Nach hohen Wellen noch keine Seeruhe eingekehrt

    Nach deutschsprachiger Bárány-Videobotschaft bleibt weiterhin fraglich, ob verlorenes Vertrauen zurückgewonnen werden kann

Von Richard Guth

Hohe Wellen schlugen heimlich aufgenommene Worte des sozialistischen Kommunalpolitikers Balázs Bárány aus Schaumar/Solymár, die dem regierungsnahen Fernsehsender „Hír TV” zugespielt wurden – diese bezogen sich auf den ungarndeutschen Bürgermeister der Großgemeinde, Koloman Szente. Bárány nannte darin Szente „einen degenerierten, alteingesessenen schwäbischen, homophoben, juden-feindlichen, xenophoben Romahasser, ein richtiges faschistisches Arschloch”.

Bárány bezeichnete gegenüber Sonntagsblatt eine Woche nach der Veröffentlichung der Tonaufnahme das Festhalten und die Weitergabe seiner Worte als eine Aktion, die ihn in der Öffentlichkeit diskreditieren sollte. Nach seinen Erinnerungen ging es um ein „nichtöffentliches, gar privates” Treffen mit einem kleinen Kreis von Teilnehmern, wo es um eine Auswertung der Kommunalwahlergebnisse Herbst 2019 ging (Bárány wurde in einer vom Fidesz dominierten Gemeinde direkt gewählt). Die Diskussion, so das Vorstandsmitglied der Sozialisten, sei hitzig gewesen und dann sei dieser Satz gefallen, was der junge Kommunalpolitiker im Nachhinein zutiefst bereue. Bárány wollte nach eigenem Bekunden die gravierenden ideologischen, weltanschaulichen Unterschiede zwischen Bürgermeister Szente und ihm zum Ausdruck bringen, was aber in der Vergangenheit keinerlei Probleme bei der Zusammenarbeit auf kommunaler Ebene verursacht hätte, was der zugezogene, madjarische und reformiert-calvinistische Bárány als konstruktiv bezeichnet. Dies hätte sich auch im Kommunalwahlkampf vor einem Jahr gezeigt: „Es herrschte ein Klima, das von respektvollem Umgang ohne Negativkampagne gezeichnet war”, so der MSZP-Politiker. Auch ein Duell der Kandidaten, selten geworden in Ungarn, fand zwischen den Bürgermeisterkandidaten statt. Diesen Geist wolle Bárány weitertragen, denn alles Andere stehe nicht im Interesse von Schaumar.

Balázs Bárány steht dazu, den Bürgermeister mit seinen Worten womöglich beleidigt zu haben, aber betont, dass er das Schwabentum nicht beleidigen wollte – dem widersprächen seine öffentlichen Äußerungen im Wahlkampf und seine Verbundenheit mit dem Bundesland Baden-Württemberg, einem der Herkunftsländer der deutschen Minderheit in Ungarn. Seine Worte führt Bárány auf „persönliche Frustration” zurück, die sich in den vergangenen zehn Jahren aufgestaut hätte, wo der politische Gegner der Opposition ständig unterstellen würde, im Sold von Brüssel und des amerikanisch-jüdischen Milliardärs George Soros zu stehen, keine nationale Identität zu haben und einfach nur Vaterlandsverräter zu sein. Es hätten in der Vergangenheit (wie dem Sonntagsblatt auch andere Quellen bestätigten) zwar öffentliche und nichtöffentliche Äußerungen des Bürgermeisters gegeben, die er nicht teilen würde, aber man müsste es nicht in diesem Rahmen thematisieren. Auch vor dem Hintergrund der sechsjährigen erfolgreichen Zusammenarbeit, die Bárány nach eigenem Bekunden gerne fortsetzen möchte, möchte er sich auf Einzelheiten nicht einlassen. „Ich bin nicht perfekt, aber wer ist es schon?”, resümmiert der Kommunalpolitiker.

„Ich wollte im Besonderen nicht auf die Videobotschaft des Gemeinderates reagieren, aber wenn ich gefragt werde, kann ich nur sagen, dass ich erschüttert bin, dass der Herr Stadtrat seine Erklärung dergestalt abgegeben hat, dass er dabei die rechtsgerichtete (regierungsfreundliche, R. G.) Presse bewertete. Dies erscheint vor allem im Lichte dessen als problematisch, welch dreckige Charaktermorde die linksliberale Presse, die jahrzehntelang eine quasi Monopolstellung innehatte, begangen hatte. Andererseits versucht der Gemeinderat, das Unerklärliche zu erklären”, reagierte Bürgermeister Koloman Szente auf die Videobotschaft des Gemeinderates gegenüber Sonntagsblatt. Nach eigenem Bekunden überraschte ihn die Tonaufnahme und die darin enthaltenen Worte von Bárány, aber wie er sagt, „mit 57 Jahren und 18 Jahren in kommunaler Verantwortung habe ich wieder was dazugerlernt”. Bezüglich der Hoffnung Báránys auf die Fortführung der erfolgreichen Zusammenarbeit könne sich Szente im Moment nicht vorstellen, wie das gehen soll. „Eins ist sicher, wenn ich was Ähnliches getan hätte, dann würde man sogar in New York Times meinen Rücktritt fordern”, so der Fidesz-Bürgermeister von Schaumar, der Parteimitglied der ersten Stunde ist. Auf die inhaltlichen Ebene der Worte Báránys wollte sich der Bürgermeister gegenüber dem Sonntagsblatt auch nicht einlassen: „Soll ich jetzt unter Beweis stellen, dass ich kein Romahasser bin?! Zum Beispiel mit dem Fakt, dass eine enge Mitarbeiterin von mir zur Hälfte Zigeunerin ist?! Ich will mich darauf nicht einlassen, denn man kann dabei nur verlieren.”

Die Presseerklärungen beider Beteiligter stießen in den vergangenen zwei Wochen auf unterschiedliche Reaktionen, wobei die große Mehrheit der Kommentatoren die Worte Báránys scharf verurteilten und als verletzend für die deutsche Nationalität insgesamt bezeichneten. Andere wiederum zollten Bárány Respekt für seine Entschuldigung und betonten, dass die Kritik Báránys der Person Szentes gegolten hätte und nicht der deutschen Minderheit insgesamt. Andere (wie auch eine Sonntagsblatt-Quelle) forderten offen den Rückzug des Gemeinderates aus der Schaumarer Öffentlichkeit und sprachen von einem irreparablen Vertrauensbruch. Dabei zeigten sich erneut die vielfach beschriebenen scharfen Risse entlang politischer Heimate in der Bevölkerung. Ob die Zeit Wunden heilen wird, wird sich zeigen. Ein einfaches Wellenbrechen wird es keinesfalls sein.

Bild: flickr,.com / novofotoo

 

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