Bisher hat die Registrierung noch keine einzige Wahl beeinflusst

Ein Beitrag von Magdolna Csikós. Erschienen am 26. April 2022 auf dem Internetportal index.hu. Zweitveröffentlichung in deutscher Übersetzung mit freundlicher Genehmigung der Autorin und der Redaktionsleitung. Deutsche Übersetzung: Richard Guth

In den letzten zwei-drei Wochen (vor den Wahlen, R. G.) haben an die 2000 Menschen von der deutschen Wählerliste streichen lassen, weil sie es als wichtiger erachteten für eine Parteiliste zu stimmen”, sagte der deutsche Abgeordnete Emmerich Ritter, der als Kandidat der Landesselbstverwaltung den Sprung ins Parlament schaffte, nun zum zweiten Mal in Folge, gegenüber Index.

Emmerich Ritter wurde 2014 der erste deutsche Fürsprecher im Ungarischen Parlament, darauf folgte bei den Parlamentswahlen 2018 seine Spitzenkandidatur bei der Deutschen Liste. Die Deutsche Liste hat bei den Wahlen ein Vorzugsmandat erlangt und so wurde Ritter Mitglied des Parlaments, das Mai 2018 zusammentrat. Zu Beginn der Legislaturperiode wurde er zum Vorsitzenden des Ausschusses der Ungarländischen Nationalitäten gewählt, darüber hinaus war er Mitglied des Finanzausschusses. Bei den diesjährigen Parlamentswahlen wurde Ritter wiedergewählt.

Die Durchführungsbestimmungen zum Wahlgesetz stammen aus dem Jahre 2013, wodurch die parlamentarische Vertretung der dreizehn in Ungarn anerkannten Nationalitäten möglich wurde. Bei den Parlamentswahlen am 6. April 2014 wurden 13 Parlamentarische Fürsprecher der Nationalitäten gewählt, die allesamt Mitglieder des neugegründeten Ausschusses der Ungarländischen Nationalitäten wurden, der zum integralen Bestandteil ders Gesetzgebungsprozesses wurde. Obzwar es jeder der dreizehn Nationalität die Möglichkeit der Wahl eines vollwertigen Abgeordneten eröffnet wurde, haben leidiglich die Deutschen und die Roma die Chance, dies zu erreichen, weil die Zahl der Angehörigen der jeweiligen Nationalitäten bei den restlichen elf die Schwelle nicht überschreitet, die man für ein Abgeordnetenmandat benötigt.

Unsere Hände waren gebunden

Emmerich Ritter gegenüber Index: Die Änderung des Nationalitätengesetzes von 2021 habe unter juristischen Gesichtspunkten einen Teil der Fragen bezüglich der Nationalitätenlisten deutlich herausgestellt. Sie hätten sich dabei die Regelung bezüglich den Landesselbstverwaltungen überprüft und präzisiert, nämlich dahingehend, ob die Entscheidung über die Wahlliste mit einer qualifizierten oder einer einfachen Mehrheit getroffen werden soll beziehungsweise ob dies hinter geschlossenen Türen oder in öffentlicher Sitzung geschehen soll.

Wir haben uns eine Reihe von Dingen angeschaut, bei denen wir meinten und das Gefühl hatten, dass diese bei den Wahlen von 2014 und 2018 zum einen tatsächlich auftauchten – juristische Debatten und Fragen –, zum anderen wollten wir vor dem Hintergrund von Erfahrungswerten Klarheit bei den Regelungen schaffen”, betonte Emmerich Ritter.

Seit 2014 kann man im Vorfeld der Parlamentswahlen eine immer stärkere Beteiligung bei der Registrierung beobachten, dieses Jahr gab es die meisten Registrierungen. Laut dem Abgeordneten sei dies auf mehrere Gründe zurückzuführen. 2014 habe man bei Null angefangen, es sei ein völlig neues System gewesen.

