Der katholische Pfarrer Robert Szauter aus Nadwar/Nemesnádudvar im SB-Weihnachtsgespräch
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SB: Herr Pfarrer, Sie sind in einer ungarndeutschen Gemeinde, in Hajosch, aufgewachsen. Welchen Einfluss hatte Ihr ungarndeutsches Elternhaus bei der Entscheidung Priester zu werden?
RSZ: Meine Familie hat mich zu diesem Weg weder gezwungen noch davon abgeraten. Sie haben meine Entscheidung einfach angenommen und mich stets unterstützt, egal, wie ich mein Leben ausgerichtet haben wollte. Ich denke, das ist auch gut so.
Ich rede nicht gerne über meine priesterliche Berufung, denn es ist ein Mysterium, also Geheimnis. Nicht weil es niemand wissen darf, sondern im Sinne, dass man es nicht ganz fassen kann. Wie könnte man einem Blinden sagen, wie die Farben aussehen? Und wie könnte man einem Tauben erzählen, was für eine Schönheit in der Musik steht. Wie könnte man also, besonders für Nichtgläubige, erklären, was es bedeutet von Gott berührt und von Ihm angezogen zu sein? Für Alltagsmenschen ist das schwierig zu verstehen. Für uns aber, die wir von Gott auserwählt und von Ihm berufen sind, ist das religiöse Leben ganz natürlich und wir verspüren in der Kirche, bei der Teilnahme an der Liturgie, im Gebet oder im Dienst des Herrn das Gefühl verborgen und völlig glücklich zu sein.
SB: Wie haben Sie das religiöse Leben in Ihrem Heimatdorf als Jugendlicher erlebt? Spielte dabei die deutsche Sprache eine Rolle?
RSZ: Ich denke, ich war ein Bub gleich wie die anderen. Als Säugling wurde ich getauft und habe von der ersten Klasse an – wie auch die Mehrheit unserer Klasse – am Religionsunterricht teilgenommen. Das hat mir auch nicht immer Spaß gemacht. Wie ich mich erinnere, bin ich nicht immer still und schön brav gewesen und deshalb ist es auch vorgekommen, dass ich unseren Pfarrern geärgert habe und in dessen Folge ich mit Ohrenfeigen „belohnt“ wurde, die ich auch verdient habe.
Während meiner Grundschulzeit haben sich vier oder sogar fünf Pfarrer abgelöst. Einige habe ich mehr gemocht, andere weniger, deshalb habe ich auch mit unterschiedlicher Intensität die Sonntagsmessen besucht. In jener Zeit wollte ich noch längst kein Pfarrer werden, doch das religiöse Leben, die traditionellen christlichen Sitten und Bräuche, besonders die Wallfahrten, haben mich schon damals fasziniert. In der 8. Klasse wurde ich gefirmt und wie es üblich ist bei Jugendlichen, ich habe selber mit dem religiösen Leben Schluss gemacht.
Der große Wandel kam erst als Gymnasiast. Spiritualität und Philosophie haben mich angezogen und demnach habe ich nach den großen Fragen des Lebens geforscht. Ich kaufte mir eine Bibel und fing an sie zu lesen. So hat mich die Religion immer mehr fasziniert, und ich fing wieder an jeden Sonntag die Heilige Messe zu besuchen. Damals wurden sonntags in Hajosch noch zwei Messen zelebriert, eine auf Ungarisch und das Hochamt auf Deutsch. Da die deutsche Messe etwas später gelesen wurde und ich etwas ausschlafen wollte, so ging ich gerne zum deutschen Amt. Besonders die deutschen Kirchenlieder haben mir sehr gefallen.
SB: Sie sprechen ausgezeichnet Deutsch. Wo haben Sie die Sprache erlernt und welchen Anteil hatte daran Ihr Aufenthalt in Deutschland in einem Männerorden?
RSZ: Danke fürs Kompliment, aber wenn ich ehrlich sein will, und warum auch nicht, dann muss ich gestehen, dass es ein ausgezeichnetes Deutsch bei mir nicht der Fall ist, denn ich spreche und schreibe mit mehr oder weniger schweren grammatischen Fehlern. Leider benutze ich die deutsche Sprache immer weniger und so wird man in der Sprache langsam schüchtern. Manchmal mischt sich bei mir auch die Mundart hinein.
Zu Hause haben meine Großeltern und überhaupt die ältere Leuten unter sich überwiegend schwäbisch geredet. Also die Mundart habe ich von zu Hause aus mitbekommen. Hochdeutsch habe ich in der Schule gelernt. Als Seminarist wurde ich in einem Sommer nach Wien geschickt, wo ich an der Uni einen Deutschkurs besuchen konnte. Schließlich haben sich meine Deutschkenntnisse in Roggenburg verfeinert, wo ich bei den Prämonstratensern ein halbes Jahr verbringen durfte. Aber wie gesagt, ich bin immer unsicherer in der deutschen Sprache, da ich mich wenig mit ihr beschäftigen kann.
SB: Sie sind Pfarrer in Nadwar – wie sehen Sie die sprachliche Situation der ungarndeutschen Katholiken in Nadwar und in anderen Dörfern des Landes?
