Wenn Luxusprobleme an Grundsatzfragen rütteln

Von Richard Guth

Der liebe Leser könnte gleich meinen: wieder er mit seinen Luxusproblemen. Ja, gewissermaßen Luxusprobleme, denn vielerorts hat man nicht einmal das. In den besagten Gemeinden in der Region Nord feiert man in der Tat jede Woche deutsche Messen, mal samstags, mal sonntags, denn der jeweilige Pfarrer muss mehrere Kirchen bzw. Gemeinden versorgen.

Neulich an einem lauen Sommerabend habe ich mir die Messübertragungen aus den drei besagten ungarndeutschen Ortschaften der Region Nord angeschaut. Diese werden regelmäßig vom Regionalsender übertragen, anerkennenswerterweise auch deutsche Messen, regelmäßig. In der einen Messe gedachte man eines Kantors, der sich seit Jahrzehnten um die ungarndeutsche Kirchenmusik einsetzt. Die Feierstunde am Ende der deutschen Messe fand weitgehend auf Ungarisch statt (lediglich der Vertreter der deutschen Selbstverwaltung sprach ein deutsches Grußwort, was auch keine Selbstverständlichkeit ist), auch der Pfarrer spricht ungarisch, obwohl er einst Deutsch studiert hat. Einst, also lange her. An sich spricht er ein schönes Deutsch, man ist aus den Jahren zuvor an ganz Anderes gewohnt. Und er bemüht sich auch, anfangs spricht er noch frei den Teil, wo man den Namen des Verstorbenen nennt, dem man als Jahrgedächtnis gedenkt. Die Predigt hingegen auf Ungarisch. Ob er das auch auf Deutsch hinkriegen würde? Vermutlich ja. Viel zu tun, mangelnder Wille oder fehlender Druck oder besser gesagt Erwartungshaltung seitens der Gemeinde? Das werde ich irgendwann sicherlich in Erfahrung bringen. Man lässt aber den Neuen gewähren. Denn es ist wirklich ein Luxusproblem im Vergleich zu der übrwältigenden Mehrheit ungarndeutscher Gemeinden, wo es gar keine deutschen Messen gefeiert werden.

Wir bleiben in der Region, aber wechseln die Gemeinde. Heute ist ein Pater dran, der vertretungsweise die Heilige Messe liest. Und er liest in der Tat so, dass es eine Freude ist ihm zuzuhören. Den Pater kennt man, auch seine deutschsprachigen Predigten, die er als Madjare in der Vergangenheit stets gekonnt vorgetragen hat. Er ist nun zum zweiten Mal da und predigt auch diesmal auf Ungarisch. Komisch. Kurzfristig eingesprungen und hatte keine Zeit, um sich vorzubereiten!? Oder meint er aus der Übung gekommen zu sein. Seltsam, denn er ist quasi Muttersprachler und kommt aus einem Land, wo Mehrsprachigkeit seit Jahrhunderten eine Selbstverständlichkeit ist. Oder gab es irgendwelche Erwartungen von der Gemeindeleitung!? Oder gar von den Mitgliedern? Deutschsprachigkeit bei Ungarndeutschen ist ja keine Selbstverständlichkeit mehr wie einst. Auch das werde ich irgendwann sicher erfahren. Oder auch nicht.

Da muss ich doch den Sprung wagen und die Region verlassen. Mein imaginärer Weg führt ins Bistum Temeswar, schon mehrfach hier Gegenstand der Betrachtung – die zarte Tradition der Online-Übertragung von Messen und Ansprachen wird auch hier weiter gepflegt und es werden unter anderen Heilige Messen übertragen, und zwar in mehreren Sprachen. Und es ist mir noch nie aufgefallen, dass dabei Teile des Gottesdienstes in einer anderen Sprache übertragen worden wären. Deutsche Messen mit deutscher Predigt, ungarische mit ungarischer und rumänische mit rumänischer Ansprache. Auch wenn die Zahl der Deutschsprachigen im Bistum im Vergleich zu früher deutlich abgenommen hat. Und kein Mischmasch, die ich neulich wieder beobachten konnte, bei der Kirmes der Kapelle am Ortsrand der soeben erwähnten Gemeinde. Liturgie, Lieder auf Deutsch, immerhin, könnte man meinen, alles andere auf Ungarisch. Ganz zu schweigen von hohen Feiertagen wie Fronleichnam, wo bis auf ein Stationslied alles auf Ungarisch läuft. Neulich durfte ich auf der Zentrumsseite die vielen bunten Bilder von den Fronleichnamsprozessionen bewundern. Wirklich putzig, Tradition pur – aber da stellte sich doch eine unangenehme Frage, die es vermag die Idylle zu stören: In wie vielen Gemeinden, aus denen man die Bilder reingeschickt hat, wurde Fraunleechnom auf Deutsch gefeiert?

Der Kontrast zum Bistum Temeswar macht uns bewusst, dass bei allen Luxusproblemen diese dennoch an Grundsatzfragen rütteln – was steht uns zu und was müssen wir selber dafür tun, damit die muttersprachliche Seelsorge nicht nur Gegenstand geschwungener Reden und wohlklingender Paragraphen bleibt, sondern Teil unseres Lebens wird?

Bild: Michael W. Steidl, Pfarre Gersthof, Österreich

Folgen Sie uns in den sozialen Medien!

Spende

Um unsere Qualitätsarbeit ohne finanzielle Schwierigkeiten weitermachen zu können bitten wir um Ihre Hilfe!
Schon mit einer kleinen Spende können Sie uns viel helfen.

Beitrag teilen:​
Geben Sie ein Suchbegriff ein, um Ergebnisse zu finden.

Newsletter

Möchten Sie keine unserer neuen Artikel verpassen?
Abonnieren Sie jetzt!