Bei der LdU haben damals auch viele gedacht, dass dies ein Selbstläufer werde, was zur Folge hatte, dass wir insgesamt gut 15.000 Menschen registrieren konnten, somit kamen wir nicht einmal in die Nähe der Stimmenzahl gelangen, die für die Wahl eines Abgeordneten notwendig gewesen wäre. Es war auch drin, dass 2014 noch keiner wusste, ob die parlamentarische Vertretung irgendein Ergebnis hervorbringen könnte, es gab sogar welche, die eine Kampagne dagegen führten”, sagte der deutsche Abgeordnete.

Er fügte hinzu: Anhand der Erfahrungen der vergangenen acht Jahr habe man voraussehen können, dass es diesmal ganz sicher fürs Mandat reichen werde, dennoch habe sich die LdU vielen Herausforderungen stellen müssen. Neben den pandemiebedingt ausgefallenen Veranstaltungen und der Verschiebung der Volkszählung habe auch die Wahlkampagne rund um die Parlamentswahlen den Prozess der Registrierung erschwert. „In den letzten zwei-drei Wochen haben sich beinahe 2000 Menschen nur von der deutschen Wählerliste streichen lassen. Einen Antrag auf Aufnahme in die Wählerliste konnte man nur bis zum 18. März stellen, wohingegen ein Verzicht bis zum 2. April möglich war. Also waren zwei Wochen lang praktisch – wenn man es so will – unsere Hände gebunden und mussten zusehen, was mit uns passiert”, erläuterte Emmerich Ritter gegenüber diesem Portal.

Nach Auffassung des deutschen Abgeordneten erfordere dies unverzüglich eine Lösung, er hält die gegenwärtige Regelung für diskriminativ und unmöglich. Nach seinen Plänen wird der Ausschuss der Ungarländischen Nationalitäten diesbezüglich einen Änderungsvorschlag einreichen. „Bei den Wahlen von 2026 wollen wir soweit sein, dass es in den letzten zwei Monaten erst gar nicht notwendig sein soll, sich registrieren zu lassen, weil bis dahin die Zahl ausreichen würde, die für das Abgeordnetenmandat notwendig ist”, betonte er.

Anstelle der Deutschen Liste Parteien(listen)?

Die Gründe für die Aufhebung der Registrierung sieht Emmerich Ritter nicht bei der Identität. „Viele dachten, dass das deutsche Mandat so gut wie sicher ist und es kein Problem sein wird und dass es für sie und das Land nun wichtiger wäre, für eine Partei zu stimmen und nicht für die Deutsche Liste”, sagte der deutsche Abgeordnete.

Für die LdU sei es eine Lehre gewesen, dass man eine viel präsentere und umfassendere Informationskampagne unter den Wählern betreiben soll. Wie Ritter sagte: „Es ist eine Tatsache, dass die Registrierung das Endergebnis von keinen der neun Parlamentswahlen beeinflusst hat oder hätte. Wir müssen den Nationalitätenwählern vermitteln, dass egal wer für welche Parteiliste stimmte, er der Partei nicht geholfen hat, aber wir dadurch riskiert haben, dass das Nationalitätenmandat verloren geht. Darin bzw. in dessen Kommunikation haben wir in den nächsten drei Jahren unsere Hausaufgaben zu machen.”

Die Vollversammlung der LdU hat bereits im Vorfeld der Wahlen von 2014 ihre Strategie bis 2020 ausgearbeitet, darin bestimmte sie die vier grundlegenden Ziele und Aufgaben, die die Tätigkeit der nächsten Jahre bestimmen sollten:

1. Priorität genieße die Schaffung und Stärkung der Bildungs- und kulturellen Autonomie. Dazu gehören laut Strategie die Übernahme der Trägerschaftsrechte von Bildungs- und Kulturinstitutionen, die Übertragung von Vermögenswerten, die Förderung der Nationalitätenpädagogen und die Einführung eines Stipendiums für angehende Nationalitätenpädagogen.

2. Eine zweite wichtige Aufgabe stellt laut Programm die größtmögliche Unterstützung der örtlichen Selbstverwaltung sowie die der LdU dar sowie die Ausweitung und der Schutz derer Zustimmungs- und Meinungsäußerungsrechte.

