Von Georg Krix
Weißt du, wo die… nein, diesmal nicht wo (wie im Schlager) die Blumen sind. Sondern, wie im Sonntagsblatt Herr Guth die Frage stellt: …wo die ungarndeutsche Öffentlichkeit bleibt. Wirklich, wo ist, wo bleibt sie? Guth fragt sich dann selber noch mit zweifelnder Stimme: Gibt es diese Öffentlichkeit überhaupt? Nun, sicherlich gibt es die Öffentlichkeit. Ob sie deutsch oder ungarndeutsch, oder eben ’irgendwie’ ist? Darauf ist es schwer die richtige Antwort zu finden.
Herr Jenő Kaltenbach wähnt in seinem unlängst im Sonntagsblatt erschienenen Beitrag „Identitäten” die ungarndeutsche Öffentlichkeit in der NEUEN ZEITUNG suchen zu müssen, doch – meint er – darin ist sie nicht zu finden. Diese Feststellung wollte er dann mit seinem nächsten Beitrag „Inseldasein“ wiederholt bestätigen bzw. bekräftigen damit, dass sie auch im Sonntagsblatt nicht erscheint – wobei er diesmal gezielt das Fehlen der dicken Tages(partei)politik bemängelt. Die Frage ist erstanden, weil auf Beiträge (Interviews, Berichte, Meinungen) des Sonntagsblattes – allgemein – keine Lesermeinungen, Kommentare, Bemerkungen eingehen, wobei doch in vielen Fällen eben derartige Reaktionen die eine oder andere Frage/Feststellung auf positive oder eben negative Weise klären – befürworten oder ablehnen oder eben ergänzen – könnte, ja sogar sollte. Denn, nur wenn man miteinander redet, ob nun mündlich oder schriftlich, kann man sich gegenseitig verstehen, kann man womöglich auf einen gemeinsamen Nenner kommen.
Zusammengefasst: Es ist wünschenswert, dass Landsleute, in diesem Falle unsere Leser, kommentieren, debattieren, Meinung äußern, um den ins Stocken geratenen ungarndeutschen Wagen in Bewegung zu bringen, die sich auf Krebsgang befindliche ungarndeutsche Volksgruppe in zukunftsverheißende Spur einzuschwenken.
Denn, wieder Herr Kaltenbachs Feststellung ins Auge fassend: Die in der Budapester Júlia utca regierende Deutsche (Sich)Selbstverwaltung und die daneben agierende altersschwache Neue Zeitung verkörpern nicht die ungarndeutsche Öffentlichkeit. Es gibt sie eben, als Paradepferd für die ungarische Nationalitätenpolitik. Dass diese Nationalitäten bereits eingegangen sind oder doch noch in Todeskrämpfen zappeln, bemerken Außenstehende nicht, weil ja diese vor ihrer Gruft stehenden noch lebenden „nemzetiségi” – Menschen(leichen) volle Zufriedenheit ausstrahlen, d.h. so tun, als wäre alles in bester Ordnung, schließlich tanzen und singen wir ja noch…
Nun zurück zu den einleitenden Zeilen meines Kommentars. Herr Guth begibt sich auf die Suche nach der ungarndeutschen Öffentlichkeit… – wobei, so gegen Ende seines Artikels, er diese doch bereits schon als gefunden glaubt mit der Feststellung: „Unsere Leser, die ich erreichen konnte, äußerten Lob und Kritik gleichermaßen, zeigten aber, dass es diese ungarndeutsche Öffentlichkeit doch gibt. In diesem Zusammenhang waren besonders die Gespräche mit den Vertretern der deutschen Selbstverwaltungen lehrreich, denn es wurde gleich mit vielen Befürchtungen und Vermutungen aufgeräumt: Das Sonntagsblatt kommt an und wird gelesen…” Da sehe ich meine seit Jahrzehnten oftmals wiederholte Meinung/Mahnung als bestätigt: In Sachen Jakob Bleyer Gemeinschaft und Sonntagsblatt kommen wir nur vorwärts, wenn wir landesweit (und auch darüber hinaus) gute persönliche Kontakte ausbauen und pflegen. Unsere Landsleute, die Alten und leider sogar auch die Nachkommen in der bereits vierten Generation, tragen in ihren Genen immer noch die Auswirkungen der Schrecken und Leiden der Nachkriegsgeschehnisse, als die Parole galt: Nur nicht denken und nicht reden, Maul halten, roboten und brav dienen…
Guth hat es also gut gemacht. Er hat die Personen der uns (der Redaktion) bekannten Namen kontaktiert. Dies kann nun Ausgangspunkt einer arbeitsreichen Fortsetzung sein, d.h. „am Mann bleiben”. Wer am Telefon sich getraute eine Meinung zu äußern, ob Lob oder Kritik, möge in Zukunft sich auch Mut nehmen ein paar Zeilen für das Sonntagsblatt zu schreiben und damit weitere Landsleute zum Reagieren anregen. Ob diese Landsleute damit eine Multiplikatorrolle einnehmen? Jedenfalls zeigen sie Beispiel. Und gute Beispiele werden gerne nachgeahmt. Die besten Beispiele könnte man natürlich von Amtsträgern unseres Vereins und überhaupt der Vereine erwarten. Wir wollen dabei nicht vergessen, dass es auch ungarndeutsche Bildungseinrichtungen gibt, mit wohlbekannten und sogar hochdekorierten Führungskräften, von welchen man erwarten dürfte, dass sie ihr Wissen und Können auch außerhalb der Amtsräume zum Wohle der gesamten Volksgrupe einsetzen mögen, mit anderen Worten, dass sie „zur Feder greifen” und ihre ermutigende/lehrreiche oder kritische Stimme in den ach so kärglichen ungarndeutschen Medien erschallen lassen.
