Von Prof. Dr. Zoltán Tefner
Teil 1
Kötsching, auf Ungarisch Kötcse, alte, mittelalterliche Ortsnamenform Kechce oder Kékcse, bedeutet so was, wie „das kleine Blaue”. Ein Fels hätte es auch sein können, aber in dieser Gegend findet man selten Felse, überhaupt steinige Hügel, Berge. Alles ist aus Löss oder Lehm aufgebaut. Seit wann leben in Kötsching Donauschwaben? „Als Besiedlungsdatum Kötschings wird in einem wichtigen Dokument des örtlichen, evangelischen Kirchenarchivs der 11. April 1730 festgelegt”, lesen wir in der im Jahre 1996 ausgegebenen Dorfmonographie des Dorfes. Mit den Daten stimmt aber Manches nicht, in erster Linie stoßen wir auf die Frage der Authentizität. Nachdem diese namhafte Schrift später, am 17. Mai 1814, entstanden war und vom evangelischen Priester János Laky anlässlich des Besuchs des damaligen Superintendanten János Kis und des Superintendant-Archivarius István Hrabovszky verfasst wurde. Dass Kirchenvorsteher ihre Herde regelmäßig besuchten, war üblich, wie auch heute. Üblich war anlässlich dieser „canonica visitatio” ein Vorbereitungsmaterial anzufertigen, ihr ist es zu verdanken, dass uns sowohl kirchen- als auch siedlungsgeschichtliche Angaben zur Verfügung stehen. Nicht so stehen die Dinge aber, wie sie in diesen Schriften präsentiert sind.
In dem ersten Abschnitt in Lakys Schrift schreibt Laky über die Ereignisse der Dorfbesiedlung und die Gründung der Kirchengemeinde. „1. Es nahm am 11. Tag im April des Jahres 1730 seinen Anfang, Als die Lutheraner aus dem Imperium Kötsching-Pußta besetzten, genehmigt laut eines Patents Kaiser Karl VI.” Der Bericht listet 47 deutsche Familiennamen nach ihrer konfessionellen Zugehörigkeit auf, also evangelische und reformierte Deutsche. Vor dieser Aufzählung finden sich noch zwei kürzere Listen, die die Familiennamen und Vornamen der katholischen („Papisten”) und der reformierten („Kalvinisten”) Ungarn (Madjaren) enthalten. Es geht eindeutig hervor, dass das Siedlungsgebiet, ehemals nur eine Pußta, von Magyaren bewohnt hatten. Die Schwierigkeiten nahmen ihren Anfang damit, dass diese Akte nicht die Originalakte ist, sondern eine Überlieferung, die 84 Jahre später entstand. 84 Jahre sind nach dem obigen Besiedlungsdatum vorbeigegangen, „[…] demzufolge kommt der so erhobene demographische Zustand des Dorfes wohl nicht richtig zum Ausdruck, denn viele Namen, vor allem aber die Vornamen, stimmen oft nicht mit jenen überein, die spätere Dokumente überliefern. Wir nehmen an, daß Laky die Angaben auf Weisung von Kis und Hrabovszky vor ihrem Besuch eilig vorbereitete, und nur die ältesten Mitglieder der Kirchengemeinde zu Person und Identität der ersten Ursiedler befragte Diese Liste sei trotz aller kritischen Einwände hier vorgelegt”, lesen wir in der Dorfmonographie.
Wit zitieren hiermit die Originalurkunde aufgrund der Forschungen von Zoltán Tefner, Verfasser dieses bescheidenen, kurzen Artikels. Natürlich mit der heute schon seltsam auswirkenden Ortographie (es ist zu bemerken: zu dieser Zeit war ein einheitlicher ortographischer Kanon noch nicht vorhanden. „Pápisták, úgy mint: Beretz Pál Bertsik István Igali Mihály Molnár Ferentz Gulás Pál. Kálvinisták, név szerint Bor Ferentz, Domos Mihály, Fonyó János, Fonyó István, Juhász István, Járfás Péter, Kántások János, Ferentz, György, Kováts István felső, Kováts István alsó, Pap István. Lutheránusok Németek Auman Gáspár, Auman János, Becker Bódi, Berner András, Bruder János György, Bruder József, Fleick János, Gáspári Friedrich, Gebel Heinrich, Gerber[Kerber?] János Henrik, Gutman öreg, Haas Hieronimus, Haas János, Herrling Henrik, Hörner Friedrich, Juhe Henrich, Kerber János, Knoch Jakab, Kruts János, Kurtz Miklós, Landeck István, Lösch Jakab, Lux János György, Lux György Henrik, Miller György, Pummer Jakab, Reichert Hermann, Reichert Adam, Roos Jakab Roth Adam, Roth Jakab, Schupp Friedrich, Stark Konrád, Tekman József, Tefner Konrád, Fidrik János, Fidrik Konrád, Fidrik Mukti, Till György, Trimmel Máttyás, Ubrik Pál, Weisz József, Werbach Gottfried, Wiand György, Wiand Jakab, Wiand János. Kálvinisták Németek Felde Ádám, Felde Henrik, Felde Wilhelm, Ferber János, Ferber Kilián, Ferber Márton, Wegman János.”