3. Als drittes Ziel wird die Förderung der Kulturvereine, Chöre, Tanzgruppen, Kapellen und Vereine für Traditionspflege genannt.

4. Die vierte Grundsatzfrage stellt laut Strategie 2020 die Förderung der freien Zusammenarbeit mit dem Mutterland, dem deutschsprachigen Ausland und den deutschen Minderheitengemeinschaften in der Welt dar.

Nach Emmerich Ritters Ansicht sind es die Kernaufgabenfelder bezüglich der deutschen Nationalität. „Wenn man so will versuche ich es als verlängerte Arm der Landesselbstverwaltung mit parlamentarischen Mitteln das Größtmögliche in diesen Angelegenheiten zu erreichen”, ergänzte der deutsche Abgeordnete.

Politische Grabenkämpfe? Nein, danke!

Bezüglich der dreizehn autochtonen Nationalitäten darf der Ausschuss der Ungarländischen Nationalitäten minderheitenbezogene Tagesordnungspunkte (TOP) behandeln und Änderungsvorschläge ins Parlament einbringen. „Der Verteter des Ausschusses hat das Recht, bei minderheitenspezifischen TOPs den Standpunkt der Nationalitäten darzulegen. Dies führt ja per se zu einer Verbundenheit der dreizehn Nationalitäten, wenn man so will sitzen wir im selben Boot, wir müssen uns stets einigen, stets vereint auftreten, denn ohne das könnten wir keine Änderungsvorschläge einbringen. Andererseits muss ich naturgemäß als Vorsitzender des Aussschusses der Ungarländischen Nationalitäten qua Amt die Belange aller Nationalitäten unterstützen”, so Ritter.

In dem nun zu bildenden Ausschuss der Ungarländischen Nationalitäten wird es neun Mitglieder geben, die auch in der vormaligen Legislaturperiode Mitglied war. Unter ihnen wiederum sechs, die nun ihre dritte Amtszeit absolvieren. Der Standpunkt der Mitglieder und des Vorsitzenden des Ausschusses scheint auch in parteipolitischen Fragen eindeutig zu sein.

Wir sind bestrebt, uns an solchen gesetzgeberischen Verfahren zu beteiligen, die die Nationalitäten betreffen, aber keinesfalls an solchen politischen Grabenkämpfen, die uns nicht unmittelbar betreffen. Das ist der einzige Weg, um das Deutschtum, aber auch die übrigen Nationalitäten in Einheit zu erhalten”, hob Emmerich Ritter hervor.

Sie denken langfristig

Im Kreise einer Nationalität gibt es genauso wie in der Mehrheitsgesellschaft Menschen unterschiedlicher Partesympathien, Weltanschauung, aber nach Ansicht des Abgeordneten gibt es einen gemeinsamen Nenner: „Als oberste Priorität betrachten wir unsere Nationalität, unsere disbezügliche Identität, und für diese Ziele kämpfen wir zusammen, gemeinsam. Das ist, worin wir uns stets einig sind oder worüber wir uns austauschen können. Die politischen Fragen versuche ich auszuklammern.”

Die Ziele der Nationalitätenselbstverwaltung sind langfristig, dies bestimmt wohl ihr Verhältnis zur Parteipolitik und zum Politikalltag. „Wir denken nicht in einer Legislaturperiode und einer politischen Konstellation, und strategisch ist das der einzig mögliche Weg: Wir beschäftigen uns ausschließlich mit Nationalitätenfragen, für die wir uns entschlossen eintreten, aber wir begeben uns nicht in politische Grabenkämpfe”, betonte Emmerich Ritter und fügte hinzu: Die Programme, die die Nationalitätenselbstverwaltung angestoßen hat, brauchten mindestens 20, 25 oder 30 Jahre.

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Quelle (Text und Bild): https://index.hu/belfold/2022/04/26/ritter-imre-nemet-nemzetisegi-kepviselo/

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