Parteien im Bundestag zu den deutschen Minderheiten

Von Armin Stein

Alle vier Jahre finden in der Bundesrepublik Deutschland Bundestagswahlen statt, dieses Jahr ist es heute, am 26. September soweit. Entschieden wir dabei nicht nur, wer Kanzler für die nächsten vier Jahre wird, es wird auch über die Ausrichtung, die Schwerpunkte und Ambitionen der deutschen Bundespolitik entschieden. Dieses Jahr scheint das Rennen sehr knapp zu sein, nach mehreren Patzern potenzieller Favoriten hat sich im Endspurt vor den Wahlen ein Dreikampf um Armin Laschet (CDU/CSU), Annalena Baerbock (Bündnis 90/Grüne) und Olaf Scholz (SPD) ergeben. Zwar wird der Sieger aller Wahrscheinlichkeit nach einer der drei Kanzlerkandidaten sein, eine Allmacht in der Regierungsbildung wird die siegreche Partei wahrscheinlich nicht erhalten, aufgrund der schwindenden Bedeutung der einstigen Volksparteien in der bundesdeutschen politischen Szene ist es wahrscheinlich, dass es zu einer Koalition von zwei oder drei Parteien kommen wird.

Die Bundestagswahlen haben jedoch nicht nur auf Deutschland Einfluss, auch die deutsche Minderheitenpolitik wird von den regierenden Parteien beeinflusst. Ein besonderes Augenmerk muss man hierbei auf das Bundesministerium des Innern legen, schließlich gehört die Unterstützung der deutschen Minderheiten zu diesem Ministerium. Das Bundesministerium des Innern beschreibt seine Aufgaben und Ziele im Themenkreis deutsche Minderheit wie folgt:

„Die Minderheitenförderung der Bundesregierung umfasst folgende Bereiche: Sprachförderung, Erhalt und Weiterentwicklung der ethnokulturellen Identität, Jugendarbeit, Partnerschaftsmaßnahmen, Stärkung der Selbstorganisationen der deutschen Minderheiten“ (Quelle: BMI)

Innerhalb des Bundesministeriums muss nicht nur auf die Partei und den Minister, die dieses Resort für die nächsten 4 Jahre erhalten, geachtet werden, sondern auch auf die Position des „Beauftragten der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten“ (im Artikel verkürzt: BBAM). Laut Definition fungiert der BBAM als „Ansprechpartner für Spätaussiedler und nationale Minderheiten auf Bundesebene sowie als Koordinator und Informationsstelle”. Inhaber des Amtes des BBAM ist Bernd Fabritius (CDU), gebürtiger Rumäniendeutscher aus Agnethelm/Agniţa.

Da die Interessen und politischen Überzeugungen der verschiedenen deutschen Parteien große Unterschiede aufweisen, haben wir Kontakt mit den verschiedenen Pressestellen der Partien aufgenommen und sie danach gefragt, was Ihre Meinung zu der deutschen Minderheit Mittel-und Osteuropas ist und welche Veränderungen die Angehörigen der deutschen Minderheit mit dem Regierungsantritt der jeweiligen Partei erwarten können.

Auf Bewährtes setzen – Programm der CDU

Die CDU hat die am meisten ausgeprägte und detaillierteste Meinung zu der Situation der deutschen Minderheiten in ihrem Parteiprogramm. Im Wahlprogramm für die Bundestagwahlen werden die zwei folgenden Schwerpunkte erwähnt:
„Die deutschen Minderheiten sind ein lebendiger Teil unseres historischen Erbes, dessen Erhalt und Förderung uns sehr wichtig ist. Deshalb haben wir uns in unserem gemeinsamen Regierungsprogramm von CDU und CSU dafür ausgesprochen, die deutschen Minderheiten weiterhin bei der Pflege ihrer Sprache und Kultur zu unterstützen. Auch wollen wir das Amt des Beauftragten der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten in einer exponierten Stellung in der Bundesregierung stärken.“ Quelle: Regierungsprogramm der Union
Sollte die CDU weiterhin die Entscheidungen im Bundesministerium des Innern und in der Rolle des BBAM treffen, ist nicht mit großen Veränderungen zu rechnen. Die Förderstrukturen für Vereine und LdU wird sich dadurch aller Wahrscheinlichkeit nach auch nicht grundlegend ändern.

Vertrauen auf die Organisationen der EU – Programm der SPD

Das Programm der SPD setzt sich mit der Frage der deutschen Minderheiten Osteuropas aus einer anderen Perspektive auseinander. Anstatt direkt für die erwähnten Minderheiten Lösungen zu finden oder Unterstützung anzubieten, möchte sich die SPD stärker auf die Institutionen und Mechanismen der EU stützen.

„Die SPD setzt sich gemäß Art. 21 und Art. 22 der Charta der Grundrechte der EU für den Schutz der nationalen Minderheiten in Deutschland und Europa ein und unterstützt Maßnahmen zum Erhalt ihres kulturellen Erbes. Der Ausschuss der Regionen dient dabei als ein wichtiges Sprachrohr regionaler und lokaler Gebietskörperschaften in der EU und bei der Bewertung der Umsetzung der Rechtsvorschriften der EU.“ Quelle: SPD-Europaprogramm 2019
Das wichtigste Organ für die Unterstützung von Minderheiten, aus Sicht des SPD-Programms, ist der Europäische Ausschuss der Regionen (kurz AdR). Einen kurzen Überblick über die Funktionen und Ambitionen des AdR verschafft der folgende Absatz:  „Der AdR wurde 1994 aus zwei Erwägungen heraus errichtet: Erstens werden etwa drei Viertel der EU-Rechtsvorschriften auf lokaler oder regionaler Ebene umgesetzt, sodass es durchaus sinnvoll ist, wenn Vertreter der lokalen und regionalen Ebene bei der Entwicklung neuer EU-Gesetze ein Mitspracherecht haben. Zweitens sorgte man sich darum, dass sich zwischen der Öffentlichkeit und dem Prozess der europäischen Integration eine zunehmende Kluft auftun könnte; die Einbeziehung der gewählten Vertreter derjenigen Regierungs- und Verwaltungsebene, die den Bürgern am nächsten ist, war eine Möglichkeit, diese Kluft zu überwinden.“ Quelle: Wikipedia

