Amerikanische Langlauflegende Johnny Faerber – ein Banater Schwabe aus dem Hatzfelder Futok

Von Walter Schneider (2020)

Während den Nachforschungen über Hans Färber haben wir selbstverständlich auch miteinander telefoniert. Nachdem die familiären Neuigkeiten und Erinnerungen ausgetauscht waren und ich ihn über mein Vorhaben informiert hatte, meinte er nur, dass sich in der heutigen Zeit ohnehin nichts mehr verbergen lässt, und sagte mit seinem unverkennbaren amerikanischen Akzent lakonisch: „Ok, tu es!“ Nun, das wurde es.

Bereits als Erstklässler freute ich mich, wenn anlässlich der Feiertage Post von Amerika kam. Die Briefmarke mit der New Yorker Freiheitsstatue, das besondere Papier und der ganz besondere Duft, den dieser Brief verströmte, und das von Hand geschriebene air mail sind mir bis heute unvergesslich. Vielleicht war es der Duft der amerikanischen Freiheit! Später wurden uns über einen Hatzfelder Vertrauensmann aus Dachau Motorräder, Fahrräder und Pakete geschickt.

Als die Mutter von Hans, die Taufpatin meiner Mutter, die Koda, 1963 zum ersten Mal zu Besuch kam, gab es für uns Kinder das erste Kaugummi. Peppermint chewing gum, herrlich! Ich bekam auch einen blauen Kugelschreiber, den werde ich nie vergessen! Obwohl wir damals in der Schule noch gar keinen benutzen durften, schrieb ich ihn leer und er lag noch lange bei uns zu Hause umher, auch wenn der besondere Geruch schon lange verflogen war.

Am spannendsten jedoch war es für mich, wenn die Koda von den sportlichen Erfolgen und vielen Pokalen und Medaillen ihres Johnny erzählte. Ich dachte: „Das muss ein ganz besonderer Held sein!“ Der ist Kampftaucher, Fallschirmspringer, ist beim US-Militär bei den Special-Forces, betreibt Nah-Kampfsport, ist US-Ranger und sogar ein Marathonläufer und hat schon ein Eselrennen gewonnen. Wenn ich im Kino Superhelden sah, stellte ich mir Johnny vor.

Mitte der 60er Jahre kam die Koda wieder zu Besuch, diesmal mit ihrem Sohn Hans. Als ich ihm vorgestellt wurde, artig die Hand reichte und meinen Namen sagte, muss ich wohl ziemlich verdattert gewesen sein. Er munterte mich mit seiner amerikanischen, freundlichen Art auf und war erstaunt, wie groß der Sohn seiner Cousine schon ist und meine Hemmung war genommen.

Vor mir stand ein von der Sonne Hawaiis gebräunter, junger Athlet, gerade mal 29 Jahre alt mit einem begnadeten Körperbau, einem ausgeprägten Sixpack, aber kein Muskelprotz, ca.174 cm groß. Später beim gemeinsamen Ballspiel lernte ich ihn als geduldig, äußerst agil und fair kennen, aber ich erkannte in ihm einen willensstarken Gewinnertyp.

Bei diesem Besuch in Hatzfeld bereitete Johnny sich auf die Teilnahme an einem bevorstehenden Marathonlauf in Budapest vor. An dem besagten Sonntag saßen wir abwechselnd den ganzen Tag vor dem auf Ungarn gestellten Fernseher, um eine eventuelle Übertragung des Zieleinlaufs im Népstadion nicht zu verpassen. Es war vereinbart worden, dass er uns beim Zieleinlauf zuwinkt. Vergebens, es wurde nicht darüber berichtet! Erst mit dem nächsten Brief aus Amerika wurden wir informiert, dass Johnny erfolgreich war, ein finisher.

Beim mehrmaligen Durchschwimmen der Hatzfelder „Blauen Kaul“ wurde er abwechselnd von meinem Vater und Onkel begleitet. Ich blieb davon verschont, nicht aber von der Laufbegleitung mit dem Fahrrad. Sein Lauftraining begann bei meinen Großeltern im Futok, führte über Ostern, Großkomlosch und Gottlob nach Grabatz, mit kurzer Einkehr bei den Verwandten und wieder zurück nach Hatzfeld. Danach musste ich nochmal zurück nach Grabatz radeln.

Onkel Johnny war Vegetarier, das war gut für mich! Beim Essen war ich oft neben ihm und bekam die Bratwurst, konnte jedoch nicht verstehen, warum er eine solche Schwaben-Delikatesse verschmähte.