RSZ: Meiner Meinung nach ist es mit der deutschen Sprache in den ungarndeutschen Kirchengemeinden langsam aus. Vielleicht dort, wo deutsche Touristen in größerer Zahl zu finden sind, wird in der Urlaubszeit eine deutsche Messe gefeiert.
Als letzte Bastei steht unsere Kirchengemeinde im Komitat Batsch-Kleinkumanien da, wo noch regelmäßig deutsche Messen und Andachten zelebriert und gehalten werden, aber leider mit immer weniger Besuchern. Es sind noch 4-5 Personen, die auf Deutsch bzw. in ihrer Nadwarer Mundart beichten wollen und es kommt auch regelmäßig vor, dass bei der Krankenkommunion an den Herz-Jesu-Freitagen auf Deutsch gebetet wird.
Das Einzige, was überall im Land gut funktioniert, sind die jährlich einmal gefeierten deutschen Messen in den unterschiedlichen ungarndeutschen Gemeinden, meistens an Nationalitätentagen. Ich finde es gut, trotz der Tatsache, dass wahrscheinlich ein Großteil der Teilnehmer überhaupt keine Ahnung mehr hat, worum es eigentlich geht, denn sie sind entweder nicht religiös oder sie beherrschen das Deutsche nicht mehr so gut.
Allerdings bin ich für die deutsche Messe, aber nur, wenn sie nicht als Kulturprogramm verstanden und verwendet wird. Uns Katholiken ist die Heilige Messe ein Gottesdienst, wo Gott angebetet werden soll und nicht der Mensch sich feiern darf.
SB: Ist deutschsprachige Seelsorge im Kreise der Ungarndeutschen gefragt?
RSZ: Die deutsche Sprache wird bei den kirchlichen Zeremonien eher selten verlangt. Die Generation, die das benötigen würde, nähert sich dem Aussterben. Es gibt ja immer weniger Leute, die eigentlich in die Kirche gehen. In vielen Orten haben sich die Gläubigen schon abgewöhnt, deutsch zu beten und singen. Warum? Einerseits wegen dem Einfluss der ungarischen Sprache, dann der gesunkenen Zahl der ungarndeutschen Kirchenmitglieder und wegen dem Mangel an geeigneten Priestern, die Deutsch irgendwie sprechen.
SB: Wie steht die Katholische Kirche zur Frage der muttersprachlichen Seelsorge?
RSZ: In der Kirche war, ist und bleibt wichtig die Leute über ihre Muttersprachen zu erreichen. Es kann aber vorkommen, dass dieser Wunsch irgendwie nicht erfüllt werden kann, weil kein geeigneter Priester zur Verfügung steht oder die Nachfrage sehr gering ist. Man muss aber eine Lösung dort finden, wo das sprachliche Bedürfnis echt und weit verbreitet ist. In dieser Arbeit könnten die Minderheitenselbstverwaltungen Einiges mithelfen.
SB: Die Kirche steht in Europa vor einschneidenden Veränderungen. Wo sehen Sie die Kirche in 30 Jahren?
RSZ: Das ist eine gute Frage… ich habe keine Ahnung, denn ich bin weder ein Prophet noch ein Visionär.
Ganz gewiss leben wir in religiöser Hinsicht in einer schwierigen Zeit. Viele sind gleichgültig geworden und haben sich vom religiösen Leben und von der Kirche abgewendet. In vielen Bistümern kämpfen die Bischöfe mit Priestermangel, und die Zahl der Gläubigen ist auch zurückgegangen beziehungsweise stagniert.
Deshalb wollen einige totale Veränderungen in der Katholischen Kirche und glauben, dass dies dann eine neue Blütezeit mit sich bringen würde. Es sind Sachen, die reformiert werden könnten und vielleicht auch müssten, aber das Wesentliche kann man nicht verändern, einfach weil die Kirche nicht nur ein rein menschliches Institut ist, sondern „Spielraum Gottes“, wo er da ist und durch ihr wirkt.
Es ist nicht unbedingt schlecht, dass wir weniger werden und einiges von unseren Instituten aufgeben müssen. All das ermöglicht eine Zeit der Reinigung und Klärung. Gott bleibt Herr über unsere Zukunft. Nicht die Kirche, das Evangelium Jesu Christi, die Ehe und Familie sind in der Krise, sondern der Mensch selbst, der egoistisch, gierig und oberflächlich geworden ist und mit dieser Haltung Gott einfach aus seinem eigenen Leben ins Exil verbannt. Wir sollten uns bekehren und mehr Zeit für Gott nehmen. Je mehr wir nach der Heiligkeit streben, desto mehr blüht das Leben des Einzelnen und der Kirchengemeinden auf.
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Das Gespräch führte Richard Guth. Apropos war ein Interview von Lajos Káposzta, erschienen in den Ungarndeutschen Christlichen Nachrichten, einer Beilage der Neuen Zeitung (Priester sein bei den Ungarndeutschen, Ungarndeutsche Christliche Nachrichten 675, NZ 38/2019).