Christian Dintzl, der vor 300 Jahren den Wuderscher Vertrag mit Gräfin Susanne Bercsényi unterschrieben hat

Ein Beitrag von Klara Steinhauser. Erstmalig erschienen am 04. 05. 2021 auf der Webseite “minalunk.hu” Wudersch/Budaörs. Veröffentlichung in deutscher Übersetzung mit freundlicher Genehmigung von Klara Steinhauser. Deutsche Übersetzung: Armin Stein

Genau vor 300 Jahren, an einem Morgengrauen im April, bereitete sich Christian Dintzl im Stillen vor. Seine Frau saß auf der Bettkante und stillte die kleine Magdalena. Er verabschiedete sich von ihr und verließ seinen bescheidenen Wohnsitz. Er schloss die Tür vorsichtig hinter sich, damit sein Sohn, der dreijährige Michl, nicht aufwachte. Er bezügelte sein Pferd, spannte es vor den Wagen und brach auf, zu einer wichtigen Mission.

In der Dämmerung schwebte Nebel über den Bergen. Zum lauten Chorgesang der Vögel  gesellte sich das Krähen manch eines Hahns. Er sah, dass die anderen – Sebastian Senn, Andreas Singer, Simon Freu – bereits am Straßenrand warteten. Adam Kessler fehlte noch, aber bald kam auch er mit seinem Pferd an, das er auch vor seinen Wagen spannte. Mit seiner Peitsche zeichnete er drei Kreuze in den Staub, um ihre wichtige Reise mit Gottes Segen zu gehen.

Die fünf Siedler aus Wudersch machten sich auf Einladung der geschätzten Gräfin in großer Aufregung auf den Weg nach Schambek/Zsámbék, um den Vertrag zu unterzeichnen. Sie waren auch stolz darauf, dass die Dorfgemeinschaft ihnen diese Aufgabe anvertraut hatte.

Bauer Dintzl zog sein festliches Gewand an, das er noch in seiner Heimatstadt, in Blaustein-Arnegg, sorgfältig in eine Kiste gepackt hatte. Dann wurde die Truhe zusammen mit anderen notwendigen Utensilien auf die Ulmer Schachtel gelegt, um ins unbekannte „Hungarn“ zu reisen. Graf Bichys Agenten warteten bereits in Ofen auf sie.

Er trug auch dieses dunkle Stoffgewand zu seiner Hochzeit, als er und Annamaria Friedrich einander ewige Treue schworen. Als er sein Heimatdorf in der Nähe der Stadt Ulm verließ, war er voller Pläne, Kraft und Hoffnung. Er kannte Anna schon damals und er gewann sie auf der langen Reise auf der Schachtel noch mehr lieb. Er dachte, es wäre sehr gut für seine Frau. Er hatte keine Ahnung, was sie erwartete …

Hinter ihnen ging mit der Zeit die Sonne auf. Die Natur war am Erwachen. Sie freuten sich über die Ankunft des Frühlings, obwohl sie wussten, dass noch viel Arbeit vor ihnen lag. Obwohl sie auch im Winter nicht untätig waren. Sie gingen in den Wald, um Holz zu holen und zu hacken. Schilf wurde geschnitten, um die Scheune zu bedecken. Wenn es die Zeit erlaubte, machten sie sich daran, den Keller auszuheben und Steine aus dem Bruch zu fördern.

Sie sahen hier und da gepflügtes Land, reisten jedoch viele Meilen und fanden keine Spur von (menschlichem) Leben. Sie waren nicht einmal überrascht, da sie wussten, dass die Türken in dieser Landschaft großes Chaos angerichtet hatten.

Den Türkensprung haben sie schon lange zurückgelassen, als sie an einem Ort anhielten, um sich auszuruhen und die Pferde zu füttern. Sie selbst nahmen das Frühstück aus Brot und Speck zu sich.

Bauer Singer nahm ein Klumpen Erde vom Feld und zerbröselte es.

