Das Erbe (4) – Balmazújváros-Deutschdorf will Traditionen erhalten

Von Richard Guth

Mit Balmazújváros im Komitat Heiduckenboden-Bihar verbindet man nicht unbedingt die Präsenz von Deutschen beziehungsweise Deutschstämmigen. Weit im Osten gelegen gehört der Landstrich nicht zum Hauptsiedlungsgebiet der Deutschen in Ungarn. Dennoch zeugen bekannte(re) ungarndeutsche Ortschaften wie Ratka/Rátka und Karlsdorf/Károlyfalva im Nordosten und Wallei/Vállaj im Sathmarer Gebiet davon, dass die Siedlungstätigkeit nach der Vertreibung der Osmanen Ende des 17. Jahrhunderts vor der Donau- bzw. Theißlinie nicht Halt gemacht hat.

Genau vor einem Jahr, als ich im Zuge einer SB-Großaktion alle Selbstverwaltungen kontaktiert habe, hörte ich zum ersten Mal von der Geschichte der Deutschen von Balmazújváros (wo auch eine DNSVW gebildet wurde). Und zwar von Erika Takács, der guten Seele des Vereins der Deutschdörfler in Balmazújváros (Balmazújvárosi Németfalusiak Egyesülete), die begeistert von ihrer „kleinen deutschen Welt” berichtete! Nun gehen die Meinungen stark auseinander, wen man als Mitglied der ungarndeutschen Gemeinschaft betrachten sollte. Geht es da um eine Gemeinschaft von Menschen gleicher Herkunft und das Bekenntnis dazu, die althergebrachten Traditionen, die ja stets einem Wandel unterworfen waren, zu pflegen oder ist auch das aktive Beherrschen und der Gebrauch der deutschen (Groß-)(Mutter-) Sprache unerlässlich dazu!?

Das regionale Mediaworks-Portal haon.hu hat Ende Juni über die Deutschen in Balmazújváros berichtet und Frau Takács kam darin als stellvertretende Vereinsvorsitzende zu Wort. Sie erzählt im Beitrag über die Herkunftsgeschichte der Deutschen, die Mitte des 18. Jahrhunderts vornehmlich aus der Pfalz eingewandert waren – beziehungsweise eigentlich aus Wadkert/Soltvadkert, denn die dortigen reformierten Deutschen mussten aus religiösen Gründen den Ort verlassen – das erfahre ich in einem Beitrag der Fachzeitschrift agroforum.hu, die über das Festival „Kródumpraj” (Krood un‘ Prai / Kraut und Brei) im März dieses Jahres berichtete. Nach Balmazújváros kamen 100 Familien, die sich in drei-vier Straßen niederließen. Unter ihnen waren Landwirte, aber auch Handwerker. Sie errichteten ein eigenes reformiertes Gotteshaus und eine eigene Schule; Sprache der Gottesdienste war nach Angaben von Agrofórum bis 1910 deutsch. Der Sprachwechsel vollzog sich laut dem Artikel bereits in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, obwohl Mischehen kaum geschlossen worden seien. Im Ort lebten auch heute noch 500-600 Nachkommen der Neusiedler – sie würden bis heute die schwäbischen Traditionen pflegen, so Erika Takács gegenüber haon.hu. Die Musiklehrerin räumte jedoch ein, dass die Deutschstämmigen ihre angestammte Sprache bereits abgelegt hätten und sich auch in ihrer Tracht und den Bräuchen madjarisiert hätten. „Davon unabhängig fand jeder von ihnen wichtig, die Traditionen bis zu einem gewissen Maße auch in der Zukunft zu pflegen beziehungsweise weiterzugeben”, so Takács haon.hu gegenüber.

Die Funktionärin gewährte auch in das Gemeinschaftsleben Einblicke: Nach ihren Angaben  wurde die „Gemeinschaft” 2007 mit 200 Mitgliedern gegründet, einige Jahre später folgte der Bau eines Gemeinschaftshauses unter dem Namen „Deutschdorf – Haus der Traditionen” (Németfalu – Hagyományok Háza), das nach Eindruck von Takács „zu einem Zuhause” für jeden geworden sei.

Und auch ein Zuhause für das besagte Festival! Denn Gastronomie gehört für die Deutschdörfler zu diesem Erbe, das es zu pflegen gilt. Der Namensgeber des Festes ist das Gericht „kródumpraj”, – also Krood un’ Prai, Kraut und Brei, eine Speise aus der Mischung von Schweinshaxe und Kraut. Vor der Corona-Pandemie habe der Verein nach Angaben von Takács jeden Monat Kochveranstaltungen angeboten, Museum und Bibliothek würden 2000-3000 Menschen im Jahr anlocken. Ein besonderer Höhepunkt sei der Besuch im Forschungsraum, wo man die Stammbäume sowie die Matrikelbücher der Deutschstämmigen studieren könne.

Auch für die Ansässigen halte man Angebote parat wie das volkstümliche Spielparadies für Kinder, Chor und Harmonikaensemble oder Bälle, um die Traditionen hochzuhalten, auch „wenn wir die Sprache nicht mehr sprechen”, so Erika Takács.

 

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