Der Bezug der amerikanischen Langlauflegende Faerber zu seinen Wurzeln, zu seiner Hatzfelder Heimat, die er mit acht Jahren im September 1944 mit seiner Mutter und den kleineren Schwestern Hilde und Inge auf einem Militärfahrzeug mit deutschen Soldaten Richtung Serbien verlassen hatte, ist über die Jahrzehnte erhalten geblieben. Meine Mutter erinnert sich: „Wir standen am Friedhof in Hatzfeld an der Straße nach Zerne und warteten auf unser Pferdefuhrwerk, um wie viele andere auch vor den Russen zu fliehen. Die Koda stieg mit ihren drei Kindern auf ein deutsches Soldatenauto. Und weg waren sie! Das war das Letzte, was wir von ihnen sahen. Für sehr, sehr lange!“

Doch lassen wir nun die amerikanische Sportlegende zuerst mal zur Welt kommen.

Hans Färber erblickte am 02. Juni 1936 im Hatzfelder Stadtteil Futok als erstes Kind der Eheleute Adam Färber aus Gertianosch und Barbara Färber, Tochter des Futoker Kaufmanns Anton Sperr das Licht der Welt.

Sein Vater Adam Färber arbeitete in der Bohn’schen Ziegelei als angesehener Schlosser und Mechaniker. Der Familie Färber wurden 1939 noch die Tochter Hilde und 1942 die Tochter Inge geboren.

Bis im September 1944 konnte die Familie eine unbeschwerte Zeit genießen, besonders im Sommer, als die Mutter mit ihren drei Kindern fast täglich am Strand der Bohn’schen Ziegelei war und ihnen das Schwimmen beibrachte. Mit neun Jahren wird Hans in Dachau bereits als begabter Schwimmer seine ersten Preise erzielen.

Auch in Hatzfeld verdichteten sich bereits die Vorboten des nahenden Unheils, das über die Banater Schwaben hereinbrach. So wurde auch Vater Adam zum deutschen Militär einberufen und landete dank seiner guten beruflichen Fähigkeiten jedoch nicht an der Front, sondern als Mechaniker in den Raketen-Produktionshallen in Peenemünde, von wo er sich nach 1945 nach Dachau durchschlug, wo seine aus Hatzfeld geflüchtete Familie inzwischen im ehemaligen Konzentrationslager untergebracht war. Hier, in dem unter amerikanischer Verwaltung stehenden Lager, fand Adamonkel auch Arbeit als Mechaniker. Der Kontakt zu den Amerikanern bewog wohl die Familie Färber nach Amerika zu übersiedeln, um im Land der unbegrenzten Möglichkeiten einen Neuanfang zu wagen.

Mit 16 Jahren fand Hans Färber wieder eine neue Heimat, Los Angeles, USA.

Über seine erste Zeit in LA sagte er dem Chronicle, „ich konzentrierte mich darauf, Englisch zu lernen, um Amerikaner zu werden. Ich lief einem Freund hinterher, der besser Englisch sprach als ich und nach einem Jahr war ich gut.“ Seine Sprachprobleme, sein deutscher Akzent spielten dank seiner außergewöhnlichen sportlichen Fähigkeiten bald keine Rolle mehr. Er wollte Amerikaner werden, so schnell wie möglich! Aus Hans Färber wurde Johnny Faerber!

Mit 21 Jahren, nach intensivem Training, meldete sich Johnny zum ersten Mal bei einem Extremrennen an. Es ist der bis heute für die Zuschauer eher lustige, aber für die Läufer sehr anspruchsvolle Pack Burro Race. Die klassische Strecke dieses Paarlaufs mit einem Esel geht auf die Goldgräbertradition im Bundesstaat Colorado zurück und führt über 42 Meilen von Fairplay aus auf 3033m Höhe zum 4019m hoch gelegenen Mosquitto-Pass und zurück. Der Esel ist mit den Goldgräberutensilien Pickel, Schaufel und Pfanne bepackt und darf nur gestoßen, gezogen oder getragen werden. Der Läufer darf nicht auf dem Rücken des Esels sitzen, sondern vor, neben oder hinter dem Burro herlaufen und ist mit einem Strick an seinen Laufpartner gebunden. Verpflegungsposten gibt es auf dieser Strecke keine, die Läufer müssen Wasser, Nahrung und Regenschutz selbst mit sich führen.