Ich nehme an, Herr Guth hat sich seine Gesprächspartner bei seinem telefonischen Landesausflug gut gemerkt und könnte einige davon wieder mal aufsuchen/ansprechen. Ja, man könnte, eigentlich man müsste redebegabte, am und für das Ungarndeutschtum interessierte Menschen zu einem Meinungsaustausch, einem „Rundtischgespräch” einladen. Ich höre schon „aber das bedeutet Kosten”. Ja, alles in diesem Leben ist mit Kosten verbunden. Aber es gibt auch das Wort „Opfer”. Opfer für eine gute Sache. Unsere (geizigen?) Schwaben haben vor dem Krieg kein Opfer gescheut, wenn es um die deutsche Sache ging. Dazu kann ich unzählige Beispiele nennen. Reisespesen, Verköstigung, Geschenke, Spenden, Frontpakete u.a. aus eigener Tasche! Heute kann nur dann etwas geschehen, wenn Vater Staat dazu Geld hergibt. Dafür gibt es auch ein Sprichwort: Was mich selber nichts kostet, ist auch nur so viel wert. Aber Vater Staat gibt ja auch Geld. Freilich nie genug. Wofür? Und das Ergebnis? – Na, darüber ein anderes Mal.
x Was mich selber angeht. Ich hatte und habe immer eine Meinung und schreibe diese oftmals nieder. Nur so für mich. Warum? Denn umsonst bringe ich die eine oder andere Meinung als Kommentar im Sonntagsblatt, es folgt keine Reaktion darauf. So wird man der Sache müde. Nicht so auf Facebook. Da kriegt man eher eins aufs Brot gschmiert – nur – leider – oft zu primitiv.
x Unlängst gabs auf Sonntagsblatt/Facebook den Beitrag von Jenő Kaltenbach „Identitäten”. Dazu habe ich mir nur Folgendes notiert: Warum gibt es keinen Kommentar zu obigem Beitrag? Eine Antwort/Erklärung gibt darauf der Autor des Beitrags, Herr Kaltenbach, selber: „…Es gibt tagtäglich eine ganze Reihe von Themen, die auch für die Ungarndeutschen diskussionswürdig wären, dazu fehlt es aber an Sachwissen, Organisation, Interesse, Wille usw., obwohl selbst die sich anbietenden Möglichkeiten nicht genutzt werden.” Meine Zugabe: Parteipolitik, Liberalismus, Illiberalismus, Orbán u. dgl. m. ist Sache jedes Einzelnen (Ungarndeutschen), damit sollen sich nicht Landesselbstverwaltung, Herr Ritter, Sonntagsblatt, NZ etc. befassen. Allgemein schreibt Herr Kaltenbach ja über Probleme der ungarndeutschen Nationalität oder eben der Nationalitäten allgemein. Dazu verfügt er über gutes Basiswissen und eine gute Übersicht. Da kann ich ihn gut verstehen und registriere volle Hochachtung. Diesmal bin ich in Verlegenheit. Schon mit der Überschrift „Identitäten” weiß ich nichts anzufangen bzw. wie und wo ich diese im Beitrag wiederfinde.
