Stets offen für Neues – Familienunternehmen Gabardin Meter- und Kurzwaren KG Mohatsch im Porträt

Von Richard Guth

Der Familienausflug an diesem Pfingstwochenende führte uns diesmal in eine historisch bedeutende Stadt in Südungarn. Es war ein warmer Junitag, in der Innenstadt empfängt uns geschäftiges Treiben, die Kinder kommen gerade aus der Schule und machen sich auf den Heimweg. Unser erster Weg führt zur Donau – am Ufer erblicken wir zwei Beamten von der Wasserpolizei, im Hintergrund Funksprüche: Es ist gerade anderthalb Woche her, dass über 30 südkoreanische Touristen in Budapest in den Fluten der Donau verschwanden, die Suche nach Überlebenden läuft zu diesem Zeitpunkt auch in diesem Flussabschnitt noch auf Hochtouren. Auf dem Rückweg vom Ufer in die Innenstadt fällt mir ein Firmenschild auf, mit einem Namen, der mir durchaus bekannt vorkommt: „Cégtulajdonos: Kramm György és fia” (Firmeninhaber: Georg Kramm und Sohn)”. Nichts wie hin, zumal meine Frau in der Regel ein großes Interesse an Heimtextilien und Wohnungsverschönerung zeigt. Während sie ihre Einkäufe erledigt, komme ich mit dem 62-jährigen Seniorchef ins Gespräch.

Meine Vermutung, er stamme, wie die Familie unseres Vereinsvorsitzenden und Schriftleiters, aus Großnaarad/Nagynyárád, bestätigt sich. Georg Kramm wuchs in der Branauer Gemeinde auf, die bekannt ist nach dem Blaufärberfestival (dazu ein Beitrag von Patrik Schwarcz-Kiefer in dieser Ausgabe), das jährlich stattfindet, und der Kirche, die zur Zeit der Herrschaft von Maria Theresia erbaut wurde. „In meiner Kindheit wohnten mehrere Generationen zusammen. Wir haben zu Hause deutsch gesprochen, was eine gute Basis für meinen späteren Werdegang schuf. In der Grundschule von Großnaarad hatten wir neben Deutsch- auch Russischunterricht gehabt. Meine Großeltern trugen bis zu ihrem Tod die Großnaarader Volkstracht. Mitglieder meiner Familie und nahe Verwandte haben es geschafft, nach der Vertreibung wieder heimzukommen. Unsere Nachbarn hatten oft deutsche Gäste zu Besuch – ich sehe es immer noch, wie ich am Bach, der durch das Dorf fließt, beim Spielen die Entchen bewachte, während ich die Quelle-Kataloge der deutschen Gäste durchblätterte. Ich war begeistert von den schönen Waren und den bunten Seiten”, erinnert sich der Mohatscher Unternehmer.

Nach seinen Erinnerung wurde womöglich in diesem Moment der Entschluss gefasst, den Textilberuf zu ergreifen. Nach der Ausbildung in Fünfkirchen kam Georg Kramm durch Heirat nach Mohatsch, wo er mit 25 im Warenhaus „Duna” Leiter der Meterwaren- und Heimtextilienabteilung wurde. Nach Geburt der beiden Söhne David und Martin folgten einschneidende Veränderungen im Leben der Familie – wir schreiben das Jahr 1990/91: Georg Kramm startete sein Familienunternehmen „Gabardin Meterwaren-Heimtextilien”. Auch das Geschäftslokal konnte im Zuge der Privatisierungswelle, die über das Land rollte, erworben werden. „Es war ein Traum von meiner Frau und mir, dass auf dem Firmenschild „Vater und Sohn” steht. Dies wurde erst etwas später Realität, denn unser Sohn Martin stieg ins Geschäft ein, während unser anderer Sohn David Autohändler in Budapest wurde”, berichtet der Firmeninhaber. Bald erschienen in der Stadt – nach seinen Erinnerungen – die internationalen Firmen und die so genannten „chinesischen” Geschäfte, sodass immer weniger Leute Meterwaren bei ihnen kauften und die Näherinnen ins Ausland gingen, um Kranke zu pflegen. Für ihn Zeit zum Wechsel: „Danach haben wir angefangen größeren Wert auf den Verkauf von Heimtextilien zu legen – dabei bieten wir einen kompletten Service von der Abnahme der Maße über das Nähen bis hin zum Anbringen der Gardinen. Zum Glück nehmen immer mehr Menschen diesen Service in Anspruch”, berichtet Kramm. „Vor etwa 12 Jahren habe ich auf einer Fachmesse in Frankfurt einen deutschen Gardinenhersteller kennen gelernt, zu einer Zeit, in der der ungarische Markt von Produkten türkischer und fernöstlicher Hersteller regelrecht überschwemmt wurde. Der deutsche Hersteller steht für gute Qualität – sie vertreiben Gardinen, Verdunkelungsvorhänge und andere Accessoires. Sie laden uns jedes Jahr zur Fachmesse ein, wo wir die neuesten Produkte und Trends kennen lernen können. Die Zufriedenheit der Kunden zeigt, wenn sie sagen: „Gyuri, die Vorhänge an meinem Fenster sehen aus wie früher im Quelle-Katalog!” In Mohatsch und Umgebung entstehen immer mehr neue Arbeitsplätze, so steigt nach meinem Eindruck die Nachfrage nach schönen und hochwertigen Heimtextilien”, so der Seniorchef.

Inzwischen ist auch der Traum der Eheleute in Erfüllung gegangen: 2017 übernahm Sohn Martin die Leitung des Geschäfts. Die größte Herausforderung sieht Georg Kramm in dem Online-Handel, der immer mehr an Bedeutung gewinnt, auch in der ungarischen Provinz. Es werde nach einer gewissen Zeit notwendig, einen Webshop zu eröffnen. Nach 28 Jahren als Unternehmer für ihn nichts Ungewöhnliches, denn man müsse sich stets weiterentwickeln, was er aber in der Zukunft gerne der Jugend überlassen möchte. Für ihn steht jetzt was anderes auf der Agenda: das Bewirtschaften des eigenen Weinguts in Großnaarad. „Ich möchte, dass meine Enkel selbst angebautes, gesundes und leckeres Obst essen können”, wünscht sich der 62-Jährige.

 

Bild: www.pronadji.biz

Folgen Sie uns in den sozialen Medien!

Spende

Um unsere Qualitätsarbeit ohne finanzielle Schwierigkeiten weitermachen zu können bitten wir um Ihre Hilfe!
Schon mit einer kleinen Spende können Sie uns viel helfen.

Beitrag teilen:​
Geben Sie ein Suchbegriff ein, um Ergebnisse zu finden.

Newsletter

Möchten Sie keine unserer neuen Artikel verpassen?
Abonnieren Sie jetzt!