungen deutschsprachigen Frau, die stolz auf ihre Herkunft ist und die das sprachlich-kulturelle Erbe bewusster weitergeben möchte als ihre Vorfahren. Ihr Vorbild – ihre Oma – hatte bzw. hat nach ihrem Eindruck oft Angst, sich zum Ungarndeutschtum zu bekennen. „Du sollst das nicht so laut sagen”, heiße es oft – etwas, was man immer noch bei vielen Älteren spüre.

Die Facebook-Diskussion bezüglich des einsprachigen Plakats hat Kira nach eigenem Bekunden intensiv mitverfolgt. Dabei habe sie nachgedacht, warum in der Vergangenheit nur ungarische Plakate herausgebracht wurden und fand die Erklärung darin: Man wollte Aufmerksamkeit erregen auf örtlicher Ebene, wo ein Großteil nur noch Ungarisch spreche. Bei Mundartsprechern oder besser gesagt -verstehern bestünde nach Kiras Eindruck ein anderes Problem: Wie bei der Oma gebe es Schwierigkeiten beim Verständnis der hochdeutschen Sprache. Dennoch sei Kira zu der Erkenntnis gelangt, dass man doch zweisprachige Plakate benötige, „weil es zu unserer Identität gehört.”

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