Schicksalsträchtige Wahlen – auch für die ungarländische deutsche Nationalität!

Von Dr. Koloman Brenner (Jobbik), MdP, Parlamentsvizepräsident

Es ist allgemein bekannt, dass eine Änderung des Wahlgesetzes im Jahre 2011 für die 13 anerkannten Nationalitäten den Erwerb eines Vorzugsmandats oder die Entsendung eines Fürsprechers ins Parlament ermöglichte. Die 13 Landesselbstverwaltungen haben das Recht, vor den Wahlen jeweils eine eigene Liste zu stellen – dies verhinderte Fidesz jetzt im Falle der Landesselbstverwaltung der Roma. Ich verzichtete 2017 nach 22 Jahren aus ähnlichen Gründen auf mein Abgeordnetenmandat in der LdU-Vollversammlung, da ich Kandidat der Volkspartei Jobbik geworden bin: Denn diejenigen, die in der Nationalitätenwählerliste geführt werden, müssen im Falle der Zweitstimme entscheiden, ob sie ihre Stimme einer Nationalitäten- oder einer Parteiliste geben. Man muss aber betonen, dass dies den Gebrauch der Erststimme nicht beeinflusst beziehungsweise man sich von der Nationalitätenwählerliste nicht streichen lassen muss, um ausnahmsweise lieber für eine Parteiliste zu stimmen!

Denn die Registrierung für die Nationalitätenselbstverwaltungswahlen und die für die Parlamentswahlen sind zwei paar Schuhe. Da das 25%-Vorzugsmandat aufgrund der zahlenmäßigen Stärke der Nationalität nur für die Roma und die Deutschen eine erreichbare Option ist, können die anderen Nationalitäten lediglich einen Fürsprecher ohne Stimmrecht ins Parlament entsenden. Da Fidesz eher ein begründetes Interesse daran hatte, dass die Gemeinschaft der Roma für die Regierungspartei stimmt, ließen sich nicht einmal so viele registrieren als für einen vollwertigen Vertreter erforderlich wäre. Hier sei es anzumerken, dass in der Person des Jobbik-Kandidaten Ferenc Varga ein solcher Politiker auf die Liste des Wahlbündnisses „Vereint für Ungarn” (Egységben Magyarországért) gesetzt wurde, der die Roma in Ungarn glaubwürdig vertreten wird. Unter den ungarländischen Nationalitäten schafften bislang nur die Deutschen, bei den Wahlen 2018, in der Person von Emmerich Ritter, einen vollwertigen Parlamentsabgeordneten ins Hohe Haus zu entsenden.

Da ich mich 22 Jahre lang dafür eingesetzt habe, dass dieses wichtige politische Ziel des Ungarndeutschtums verwirklicht wird, ging es mir recht nahe, was darauf folgte: Für die breitere Öffentlichkeit in Ungarn wurde Emmerich Ritter der Garant der Zweidrittelmehrheit von Fidesz. Es ist wichtig zu betonnen, dass damals, als die Liste aufgestellt und das Thema aufgeworfen wurde, dass der eigene Abgeordnete für Regierungsvorhaben stimmen sollte, wir nicht wussten, dass sich sowas daraus entwickeln würde. Grundsätzlich würde ich es für richtig halten, wenn der Abgeordnete der Deutschen in Ungarn in Fragen, die die ungarische Gesellschaft spalten, nicht abstimmt oder sich der Stimme enthält. In solchen Fällen aber, in denen die Fidesz’sche Einparteienübermacht gegen die Werte und Prinzipien der Strategie der LdU (an deren Konszipierung ich auch beteiligt war) – wie ein gut funktionierender institutioneller Rahmen beziehungsweise die EU- und Deutschland-Orientierung – verstoßen hat, hätte er die Beschlüsse der Regierung ablehnen müssen. Im Gegensatz dazu unterstützte Emmerich Ritter das so genannte „Sklavengesetz” (ein umstrittenes Arbeitszeitgesetz der Orbán-IV-Regierung aus dem Jahre 2018, Red.) wie das Ermächtigungsgesetz ohne Auslaufdatum oder die Beschneidung der Autonomierechte der Ungarischen Akademie der Wissenschaften (MTA) oder die der Universitäten.

Dabei konsultiert Ritter scheinbar vor solchen Entscheidungen nicht mit der Führung der LdU, die die Liste aufgestellt hat. Meiner Ansicht nach dürfte in einer bürgerlichen Demokratie der Checks and Balances, also Kontrollen und Gleichgewichte, nicht passieren, dass der Abgeordnete in Fällen, in denen Beschlussvorlagen mit den Werten und Prinzipien der nominierenden Organisation kollidieren, unter Berufung auf die freie Mandatsausübung die Interessen der Regierung bedient. Da die LdU-Liste 2022 wieder von Emmerich Ritter angeführt wird, steht die ungarländische deutsche Nationalität vor einem gewaltigen Dilemma. Was soll der Bürger tun, dem das Schicksal des Vaterlandes am Herzen liegt, aber genauso die Vertretung der Interessen der Nationalität? Meines Erachtens sollte er jetzt, dieses eine Mal für eine Parteiliste stimmen und sich dafür aussprechen, dass unser Heimatland Teil der europäischen Völkerfamilie bleibt, gemäß der strategischen Entscheidung aus der Zeit des Staatsgründers Hl. Stephan. Dafür stehen die Liste und Kandidaten des Oppositionsbündnisses „Vereint für Ungarn”. Ich betone noch einmal, dass man sich dafür nicht von der Nationalitätenliste streichen lassen muss! Nach den schicksalträchtigen Wahlen am 3. April kann man die Registrierung für die Parlamentswahlen auf der Nationalitätenwählerliste ruhigen Herzens erneuern, weil ich guter Dinge bin, dass wir 2026 alle endlich in einer bürgerlichen Demokratie mit ausgewogenen Kräfteverhältnissen leben werden.

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