x Es irritiert mich obiger Beitrag von Herrn Sawa, der auch in SB 2/2020 gedruckt erschienen ist: Suchen wir nach der Realität – oder holt sie uns ein? Da hat Herr Sawa die Latte hoch gestellt. Ich fühle mich überfordert, wage also nicht den Sprung. Naja, bei der Hitze! Denn, man könnte da wahrscheinlich noch allerhand ergänzen, aber vorerst ist mir unklar, wie es mit der Realität gemeint ist. Warum sollen wir sie suchen, wir leben sie doch. Ich verstehe unter Realität das Vorhandene, das Gelebte. Warum soll sie uns einholen? – oder gar überholen? Schließlich sind doch wir selber Gestalter, Verwirklicher der Realität. Oder irre ich? Da hatte ich schon so manche Debatte mit ungarndeutschen Würdenträgern, wenn sie mir auf meine Kritik – z.B. warum geschieht die Korrespondenz an und unter ungarndeutschen Selbstverwaltungen/Organisationen in ungarischer Sprache? – mit der Antwort kamen, ’weil es die Realität so erfordert’. Ja, ist das wirklich realistisch, wenn wir als (Ungarn)Deutsche von einer Wiederbelebung der deutschen Muttersprache reden und dabei ungarisch korrespondieren (und auch konversieren)? Da könnte ich jetzt sagen, dass die von Herrn Sawa erwähnten Schilderungen des Kuttenmannes Winkler, betreffend die Lebensführung der ungarländischen Schwaben realistisch sind, d.h. vor 200 Jahren (als diese niedergeschrieben wurden) der damaligen Realität entsprachen. Als z. B. auch mein Urgroßvater 15 Kinder in die Welt setzte. Und die Realitäten nach dem Zweiten Weltkrieg? – da könnte ich auch ein Lied über die Gaunereien der Kleinlandwirtepartei – für die sich einst unsere Familie persönlich eingesetzt hatte – singen. Zutreffend und hart klingen die letzten Zeilen des Beitrags: „Ich muss sagen, ich sah in der Wende eine Chance gekommen, richtig neu zu beginnen und uns mitsamt unserer Organisationen neu zu definieren, uns endlich landesweit in Sprache und Kultur als Interessengefüge zusammenzuhalten. Diese Gemeinschaft ist aber nicht entstanden. Stattdessen sind wir diszipliniert und wohlerzogen. Taktisch aufgefahren und lassen uns immer nach Sinn und Zweck in Szene bringen. Historisch gesehen, denke ich, dass diese Situation, in die wir uns einmünden ließen, keine genießbaren Früchte mehr tragen wird. Jedenfalls nicht für uns…“ Hm, traurig aber war. Dazu kann ich mit Kaiser und König Franz Josef nur (etwas abgeändert) sagen: Das parteineutrale SONNTAGSBLATT LESEN UND WEITER DIENEN – wenigstens offen (pateineutrale) Meinung sagen! (Bemerkung: Kaiser und König Franz Josef soll gesagt haben: Maul halten und weiter dienen! In der Nachkriegszeit hat man diese Aussage abgeändert auf: Maul halten und weiter verdienen. Also: IMMER REALITÄT, DER ZEIT ANGEPASST.
Zum Schluß will ich mich noch von der Insel unseres Daseins (oder eben Nicht-Daseins?) melden. Denn, Herr Kaltenbach hat uns unlängst (im Sonntagsblatt) ein Inseldasein vorgeworfen. Er wollte damit zum Ausdruck bringen, dass in ungarndeutschen Medien „nicht politisiert“ wird und somit unsere Leute, die Ungarndeutschen, nicht informiert sind/werden, was sich in der Welt- und Landespolitik – natürlich mit parteipolitischen Augen gesehen – zuträgt. Ja, die Parteipolitik, parteipolitische Stellungnahme (!) fehlt ihm, was ja aus einigen seiner im Artikel dargebotenen Bemerkungen hervorgeht. So z.B. meint er: „…Es ist auch relevant für uns, ob die Politik unseres Landes einen demokratisch gewählten Präsidenten des mächtigsten Landes der Welt unterstützt oder seinen Vorgänger, einen Berufslügner, Fake News-Verbreiter, dessen Regierungszeit einiges in der Welt verbrochen hat, die Einheit der westlichen Demokratien untergraben hat…” oder: „…wo das Land sich zur Familie der westlichen Demokratien, zu Werten der EU bekennt oder sich Schritt für Schritt abspaltet und sich in Richtung Osten mit ihren Diktaturen bewegt…” oder: „…Es