Um den Höhepunkt des Ultramarathons zu erreichen, heißt es für die Läufer: „Get yur Ass up the Pass!“ („Beweg deinen Hintern oder komm hoch mit deinem Hintern!“). Den inneren Schweinehund zu besiegen (Geist besiegt Körper) ist im Extremsport die mentale Herausforderung neben der körperlichen Anstrengung. Hinzu kommt bei diesem Rennen noch die Überwindung des Höhenunterschieds von rund 1000 m. Wer schon mal auf über 3000 m im Hochgebirge unterwegs war, weiß aus eigener Erfahrung, was dünne Luft bei zusätzlicher physischer zweitägiger Belastung bedeutet. Kein Zuschauer mehr, kein Freund oder Familienangehöriger ist im oberen, kritischen Teil positioniert und feuert den Läufer an, wenn der Wille zu brechen droht! Der Läufer ist gerade jetzt allein und muss sich vielleicht noch zusätzlich mit einem störrischen Esel quälen. Hier ist wie in allen Ausdauersportarten auch enorme mentale Stärke gefragt!

Das Siegerpaar hieß Johnny Faerber mit Eselin La Rosa beim Pack Burro Race 1957: „Ich habe 500 Dollar für den Sieg bekommen; das war damals eine Menge Geld.“ Johnny kehrte 1960 und 1966 wieder zurück und gewann die Rennen erneut.

Bei einem anderen Burro Rennen in Beatty, Nevada musste Johny seinen sturen Esel über die Ziellinie tragen, um von einem herannahenden Konkurrenten nicht auf dem buchstäblich letzten Meter besiegt zu werden.

Um in den Zeiten des Vietnamkrieges seine Loyalität gegenüber Amerika zu bekunden, aber auch um ein echter Amerikaner zu sein, meldete Johnny Faerber sich 1958 zur Armee und diente vier Jahre im aktiven Dienst und blieb anschließend noch für weitere 32 Jahre Reserveoffizier. Wenn es um seine Zeit beim Militär ging, blieb Johnny immer wortkarg. Die durchgehaltene, knallharte Ausbildung bei den Special-Forces kam ihm jedoch zugute, als er sich 1964 mit 30 Jahren endgültig dem Langlauf verschrieb.

Beim Honolulu-Marathon 1967 benötigte er noch eine Zeit von 3:36:42, zwei Jahre später gewann er dieses Rennen mit 2:44:02, eine erstaunliche Entwicklung dank „ernsthaftem, wissenschaftlich fundiertem Training und den erforderlichen Kilometern.“

Ab 1971 übersiedelte Johnny endgültig auf Hawaii, wo er an der University of Hawaii Lauftrainer der „Wahines“, des Frauenteams, wurde und Deutsch unterrichtete.

Als er 1971 den ersten Maui – Marathon auf Hawaii gewann, war er von seiner Zeit 3:00:47 enttäuscht: „Ich wäre schneller gelaufen, aber damals wurde das Rennen morgens um 8 Uhr gestartet und es wurde sehr heiß, als wir in Hawaii Kai ankamen, dass ich anhalten und meinen Körper unter der Dusche abkühlen musste. Es liefen noch sechs oder sieben Jungs, aber sie schieden alle aus. Wir hatten keine Wasserstopps oder ähnliches.“

Sportlich war 1977 ein erfolgreiches Jahr für Johnny: Er stellte mit 41 Jahren dank seiner Erfahrung und seines disziplinierten Trainings seine persönliche Honolulu-Marathon-Bestzeit 2:36:47 auf. Am New-York-City-Marathon ging er u.a. mit Spitzenläufern wie Frank Shorter (Olympiasieger, München 1972), Kenny Moore, Oregon, und dem vierfachen Boston-Marathon Sieger und ehemaligen amerikanischen Rekordhalter Bill Rodgers an den Start. Johnny erinnert sich: „Als ich bei km 15 die Brooklyn Bridge überquerte, hörte ich, wie ein Passant „Go Johnny, go!“ rief und ich erkannte Frank Shorter, der das Rennen aufgegeben hatte. It is not so important who starts the game, but who finishes it! (Es ist nicht so wichtig, wer startet, aber wer ankommt!) Meine Zeit hier war 2:38:16. Sieger wurde Bill Rodgers.“ Welche Aussage könnte die Mentalität der Ausdauersportler besser definieren?

Johnnys Entschluss, auf Hawaii zu leben, hatte hauptsächlich damit zu tun, dass er sein Leben dem Laufsport verschrieben hatte. In den 70er Jahren hatte Hawaii die meisten Läufer als jeder andere US-Staat. Hawaii wurde auch „ die laufende Hauptstadt“ genannt. Obwohl Hawaii bereits auf eine lange und traditionsreiche „Laufgeschichte“ zurückblicken konnte, wird Johnny Faerber, als Sieger des ersten und legendären Laufs von 1967, in einem Atemzug zu den Pionieren und Förderer des Langlaufs auf der Insel gezählt. Er steht auf einer Höhe neben dem Vater des Distanzlaufs, auf Hawaii, Norman Tamanaha (1907-1977) und Mitbegründer des größten Laufclubs auf Hawaii, dem Mid-Pacific Road Runners Club und mit fünf erfolgreich beendeten Boston Teilnahmen ( finisher) sowie Roger Toguchi (1924-1978), der die erste Marathonstrecke entwarf.

