Heuer jährt sich am 18. Juni zum 70. Mal der Tag, an dem viele unschuldige Menschen aus ihrer Heimat verschleppt wurden und für fünf lange Jahre ihr Leben in der unwirtlichen Bărăgansteppe verbringen mussten.
Warum und wofür wurden diese Menschen bestraft? Diese Frage bleibt unbeantwortet!
Es waren die damaligen politischen Spannungen zwischen Jugoslawien und der Sowjetunion, die die rumänischen Behörden dazu veranlassten, Menschen aller Nationalitäten entlang des Grenzstreifens zwischen Rumänien und Jugoslawien umzusiedeln. Betroffen waren sogenannte „unverlässliche und gefährliche Elemente“, die dem kommunistischen Regime nicht ins Konzept passten und von der örtlichen Obrigkeit willkürlich auf Listen zum Abtransport gesetzt wurden. Ein Viertel der Betroffen waren deutsche Volkszugehörige.
Während der Verbannung haben auch viele Kinder im Bărăgan das Licht der Welt erblickt. Den Nachweis darüber kann man in den Personalausweisen anhand der Geburtsorte finden. Ich selbst wurde fast genau 9 Monate nach dem 18. Juni geboren. Die werdenden Mütter mussten hart mitarbeiten, waren oft nicht satt und hatten keine ärztliche Betreuung. Die Entbindungen waren entweder Hausgeburten oder die Frauen konnten noch rechtzeitig ein Krankenhaus erreichen.
Meine Mutter ging hochschwanger im tiefen Schnee Anfang März, begleitet von einer Nachbarin, siebeneinhalb Kilometer zu Fuß bis zum nächsten Krankenhaus. Die beiden Frauen hatten dafür eine besondere Genehmigung vom „sfat“ erhalten, um ihren Wohnort zu verlassen. Nicht auszudenken, was unterwegs hätte passieren können. Mein Vater hatte für mich aus Holzresten eine Wiege gezimmert, die Windeln waren auskochbare Stofftücher, als Nachttopf hatte ich später eine Konservendose und aufgewachsen bin ich mit Ziegenmilch.
Viele andere Verschleppte waren damals noch Säuglinge oder Kleinkinder, Schulkinder oder Jugendliche. Sie hatten keine behütete Kindheit und Jugend, mussten schon im frühen Alter kräftig mithelfen und alle möglichen Arbeiten verrichten. Die abenteuerlichen Spielmöglichkeiten von damals haben die Kinder die Tragik der Zeit kaum erkennen lassen. Sie alle kennen das damalige Geschehen nur aus Erzählberichten der Eltern und Nachbarn. Das wochenlange Leben auf freiem Feld und in Erdhütten, die späteren Jahre in selbst gestampften Lehmhütten, die Wassernot und mangelhafte Lebensmittelversorgung, das raue Klima mit den harten Wintern, die schwere Arbeit der Eltern zum Überleben – was das alles bedeutete, begriffen sie erst im Erwachsenenalter.
Es gab in dieser Not einen großen Zusammenhalt zwischen den Menschen. Die im Banat zurückgebliebenen Angehörigen schickten den Verschleppten auf allen möglichen Wegen und Umwegen Lebensmittel, Kinderkleidung, Spielzeuge, Hefte, Stifte, gebrauchte Schulbücher usw. Ab dem späten Herbst 1951 wurden die Schulkinder von ebenfalls deportierten Lehrern unterrichtet. Dabei saßen sie auf selbst mitgebrachten Hockern und hielten Hefte und Bücher teils auf den Knien oder auf Stühlen, – Schulbänke gab es nicht. Der Unterricht fand in einem gestampften Schulhaus statt, das die Dorfbewohner ohne Bezahlung errichten mussten. In unserem Dorf gab es auch einen Kindergarten für die Kleinen, geleitet von einer deportierten ehemaligen Nonne.
Die größeren Kinder mussten schon als 13-14 jährige auf den Staatsfarmen mitarbeiten, an weiterbildende Schulmöglichkeiten war nicht zu denken. Erst nach der Freilassung und Heimkehr ins Banat holten manche ihre Schulbildung im Fern- oder Abendunterricht nach. Diese frühen Arbeitsjahre werden heutzutage nicht bei der Rentenberechnung anerkannt. Die meisten Erwachsenen arbeiteten auf landwirtschaftlichen Staatsfarmen. Obwohl sehr viele ihre Berufe ausübten (z.B. als Maler, Schlosser, Buchhalter usw.), wurden sie als Tagelöhner geführt und entlohnt – zum Nachteil ihrer heutigen Rente.
Die damaligen, mit Gewalt angesiedelten Dörfer im Bărăgan gibt es heute nicht mehr, auch die Gräber der Verstorbenen sind verschwunden. In jüngster Zeit wurden Gedenksteine aufgestellt, die an die Deportationsdörfer erinnern. Die einstigen Deportierten können diese späten Mahnmale nicht mehr oder nur auf Fotos sehen, sind doch die Kinder von damals heute schon 70-80 Jahre alt.
Wir können nur hoffen, dass sich solches Unrecht nicht wiederholt. Mögen die Denkmäler auch noch künftige Generationen daran erinnern.
Eva Klein, geb. Ebinger, im Bărăgan geboren