ist in unserem existenziellen Interesse, dass unser Heimatland gemeinsam mit unserer alten Heimat einen gemeinsamen Weg geht…” Darauf wagte ich, ohne in Einzelheiten zu gehen, meine gebündelte Meinung zu sagen: „…Herr Kaltenbach! In der Satzung der Jakob Bleyer Gemeinschaft als Kulturverein steht eine Erklärung, wonach der Verein keinerlei parteipolitische Tätigkeit betreibt und keine politische Partei unterstützt… Nachdem das Sonntagsblatt das Sprachrohr des Vereins ist…” Unser gute Jenő hat mich dann in der Hitze unserer Debatte – sozusagen – der Unwissenheit und Naivität bezichtigt und meinte: „…Gerade Jakob Bleyer, auf den du dich berufst, ist dafür ein gutes Beispiel. Er ist zwar gescheitert, aber die Zeiten haben sich seitdem geändert. Heute könnte man eine Eigenständigkeit durchaus wagen…” Dazu muss ich nun Jenő raten, doch endlich Geschichte, in diesem Fall betreffend Bleyer und Sonntagsblatt, zu studieren. In der Bleyer- Biographie ist u.a. zur „Politik” des Sonntagsblattes zu lesen: Auch im Sonntagsblatt machen wir keine eigene Politik, sondern unser ganzes Bestreben ist einzig und allein darauf gerichtet, unser schwäbisches Volk auf die Bahn reiner, christlicher Sitten, treuer Liebe zum angestammten Vaterland und zum angeborenen Volkstum zu leiten und zu fördern… – Was die Stellungnahme zu algemeinen politischen Ereignissen betraf, so hielt sich das Blatt im Fahrwasser der Regierungspartei…, darüber hinaus stand es natürlich dem Deutschtum im Reich, in Österreich und in den Nachfolgestaaten freundlich gegenüber… – beschäftigte sich eingehend mit allen Fragen des nationalen Minderheitenwesens… Obwohl das damalige Sonntagsblatt das Sprachrohr des Ungarländischen Deutschen Volksbildungsvereins war, so galt es offziell dennoch nicht als dessen „Organ”, weil es im Gegensatz zum VDU, der von der Regierung unterstützt wurde, finanziell unabhängig blieb. Herr Kaltenbach hatte auch eine Bemerkung, wonach „die Zeiten ändern sich”, womit er eigentlich Recht hat, aber auch nicht. Ich denke dabei an seinen oben schon erwähnten Wunsch „…dass unser Heimatland gemeinsam mit unserer alten Heimat einen gemeinsamen Weg geht…”. Hm – das dürfte schwierig sein. Lebt doch diese alte Heimat in unserem Herzen mit einem Glorienschein, wobei wir aber heute hören und lesen müssen „Stolz auf Deutschlande gibt es nicht” oder „Deutschland verecke!” Und wenn ich dann an das Fortbestehen unserer deutschen Volksgruppe in Ungarn denke, muss ich auch wieder auf die Worte Jakob Bleyers zurückkommen: „Auch mich beschleichen oft Zweifel, ob der Kampf, der für mich Lebenskampf geworden ist, zum Sieg führen wird oder nicht. Soweit sein Ausgang von den ungarischen Chauvinisten abhängt, ist er natürlich hoffnungslos. Diese haben sich seit dem (Bemerkung: Ersten) Weltkrieg gar nicht geändert, sie sind höchstens noch unduldsamer geworden, als es vor dem Weltkrieg der Fall war. Der Kampf wird aber schließlich von der Stellungnahme des Deutschtums entschieden. Natürlich nicht des ungarländischen Deutschtums, das machtlos und eingeschüchtert ist, sondern des großen Deutschtums. Verhält sich dieses dem bedrohten Auslandsdeutschtum gegenüber so teilnahmslos und gleichgültig wie vor dem Weltkrieg, dann ist das ungarländische Deutschtum unentrinnbar dem Untergang geweiht, und dann war mein Leben ein großer Irrtum. Ist es aber entschlossen, sich für die Volksgenossen außerhalb des großen deutschen Sprachgebietes unbeirrbar bis zum Ende einzusetzen, so wird sein Wille unbedingt und endgültig durchdringen!” Merkwürdig ist dieses Inseldasein! Bestimmt haben viele unserer Landsleute diesen Artikel im Sonntagsblatt gelesen. Und wahrscheinlich auch das angeschlossene Zwiegespräch Kaltenbach – Krix. Aber in der Debatte mitmachen? Meinung äußern? Na, das nicht. Merkwürdig? Nein. Für Unseraaner ist es allasaans.