Mikrozensus 2016 (Teil 1): Um 30 000 weniger bekennen sich zur deutschen Nationalität!

Von Patrik Schwarcz-Kiefer

In dieser Artikelreihe werden wir die Ergebnisse des 2016 durchgeführten Mikrozensus vorstellen. Die Erhebung wurde vom Statistischen Landesamt (KSH) unter Teilnahme von 10 % der Gesamtbevölkerung durchgeführt. Deswegen kann man sicherlich nur von Tendenzen sprechen.

Die letzte Volkszählung fand in Ungarn 2011 statt, die wegen der veränderten Methodik einen großen Durchbruch bei der Anzahl der Angehörigen verschiedener Minderheiten brachte. Damals gab es 185 898 Angehörige der deutschen Nationalität (dies wird als offizielle Zahl überall angegeben, obwohl sie nicht die wahre Stärke widerspiegelt) und 131 951 davon bekannten sich zur deutschen Nationalität (das ist ein realistischerer Wert).
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Es ist wichtig, dass man auf den Unterschied zwischen der Kategorie „Angehörige/r der deutschen Nationalität“ (német nemzetiséghez tartozó) und der Kategorie “sich zur deutschen Nationalität Bekennende/r” (magát német nemzetiségűnek valló) achtet. Zur ersten, größeren Gruppe gehören auch diejenigen, die Deutsch als „Muttersprache“ und „Im Freundes- und Familienkreis benutzte Sprache“ angegeben haben und in diese Gruppe (passiv) von KSH eingeteilt wurden. Also potenziell Bundesdeutsche, madjarische Arbeitnehmer im Ausland, die in ihrem Freundeskreis auch deutsch sprechen, oder solche, die in der Schule Deutsch als Fremdsprache gelernt haben und die Sprache benutzen (Das Landesamt für Statistik betont dies auch ausdrücklich). Während dessen steht hinter der kleineren Zahl, der Zahl der „sich zur deutschen Nationalität Bekennenden” eine aktive Erklärung: Sie haben bei den Fragen „Welcher Nationalität fühlen Sie sich zugehörig?” oder „Neben der Zuvor Angegebenen gehören Sie auch einer anderen Nationalität an?” Deutsch angegeben, wobei Letzteres die Möglichkeit der Mehrfachnennung („doppelte Identität”) eröffnete.

(http://www.ksh.hu/docs/hun/xftp/idoszaki/nepsz2011/nepsz₂2₂011.pdf#page=214).[/ads_custom_box]

2016 brachte für die Ungarndeutschen einen deutlichen Rückgang bei der Zahl sowohl der Angehörigen als auch der Bekenner. Die Zahl der „Angehörigen der deutschen Nationalität” ist um rund 7000 gesunken, 2016 gab es davon 178 837. Wie im Infobox erklärt wurde, spiegelt diese Statistik die Wahrheit nicht wider. Die bedeutungsvollere Zahl, die Zahl der „sich zur deutschen Nationalität Bekennenden” ist um 23%, auf 101 662, gesunken. Anders formuliert: In Ungarn leben, laut dem Mikorzensus 2016, etwa 102 000 Bürgerinnen und Bürger, die sich zum Deutschtum bekennen (unter ihnen deutsche Muttersprachler mit Bekenntnis zum Ungarndeutschtum und sicherlich auch Menschen bundesdeutscher Herkunft). Die restlichen 77 000 werden aufgrund anderer Merkmale (Muttersprache und Sprachgebrauch) zu der einheimischen deutschen Minderheit gezählt. Es ist absurd, dass KSH solche für Angehörige der deutschen Nationalität hält, die die Sprache im Freundeskreis benutzen, auch wenn dies naturgemäß durchaus als Indiz einer Verbundenheit gewertet werden kann. Bei der Muttersprache ist anzumerken, dass dies durchaus ein Merkmal der Zugehörigkeit zum ungarländischen Deutschtum sein kann, aber angesichts der Sprachsituation im Kreise der Ungarndeutschen (die Generation der Muttersprachler stirbt langsam aus, die Wiedererlangung der verlorenen (Groß-)Muttersprache betrifft nur eine kleine Gruppe von meist Akademikern) ist davon auszugehen, dass unter den Muttersprachlern diejenigen, die aus dem deutschsprachigen Ausland zugezogen sind, einen immer größeren Anteil ausmachen. Es stellt sich bei ihnen die Frage, inwiefern sie sich als Teil der deutschen Minderheit/Nationalität betrachten (selbst unter objektiven Gesichtspunkten ist ihre Zugehörigkeit als „Nichtautochtone” fraglich). Es gibt natürlich welche, die ungarndeutsche Ehepartner haben und sich auch sonst für die deutsche Nationalität in Ungarn einsetzen.

Leider ist eine gebietsbezogene Ableitung nur für die größere Zahl verfügbar, aber auch so spiegelt sie sehr gut wider, dass sich der Rückgang vor allem in den typischen Siedlungsgebieten vollzogen hat. Während dessen gab es eine große Steigerung in den Komitaten, wo normalerweise kaum Deutsche leben. Es kann dafür zwei Gründe geben: Zum einen, dass viele Deutsche aus der Tolnau/Tolna in den Komitat Jazygen-Großkumanien-Sollnock/Szolnok umgezogen sind, oder, und das scheint realistischer zu sein, dass die Zahl der Ungarndeutschen abnimmt und die Zahl solcher, die in einem engeren Kontakt zur deutschen Sprache stehen, steigt. Also, man kann mit 90% Sicherheit sagen, dass man die Tendezen der letzten Jahrzehnte nicht umkehren konnte: Die Ungarndeutschen werden immer weniger, kulturelle Autonomie, eigenes Schulsystem (mit ihren Mängeln), minderheitenfreundliche Landespolitik hin oder her. Die große Überraschung bei den Zahlen von 2011 war nur ein Vorhang, hinter den man die wahre Situation verstecken konnte. Und so denken wir an eine Zahl, was weit weg von der Realität ist. 186 000? Lieber rund 100 000…

Quellen: http://www.ksh.hu/mikrocenzus2016/kotet_12_nemzetisegi_adatok

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