Das Herzstück des hawaiianischen Laufsports ist der 300 ha große Kapi‘olani-Park, einem der ältesten öffentlichen Parks auf Hawaii mit Blick auf das Meer und den Diamond Head. Start- und Ziellinie der meisten Rennen auf Hawaii liegen in diesem Park.

Warum laufen Menschen so gerne und viel, was motiviert sie?

In den Recherchen zu diesem Aufsatz stieß ich auf eine verblüffend einfache Erklärung: Den Wunsch nach persönlicher Langlebigkeit bzw. Gesundheit nennen viele Läufer an erster Stelle, sie erhofften sich eine verbesserte Lebensqualität, streben nach mentaler Stärke. Von den Läufern bekennen sich erstaunlich viele als Vegetarier!

Der Honolulu-Marathon gehört mit jährlich über 20 000 Teilnehmern zu den größten Langlaufevents der Welt.

Natürlich wurde der Ironman ebenfalls auf Hawaii erfunden!

Als 1976 nach einer Preisverleihung der Schwimmer John Collins und der Radfahrer Tom Knoll sich über ihre zermürbenden Ausdauersportarten unterhielten, erkannten sie, dass es wirklich etwas ganz Besonderes wäre, wenn eine Person an einem Tag alle drei großen Ausdauersportarten Schwimmen, Radfahren und den Marathon absolvieren könnte. Der Ironman wurde 1978 Wirklichkeit, als der „Around the Island Triathlon“ von Collins auf Hawaii gegründet wurde.

Als die Läuferin Conie Comisso vom Langlaufteam der University of Hawaii beschloss, auch nach ihrem Studium weiterhin an Wettkämpfen teilzunehmen, bat sie ihren Trainer Johnny, sie weiter zu trainieren. So kam es 1980 zur Gründung der „Faerber Flyers“, einem bis heute hochangesehenen Klub von aktiven Langläuferinnen, der aus Hawaiis Sportwelt nicht mehr wegzudenken ist.

Ebenso ist das „Johnny Faerber-Rennen“ auf Hawaii, mit der Start-und Ziellinie im paradiesischen Kapi’olani Park, auch als K10 bekannt, sehr beliebt und verbucht so viele Anmeldungen, dass jährlich mehrere Läufe stattfinden.

Im Mai wird Johnny Faerber im Rahmen eines Festbanketts auf Hawaii die goldene Medaille „Hawaii Sports Hall of fame“ verliehen und die Aufnahme in diese Ruhmeshalle gefeiert, wo er neben amerikanischen Olympiasiegern einen besonderen Ehrenplatz einnehmen darf. Es waren fast 130 Vorschläge dazu eingegangen, sieben kamen in die engere Auswahl und Johnny wird nun die besondere Ehre zuteil, in die Ruhmeshalle des amerikanischen Sports aufgenommen zu werden.

Er gehört zu den Pionieren und Förderer des Langlaufs auf Hawaii, hat als finisher an vielen Marathons teilgenommen, Rennen ins Leben gerufen, die heute seinen Namen tragen, heute noch bestehende Sportclubs gegründet, viele junge Talente entdeckt und gefördert und so zum Ruhme des amerikanischen Langlaufsports beigetragen.

Heute, mit 86 Jahren, hat der rüstige, nach wie vor aktive Rentner mit seiner Frau Janet seinen Hauptwohnsitz in Cottage Grove, einer Kleinstadt in Oregon. Hier ist er allerdings selten anzutreffen. Den Großteil des Winters verbringt er unweit von Las Vegas an dem vom Colorado River gespeisten Lake Mead in der Nähe des Hoover Dam in Nevada, wo sich mit Laufen und Schwimmen fit hält.

Mit Beginn der Laufsaison und der Athletik-Wettkämpfe ist er als ehrenamtlicher Schiedsrichter und Mitglied der Hayward Field Umpires Crew immer noch viel unterwegs oder er gibt in Seminaren seinen umfangreichen Erfahrungsschatz zum Langlauf und gesunde Ernährung an junge Sportler weiter.

Bild: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Katrin_Esefeld_at_Ironman_Switzerland_2013.jpg

 

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