Hierzu erübrigt sich zweier Ergänzungen. Erstens: Das Gebiet war mit Abstand nicht leer. Obwohl die Türken 1686 nach ihrem Auszug eine leere, mit Gebüsch und Wald durchwachsene, hügelige Landschaft hinterlassen hatten, war Kötsching 1730 gar keine menschenleere Wüste, also die Tätigkeit nach der Ansiedlung dessen galt gar nicht als eine „Pionierarbeit”. Und zweitens, wenn wir die demographischen Verhältnisse des damaligen Ungarn in Betracht ziehen, „[…] dann wäre die Anzahl der ungarischen (madjarischen) Familien (17) gar nicht so niedrig, angenommen natürlich, daß all diese Familien im Jahre 1730 tatsächlich im Gebiet des Dorfes anwesend gewesen waren. Die Anzahl der deutschen Familien (47) wäre sogar ausgesprochen hoch, wenn diese Menschenmenge auf einmal, an einem einzigen Tag, nämlich am 11. April 1730 in die Pußta im Hügelland geströmt wäre. Um ein getreues Bild über die demographischen, wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse der Zeit zu bekommen, müssen wir diese Umstände gründlicher analysieren”, schreibt der Autor, Zoltán Tefner, im Kapitel über die Kolonisationsgeschichte.
Dem Dombóer Kreis der Fünfkirchner Präfektur gehörten um 1687 etwa 150 Gemeinden an. Nach 1686, im Jahr der Rückeroberung der Ofner Festung von den Türken, dauerte es noch drei Jahre, bis das gesamte Gebiet der Schomodei befreit werden konnte. Der Bezirk wurde bis dahin fast zur Gänze verwüstet, die Bevölkerung floh aus ihren Dörfern oder kam infolge der Metzeleien türkischer Marodeurtruppen ums Leben. Es gab auch welche, die in das Gebiet der Ungarischen Tiefebene flohen, wo sie in der Umgebung von Kecskemét eine verhältnismäßig sichere Unterkunft fanden. Die verlassenen Ackerfelder konnte niemand bestellen, außer einigen kaiserlichen Söldnern, die in Transdanubien an den Feldzügen gegen die Türken teilnahmen, wodurch der Lebensmittelnachschub für einen eventuellen Feldzug im darauffolgenden Frühling gesichert wurde.
Im Jahre 1687 finden wir folgende, bevölkerungsmäßig stark dezimierte Dörfer in der Umgebung Kötschings: Látrány, Rád, Csepely Túr, Szemes, Őszod, Szárszó Szólád, Kőröshegy, Kereki, Bálványos, Kapoly, wo stets nur einige wenige Häuser (1-6) anzutreffen waren, wodurch die Siedlungen keinen wesentlichen Unterschied zu Kötcse-Pußta aufwiesen, wo zu jener Zeit, laut einer oft zitierten Stiftkonskription, insgesamt nur drei Häuser standen.
Die Lage verbesserte sich allerdings bis 1695 und in einigen Orten verdoppelte sich sogar die Anzahl der Familien. In Szárszó zählte man 13, in Csepel 12, in Szólád 15 und in Teleki 5 Haushalte. Die Sicherheit der Lebensumstände verbesserte sich ebenfalls und mit ihr stieg die Zahl der fest ansässigen Bewohner, auf deren Namen bzw. Nachkommen man auch heute noch in diesen Gemeinden stößt, wie z. B. in Csepel auf die Familien Tóth, Elek, Szabó, in Szólád auf Lőrincz, Bodó, Tar, Varga und in Teleki auf die Familien Cseh und Turzó. Die Population in diesen Dörfern ist zwar eine vollkommen ungarische (madjarische), doch nur in Karád finden wir keinen einzigen südslawischen, türkischen oder deutschen Namen. Nach 1710 setzte in Szólád eine enorme Entwicklung ein. 1715 produzierte der Ort an Weizen, Gerste, Dinkel und Hirse doppelt so viel wie Szárszó und fast das Fünffache der Erntemenge von Szemes. Die Weinproduktion stand an zweiter Stelle im Komitat und überholte damit sogar bevölkerungstärkere Siedlungen.
Ab 1715 müssen erneut Siedler in drei Gemeinden der unmittelbaren Umgebung von Kötsching angekommen sein, denn bis zu diesem Zeitpunkt lässt sich eine neue Ahnenlinie jetziger Ortsbewohner zurückverfolgen. Namen etwa wie Mónos, Ürögi, Kis, Parragh, Bekes, Borhi, Koczola und Szűcs. In einer Csepeler Getreideliste aus dem Jahre 1728 stoßen wir auf 35 Namen, und obwohl sie nicht alle Grundbauern sind – auch die Kleinhäusler sind hier eingetragen worden –, können wir hier trotzdem von einer Ortschaft mit einer hohen Bevölkerungszahl sprechen. In dieser Liste tauchen noch heute bekannte Namen auf wie Tűrős, Fonyó, Tenta, Vidóczky, Molnár, Pintér und Pap.
Die oben angeführten Listen lassen vermuten, dass die überaus schnelle Errichtung von immerhin 47 Haushalten unter den knappen materiellen Verhältnissen schier unüberwindliche Schwierigkeiten bereitet haben musste, denn viele der benachbarten ungarischen Gemeinden weisen einen wesentlich langsameren, ca. 20-30 jährigen Aufbauprozess auf. Die nächsten noch eingehender zu behandelnden Datenquellen verstärken diese Annahme. Fortsetzung folgt