„Wir sind Namibier, die Deutsch sprechen. Und wegen der Kultur doch mehr”

Auslandsdeutsche des Jahres Sybille Moldzio im SB-Gespräch

Von Richard Guth

Es begann mit einer E-Mail, worin die Radiomoderatorin zur Wettbewerbsteilnahme aufgerufen wurde. Der Wettbewerb selbst fand zum dritten Mal statt, aber für den Neuling stellte die Beteiligung eine „Teamleistung” dar, denn die besagte Radiomoderatorin war „lediglich” das Gesicht eines Teams.

Die Rede ist vom Wettbewerb „Auslandsdeutsche des Jahres 2021”, das von der Internationalen Medienhilfe (IMH) ausgeschrieben wird. In die engere Wahl kamen auch dieses Jahr vier Auslandsdeutsche aus allen Herren Länder – eine von ihnen war Sybille Moldzio, die 23 % der weltweit abgegebenen 8600 Stimmen einsammelte. Das Sonntagsblatt führte mit der in Windhoek, Namibia, geborenen Radiomoderatorin ein Messenger-Gespräch, in dem es neben dem Wettbewerb um Privates, Berufliches und das Leben als Deutsche in Namibia oder wie sie zu sagen pflegt, „Namibier, die Deutsch sprechen”, ging.

„Dass wir gewinnen, hätte ich niemals erwartet”, sagt die 1984 in Windhoek geborene Sybille Moldzio, die deutschen Einwanderern entstammt und in der zweiten Generation im südwestafrikanischen Land, ehemals eine deutsche Kolonie, mit Mann und Kind lebt. Im Wettbewerb ging es nach ihren Angaben ganz besonders um die Frage, wie man sich um die deutsche Kultur und Sprache einsetzt. Das Team von Hitradio Namibia um Miteigentümerin Moldzio machte sich hierzu ihre Gedanken und ergänzte das Material mit einem Bild der Moderatorin.

Hitradio Namibia selbst wurde vor neun Jahren gegründet und strahlt neben englisch- und afrikaanssprachigen Inhalten (wie Werbung und Beiträge) vornehmlich deutsche Sendungen aus: Vormittags meldet sich der Rundfunk mit einem vierstündigen, am Nachmittag mit einem zweistündigen Programm. Dazwischen sehr viel Musik, „ein gutes Mix”, wie Moldzio sagt, von Country über Pop bis hin zum Schlager. Auch die stündlichen Nachrichten in deutscher Sprache dürfen laut Sybille Moldzio nicht fehlen. Den Sender haben Moldzio und ihr Mann, der – ursprünglich Ingenieur von Beruf – in der Holzkohleindustrie sein Geld verdient, vor einem Jahr von Moldzios ehemaligem Chef gekauft und in der Zwischenzeit mächtig ausgebaut: Aus den anfänglich vier Mitarbeitern wurden 13, von denen 80 % deutschsprachig seien: über die Hälfte Namibiendeutsche und Afrikaanssprachige, die anderen Deutsche mit Arbeitserlaubnis. Zu den Hörern (20-60.000 Personen) gehören nach Angaben der Managerin Deutschsprachige im In- und Ausland, aber auch Englisch- und Afrikaanssprachige sowie Owambostämmige beispielsweise.

Hitradio Namibia finanziert sich vornehmlich durch Werbung, was sich gerade in Corona-Zeiten als schwierig erweist: „Corona hat die 2,7 Millionen Einwohner sehr hart getroffen, nicht zuletzt wegen dem instabilen Gesundheitssystem. Besonders in der Zeit des namibischen Winters im Juli waren Regionen abgeschottet, so dass man nur mit einem Essential Permit (Sondergenehmigung, R. G) aus der einen in die andere Region reisen konnte. Abends galt ein generelles Ausgangsverbot. Auch bei uns war Homeoffice angesagt und Corona hatte gravierende Auswirkungen auf Namibias Wirtschaft, vor allem der Tourismus machte eine extreme Kurve nach unten. Was die Werbeeinnahmen – unsere Lebensgrundlage – anbelangt: Es war viel mehr Input sowie Überzeugungsarbeit notwendig und man musste extrem mit den Preisen runtergehen, um Werbekunden zu halten beziehungsweise zu bekommen”, so die Radiomoderatorin.

