Von Martin Surman-Majeczki, Leiter der Pilgerfahrt
„Wege entstehen dadurch, dass man sie geht“, behauptete Franz Kafka. Deswegen haben wir uns vom 11. bis zum 13. Mai mit den Hartianer Ungarndeutschen auf einen von unserer Gemeinschaft lang unbetretenen Weg gemacht, um – wie das unsere Vorfahren so oft getan haben – nach Mariazell zu pilgern. Die Hartianer Wallfahrer haben in dieser kurzen Zeit zahlreiche Marienwallfahrtsorte, neben Mariazell Mariatrost, Maria Schutz und Frauenkirchen am Neusiedlersee, besucht bzw. haben viele religiöse und kulturelle Erlebnisse gesammelt, die wir wahrscheinlich lange nicht vergessen werden und gerne mal wiederholen möchten. Aber in diesem Beitrag möchte ich den Akzent auf einen anderen „Weg” legen, den wir gemeinsam mit unserem neuen Pfarrer, Gabriel Hefler, und dem Vorsitzenden der Deutschen Selbstverwaltung Hartian/Újhartyán, Anton Lauter, beschritten haben.
Wir haben uns letztes Jahr zum Ziel gesetzt die deutsche Sprache in das kirchliche Leben, in die Reihe unserer schönen religiösen Traditionen zu reintegrieren. Das ist ein langer Prozess und geht natürlich nicht von einem Tag auf den anderen. Unser Pfarrer Hefler, der auch aus einer ungarndeutschen „Milimari-” (Milchmeier/in-) Familie stammt, hat zu Beginn seines Dienstes bei uns versprochen, dass er zu jeder größeren christlichen Feier deutschsprachige Gottesdienste zelebrieren wird. Er hat sein Versprechen auch gehalten, seitdem haben wir nach jahrzehntelanger Unterbrechung Gottesdienste in deutscher Sprache zum Barbaratag, zu Weihnachten, Ostern sowie anlässlich der Hartianer Schwäbischen Hochzeit gefeiert. Wie gesagt, das ist ein langer Prozess, ein Lernprozess für den Pfarrer und für die meisten Gläubigen ebenso. Unser Pfarrer übt noch die richtige Aussprache, die Gemeindemitglieder lesen den Text meistens. Aber mit der Zeit geht das immer besser, man muss nur offen genug sein. Einige Gebete wie das Vaterunser gehen schon recht fließend, und die Grundschüler bzw. die Jugendlichen meines Vereins helfen dabei stets gerne, denn unsere Generation beherrscht die deutsche Sprache wieder. „Wieder” – weil die Mundart bis zum Beginn des neuen Jahrtausends in Hartian so gut wie verschwunden ist. Das hat sowohl geographische Gründe wie die Nähe zu der Hauptstadt und die Lage als „ungarndeutsche Insel im madjarischen Meer” als auch historische Ursachen wie die Verbannung der deutschen Sprache aus der Schule bereits nach dem Ersten Weltkrieg, die „malenkij Robot” und die darauffolgende Zeit der Angst.
Aber zurück zum ursprünglichen Thema: Neben der Gottesdienstsprache waren die deutschen Gesänge auch ein wichtiger Bestandteil der Messe. Unser Orgelspieler, Herr Lauter, hat bezweckt, einen von einem alten Hartianer Musiker geerbten Gesang „Großer Gott, wir loben dich” ins allgemeine Bewusstsein zurückzuholen. Das Lied, im deutschsprachigen Ausland allseits bekannt, haben wir auf der Wallfahrt neben der Hymne der Ungarndeutschen am Ende jeder Messe – ähnlich wie unsere Ahnen – gesungen. Und die Tatsache, dass wir daneben das Marienlied „Boldogasszony anyánk” genauso eifrig gesungen haben, ist meiner Meinung nach vollkommen in Ordnung, denn die Ungarndeutschen waren zu ihrer ungarischen Heimat immer treu. Die beiden schließen einander nicht aus, sondern ergänzen sich, beide Sprachen gehören mittlerweile zum heutigen Ungarndeutschtum. Solche schöne Pilgerwege, die man wieder – und immer mehr deutschem Inhalt – geht, können dabei helfen, ein Gleichgewicht zwischen beiden Sprachen herzustellen.
Bildquelle: Martin Surman-Majeczki