Wichtig ist es noch zu erwähnen, dass die bisher bestehenden Strukturen der Unterstützung der deutschen Minderheit bleiben würden, voraussichtlich wird auch im Fall einer Kanzlerschaft/ Innenministeramt der SPD sich nicht allzu viel verändern. Mitglieder der SPD haben die Position des BBAM von 1998 bis 2006 bekleidet.

Auch aus ungarndeutscher Perspektive ist der Europäische Ausschuss der Regionen relevant, da das jüngste Mitglied dieses Gremiums, Patrick Schwarcz-Kiefer, Repräsentant der Branau und Vorstandsmitglied der Jakob Bleyer Gemeinschaft ist.

Rechte und Möglichkeiten des Individuums stärken – Programm der FDP

Die liberalen Ansichten der FDP sind auch in ihrer Herangehensweise an die Situation der deutschen Minderheit in Osteuropa wahrzunehmen. Anstatt die Minderheit(en) als Gruppe wahrzunehmen, basiert der politische Ansatz auf der Ansicht, dass falls jeder über seine Identität frei entscheiden kann, keine Repressionen fürchten muss und sich diese freien Individuen nach ihren Wünschen selbst organisieren können, die wichtigste und einzig nötige Grundlage für den Erhalt der Minderheiten bereits gegeben wurde. Auf Grundlage dessen setzt sich die Politik der FDP für die möglichst größten Freiheiten für alle Bürger der EU ein. Diese Gedanken kann man auch im Wahlprogramm nachlesen: „Wir Freie Demokraten treten für eine Gesellschaft ein, in der jede und jeder unabhängig von Herkunft, Aussehen, Religion oder politischer Ansichten, frei leben und sich frei äußern kann. Menschenrechte, Meinungsfreiheit und der Schutz von Minderheiten sind für unser Zusammenleben unverzichtbar. Wir Freie Demokraten machen uns daher stark für unsere freiheitliche Gesellschaft und gegen Rassismus, Fremdenhass, Antisemitismus und Homophobie.“ Quelle: Wahlprogramm FDP 2021

Aus Sicht der politischen Zielgemeinschaft scheint die Frage der deutschen Minderheit Osteuropas ein wenig relevantes Thema für die FDP zu sein. Dennoch und wahrscheinlich auch deshalb ist davon auszugehen, dass keine großen Veränderungen, weder strukturell noch qualitativ, zu erwarten sind, sollte das Ressort in den Aufgabenbereich der FDP kommen.

Demographische Reserve – Programm der AfD

Im Gegensatz zu den bisher vorgestellten Konzepten enthält das Programm der AfD die Ambition das aktuelle Status quo maßgeblich zu verändern. Genauere Details, welche sich mit den geplanten Veränderungen innerhalb der institutionellen Struktur erschließen sich aus dem Programm jedoch leider nicht.

„Die AfD legt schon allein aufgrund der historischen und wirtschaftlich engen Verflechtungen Wert auf gute Beziehungen mit Osteuropa und davon würden auch die deutschen Minderheiten in diesen Ländern profitieren. Die AfD setzt sich etwa auch für die Familienzusammenführung von Russlanddeutschen ein.
Bedenkt man dann noch, dass groteskerweise ein Deutscher, der nach dem 1. Januar 1993 in den GUS-Staaten geboren ist, nicht länger als Deutscher gilt und bezieht dann das Tempo der Entwicklung, die die Anträge in den letzten Jahren genommen haben mit ein, kann man klar davon ausgehen, dass bald keiner, der noch in den GUS-Staaten lebenden Deutschen eine Möglichkeit auf Rückkehr haben wird.„ Quelle: AfD

Neben den geplanten rechtlichen Veränderungen kann man im AfD-Programm auch einen Wandel in der Motivation für Minderheitenpolitik erkennen. Anstatt sich auf den „Vor-Ort“- Erhalt der Minderheit zu konzentrieren, sollte die deutsche Minderheitenpolitik, soweit die AfD in die entsprechenden Entscheidungspositionen kommt, sich stärker auf die Rücksiedlung der Angehörigen der diversen deutschen Minderheitengruppen Osteuropas konzentrieren.
„Deutschland sollte, gerade im Hinblick auf das steigende demografische Problem, Heimkehrern die Rückkehr nach Deutschland vereinfachen und Deutsche bei der Wiedereinreise ins eigene Heimatland bevorzugt behandeln. Die AfD wird die Interessen der Vertriebenen, Aussiedler und deutschen Minderheiten in dieser Hinsicht auch weiter vertreten.“ Quelle: AfD

Wie sich die beschriebenen Änderungen verwirklicht werden sollen, stellt sich aus den Dokumenten nicht heraus.

Keine Antwort auf unsere Anfrage – die LINKE und die GRÜNEN

Leider können wir die genaue Stellungnahme der Parteien die LINKE und Bündnis 90/GRÜNEN nicht vorstellen, da wir keine Antwort von den Pressestellen erhalten haben. Aller Voraussicht nach sind diese Programmpunkte aus Perspektive dieser Parteien nicht wirklich relevant.

Bild: Tim Reckmann, https://ccnull.de/foto/bundestagswahl-2021/1007940

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