Der Markt ist ohnehin überschaubar, denn wir sprechen gerade einmal von ungefähr 20.000 Namibiadeutschen, mehrheitlich protestantisch, knapp 1 % der Gesamtbevölkerung. Die Namibiadeutschen seien insgesamt recht konservativ und „pflegen und lieben unsere Kultur”, so Moldzio. Was die deutschsprachige Bevölkerung anbelangt, könne man von leicht rückläufigen Zahlen sprechen, es habe mehrere Auswanderungsschübe und aufgrund einer restriktiven Immigrationspolitik eine insgesamt überschaubare Einwanderung gegeben, dennoch sei jede Altersklasse vertreten. Die Namibiadeutschen sind nach Erfahrungen der 37-Jährigen vornehmlich in der Landwirtschaft tätig; etliche unter ihnen engagierten sich aber in anderen Wirtschaftszweigen als Privatunternehmer sowie in der Tourismusbranche.

Die Namibiadeutschen sind nach Moldzios Angaben auch heute noch mehrheitlich deutschsprachig, auch wenn oft mit Englisch, Afrikaans und anderen Sprachen vermischt, was mitunter auch den zahlreichen Mischehen zu verdanken sei. Ein Netz deutscher Kindergärten und privater Schulen durchziehe das Land; auch an staatlichen Schulen gebe es vielerorts Deutschangebote, die auch von vielen schwarzen Namibiern in Anspruch genommen würden, um später beispielsweise in Deutschland zu studieren. Für Farmkinder gebe es auch spezielle Angebote, die aber zunehmend zurückgingen. Deutsch dominiere an Privatschulen bis zur siebten Klasse im Schulunterricht, die höheren Schulen (inklusive Universitäten) seien aber rein englischsprachig. Das Zusammenleben im Land bezeichnet die Moderatorin als harmonisch und friedlich, was sie dennoch wundere – aufgrund der großen Schere zwischen Arm und Reich. Zur letzteren Gruppe gehöre ein Großteil der weißen Namibier, aber mittlerweile gehören auch immer mehr Schwarze dazu. Die Beziehung der Namibiadeutschen zur Politik empfindet Moldzio als schwierig – trotz zahlreicher Deutschsprachiger im Politikgeschäft: „Wir leben in einer Blase, viele von uns sind apolitisch, das müsste sich eigentlich ändern”.

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Zur Person

Sybille Moldzio, Jahrgang 1984, entstammt einer Einwandererfamilie. Die Mutter kommt aus Sonneberg, der Vater hingegen stammte aus Ostpreußen und wanderte in den 1960ern aus Hamburg nach Namibia aus; er wurde nach der Unabhängigkeit Namibias Farmer. Sybille Moldzio verbrachte deshalb mit ihrer Schwester einen Teil ihrer Kindheit auf einer Farm. Ihre Mutter arbeitete beim öffentlich-rechtlichen nbc-Funkhaus – als Moderatorin, aber auch als Fotografin und Schauspielerin. Nach der 12. Klasse führte Moldzios Weg deshalb zu nbc. Nach einem Multimediendesignstudium in Kapstadt unternahm sie eine Europareise: Der Weg führte nach Deutschland, genauer gesagt nach München, danach nach St. Anton in Österreich und Den Haag in Holland. Nach ihrer Rückkehr arbeitete sie wieder bei der nbc, um dann 2013 zu Hitradio Namibia zu wechseln. Dieses kaufte sie 2020 zusammen mit ihrem Mann, Namibiadeutscher in der dritten Generation. Das Paar lebt in Windhoek und hat ein kleines Kind.

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