„Sie haben besseres Land, nicht so steinig wie das unsere”, sagte er. Die anderen nickten.

„Wenn wir lange in diese Richtung gehen würden, würden wir nach Hause kommen“, lamentierte Adam Kessler und seine Augen wurden beschlagen. Er konnte sein qualvolles Heimweh nicht verbergen. Sie sagten eine Weile kein Wort.

„Bei Turwall/Torbágy müssen wir rechts abbiegen“, sagte Dintzl zu sich selbst, da er die Zügel in der Hand hatte. Außerdem kannte er die Gegend am besten, da er hier in Turwall seine Hochzeit feierte.

Die Sonne war noch nicht auf Mittagshöhe, als sie die zerstörte Kirche auf dem Hügel sahen.

„Das ist schon Schambek!“, zeigte Dintzl mit einer Peitsche nach vorne.“ Drei Stunden und wir sind da!“

Meine imaginäre Geschichte endet hier. Von nun an überlasse ich es der Fantasie des werten Lesers diese weiterzuerzählen.

Basierend auf den vorhandenen Dokumenten lohnt es sich, das Schicksal von Christian  Dintzl weiterzuverfolgen.

Sein Name kann in verschiedenen Formen gefunden werden. Im Wuderscher Taufregister heißt er Krisztián Denzel. Aber auch die Formen Dinßl und Dienstl sind aufgelistet. Je nachdem, wie der Pfarrer, der das Taufregister geführt hat, den Namen dem Hörensagen nach niedergeschrieben hat. Zuerst wurden Namen in Latein, später in Deutsch registriert.

Unser Held wurde um 1682 in der Stadt Blaustein-Arnegg bei Ulm in der Provinz Württemberg geboren. Er ist einer der wenigen, deren Herkunftsort erfasst wurde.

1716 heiratete er Annamaria Friederich (geb. 1695), ebenfalls aus Blaustein, in Turwall. Die Zeugen der Ehe waren Michael Steiner und Konrad Maar. Michael Steiner wurde Pate einiger ihrer Kinder.

Ihr erstes Kind, Michael, wurde 1717 geboren.

Die Geburtsjahre der Kinder der Reihe nach: Magdalena 1720, Barbara 1721, Johann-Georg 1723, Johann 1726, Thomas 1730, Maria 1732, Jacob 1735 und das neunte: Johann-Heinrich 1739. Zu dieser Zeit war Annamaria Friedrich bereits 44 Jahre alt.

Das folgende Sprichwort wurde überliefert: Die erste (Generation) fand den Tod, die zweite die Not, die dritte hatte Brot.

Dies gilt auch für die Familie Dintzl, denn 1739 brach in Buda-Eörs (Wudersch) die Pest aus.

Johann Heinrich verstarb am 8. Mai.

Johann und Thomas verstarben an einem Tag – am 14. Mai, Johann war erst zwei Monate alt.

Johann – Georg verstarb am 17. Mai

Jacob starb am 8. Juni an der schrecklichen Krankheit.

Wir wissen nur von Maria, dass sie 1761 Josef Frühwirth heiratete.

Was wurde aus den Eltern?

Ihr Schicksal ist auch traurig: Der Vater fiel am 22. Mai der Pest zum Opfer und die Mutter am 1. Juni, nachdem sie sich selbstlos um ihre Familienmitglieder gekümmert hatte.

Es war unheimlich schwierig, ein Leben für diejenigen zu beginnen, die sich aus dem Heiligen Römischen Reich deutscher Nation in Wudersch niederließen.

Sie machten den ersten Spatenstich auf dem verödeten Land, auf den kargen Hügeln, und auch sie haben die Flur fruchtbar gemacht.

Gedenken wir Ihnen mit Respekt!

Quellen:

Josef Hauser Wuderscher-Chronik

Johann Eitzenhöffer: Wuderscher-Taufregister

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