Hajoscher Winzergenossenschaftsvorsitzender Stefan Knehr im Gespräch
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SB: Die letzten anderthalb Jahre waren von der Corona-Pendemie gezeichnet. Welche Herausforderungen brachte das für die Hajoscher Winzer?
SK: Die Pandemie hat die Winzerbetriebe vor große Herausforderungen gestellt. In Hajosch verkauft die überwältigende Mehrheit der Kellereien ihren Wein vor Ort – bei Weinproben und Veranstaltungen. Leider konnte man im vergangenen Jahr lediglich von Ende Mai bis Ende Oktober Weinproben und Veranstaltungen anbieten. Deshalb mussten die Betriebe Ausschau halten nach Alternativen. Die Pandemie hat mehr als deutlich gezeigt, dass eine größere Präsenz in der digitalen Welt unerlässlich ist.
SB: Sie sind einer der Leiter der Winzergenossenschaft Vintegro. Erzählen Sie ein wenig darüber, zu welchem Zweck dieses Bündnis gegründet wurde.
SK: Die Winzergenossenschaft Vintegro wurde Ende 2012 gegründet, um junge Winzer vom Ort zusammenzubringen. Seitdem organisiert der Verein seine Veranstaltungen gemeinsam. Wir bieten in jeder Jahreszeit ein Event an, im Frühjahr die Tage der Offenen Keller im Frühling, im Sommer die Sommerlichen Tage der Offenen Keller, im Herbst die Kürbistage der Offenen Keller und im Winter die Adventlichen Tage der Offenen Keller. Anfangs gab es im Verein sieben Mitgliedsbetriebe, gegenwärtig beläuft sich deren Zahl auf 15.
SB: Wenn wir Zahlen, Daten, Fakten hören möchten: Wie groß ist die Anbaufläche der 15 Kellereien, wie groß ist der Ertrag? Welchen Anteil haben die Mitglieder der Winzergemeinschaft im Hajoscher Weinbaugebiet und wie hoch ist der Umsatz, den Sie generieren?
SK: Die Größe der Weinbaufläche in Hajosch beträgt insgesamt ca. 600 Hektar. Die Mitglieder der Gemeinschaft bewirtschaften in der Regel kleinere Flächen, da sie sich nebenberuflich mit Weinbau beschäftigen. Die Zahl der abgefüllten Flaschen bewegt sich je Kellerei zwischen 4000 und 15.000 Flaschen.
SB: Welchen Anteil vertritt der ungarische Markt und welchen das Ausland?
SK: Die Genossenschaftsmitglieder verkaufen ihre Weinprodukte in erster Linie vor Ort, eins, zwei hingegen produzieren auch für den Export und so gelangt deren Wein in die ganze Welt.
SB: In sechs von sieben Kellereinamen steckt ein deutscher Familienname. Findet sich das auch in den familiären Traditionen und der Identität der Winzer wieder?
SK: Unsere Ahnen haben sich vor 300 Jahren hier angesiedelt, seitdem beschäftigt man sich mit dem Anbau. Es ist sprechend, dass im Kellerdorf 1256 Presshäuser stehen, wobei Hajosch über 1300 Haushalte verfügt. So hatte jede Familie ein kleines Weingut und fertigte Wein an. Der Verein setzte sich zum Ziel, dass diese Tradition erhalten bleibt und sich immer mehr Menschen mit dem Weinbau beschäftigt.
SB: Die Besonderheit von Hajosch ist der Umstand, dass Ende der Vierzigerjahre Vertriebene in großer Zahl zurückkehrten. Was ist aus all dem Erbe, Sprachgebrauch, Identität, Kultur und Glaubensleben erhalten geblieben?
SK: Zum Glück sind die Traditionen in Hajosch bis heute erhalten geblieben. Seit 1963 gibt es hier eine Volkstanzgruppe mit unterschiedlichen Gruppen, auch für Kindergarten- und Schulkinder. Darüber hinaus verfügt Hajosch über Chöre. Kindergarten und Schule werden von der Deutschen Nationalitätenselbstverwaltung getragen. Vor drei Jahren hat die DNSVW das Hajoscher Schwäbische Wörterbuch herausgebracht, damit die Sprache für die Nachwelt erhalten bleibt, denn die jüngere Generation spricht leider nicht mehr die Hajoscher Mundart.
SB: Stehen Sie auch mit anderen Weingebieten mit deutscher Bevölkerung im Kontakt?
SK: Zu den Winzern der benachbarten Gemeinden (Nadwar/Nemesnádudvar und Tschasartet/Császártöltés) pflegen die hiesigen Weinbauern enge Kontakte. Im Falle der dortigen Winzergenossenschaften bemüht sich der Verein Vintegro um enge Zusammenarbeit.
SB: Vor welchen Herausforderungen steht die Hajoscher und ungarländische Weinkultur?
SK: Die Kellereien werden wohl in den nächsten Jahren viele Herausforderungen meistern müssen. Eine der wichtigsten ist der Klimawandel und das immer extremere Wetter. Wichtig zu erwähnen ist noch die Automatisierung im Weinbau, denn es mangelt an Arbeitskräften und das wird sich in den nächsten Jahren noch verschärfen.
SB: Herr Knehr, vielen Dank für das Gespräch!
Das Interview führte Richard Guth.