Nördlich von der Raab, wo die heanzischen Berge beginnen – Johann Ebenspanger warf diese Wörter auf Papier, irgendwann Ende des 19. Jahrhunderts.
Bevor wir weitergehen, müssen wir kurz darauf eingehen, wer die Heanzen sind und wer Johann Ebenspanger war: Die Heanzen (oder Hianzen) sind eine im westlichen Grenzgebiet des historischen Ungarn und in den Komitaten Eisenburg und Ödenburg lebende deutsche Volksgruppe, mit eigenem Dialekt und Traditionen.
Johann Ebenspanger, der 1845 in Kukmirn geboren wurde und 1903 in Oberschützen starb, wird heutzutage in erster Linie als „touristischer Fachjournalist” erwähnt. Er war aber einer von denen, die den Tourismus im Komitat Eisenburg angestoßen haben. Die Bemühungen um den Fremdenverkehr betrachtete er als einen Teil, als eine Ergänzung seines Lehrerberufs. Ebenspanger engagierte sich auch für den heanzischen Dialekt, auch seine in Heanzisch verfassten Gedichte wurden veröffentlicht. Die nördlich von der Raab, in der Güssinger Gegend lebenden Heanzen nennt man manchmal scherzhaft „Pummheanzen”. Der Geschichte nach wurde der Kaiser selbst zu einer Feierlichkeit eingeladen, und die Heanzen wollten Seine Majestät mit Ehrensalven begrüßen. Auf einen Hügel stellten sie einen von ihnen hin, um die Ankunft des Kaisers zu beobachten und zu melden. Der Wächter, als er eine Staubwolke über der Straße erblickte, stieß einen Schrei aus: „Pumm, Hienz, pumm!” Sie haben sofort eine Ehrensalve abgefeuert, aber bald wurde es klar, dass eine Rinderherde die Staubwolke verursachte. In der Ortsbestimmung, dass die Berge der Heanzen nördlich von der Raab beginnen würden, spielte der eigene Lebensweg Ebenspangers die Hauptrolle. Seine berufliche Laufbahn begann 1863 in der evangelischen Grundschule von Raabfidisch. Wenn er von hier nach Hause, nach Kukmirn (14-15 km entfernt), „eilte”, musste er sich wirklich Richtung Norden, Richtung „Berge” auf den Weg machen. Die in Güns geborene Irene Thirring geb. Waisbecker war eine von denen, die sich Anfang des 20. Jahrhunderts mit der Sammlung von heanzischen Liedern, Balladen beschäftigten. Manche der von ihr niedergeschriebenen Liedern und Melodien erlebten im Jahre 1915 auch eine gedruckte Ausgabe. Als „Deutsch-Westungarn” nach dem Ersten Weltkrieg Teil Österreichs wurde, erhob sich auch ein solcher Vorschlag, dass das neue österreichische Bundesland „Heanzenland” heißen soll. Ein paar von den heanzischen Dörfern blieben nach Trianon bei Ungarn, dazu zählten die um St. Gotthard und Kirment, nördlich von der Raab gelegenen Dörfer im Komitat Eisenburg Raab-Fidisch, Jakobshof, Radling und Ginisdorf. Alle galten als Streusiedlungen, wo es zwar eine Hauptstraße und ein Dorfzentrum gab, die Mehrheit der Häuser stand aber zerstreut an den Hängen und in den Tälern – kleinere oder größere Waldflächen, Felder, Wiesen und Hausgruppen wechselten sich ab. Die Grenzen zwischen diesen Siedlungen waren deswegen kaum nachvollziehbar. Im Straßensystem hatten die nur von den Einheimischen gekannten Wiesen und Waldpfade eine wichtige Rolle. Als die neuen Staatsgrenzen gezogen wurden, kam es häufiger vor, dass ein Haus zum Beispiel bei Ungarn blieb, wobei die Nachbarn plötzlich Österreicher wurden.
Die Grenzziehung war damals ein wichtiges Ereignis, aber im Leben der Ortsansässigen brachte dies keine riesigen Veränderungen. Die Lieder und Märchen verblieben, und manchmal wurden sie mit Schmugglergeschichten ergänzt. Es war eine bestimmte Periode, als der Zigaretten- und Zuckerschmuggel für einen Teil der Bevölkerung ein Nebeneinkommen bedeutete. Die Verwandten besuchten einander wie früher. Die Inzenhofer Leute gingen am Sonntag wie gewohnt in die Radlinger St. Emmerich-Kirche, aber die Kirche stand doch – auch wenn nur einige Meter – auf dem Gebiet eines anderen Staates.
Eine große und drastische Veränderung bedeutete im Leben der hiesigen Heanzen die Zeit unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg: Frühling 1946 wurden sie größtenteils vertrieben, bloß ein paar Menschen durften bleiben. In ihre Häuser zogen kurz danach neue Siedler, die natürlich keine Verwandten unter den auf der anderen Seite der Grenze Lebenden hatten. Sie kannten die alten Lieder, Märchen ebenfalls nicht, jedoch das System war auch gegenüber ihnen misstrauisch. Als die Ausgestaltung des Grenzstreifens begann, wurde auch ihre Bewegungsfreiheit begrenzt, mit der Vorwand, dass der Schmuggel gestoppt werden muss. Einige Jahre nach ihrer Ansiedlung wurden auch sie aus dem Grenzgebiet verdrängt. Der nächste Schritt war ein neuer Grenzstreifen in der Tiefe von 3-5 km. In dieser Zone durften die Bewohner nicht bleiben, abgesehen von außerordentlichen Fällen. Das Netz, das früher die auf beiden Seiten der Grenze Lebenden verband, war gerissen. Ginisdorf galt als „die letze befreite Ortschaft” und war in einer speziellen Lage. Es wurde nicht eliminiert, aber die Bevölkerung musste ausgesiedelt werden. Einst lebten hier mehr als 300 Menschen, heute nur ein Zehntel von ihnen. Die neuen Bewohner sind nicht die Nachkommen der alten Dorfbewohner. Die Denkmäler der Weltkriege zeigen die Ehre gegenüber den Vorfahren: Wo kein Denkmal für die im Zweiten Weltkrieg Gefallenen errichtet wurde, weist nicht auf mangelnde Ehrerbietung hin, sondern darauf, dass dort die Geschichte einer Gemeinschaft unterbrochen wurde.
Die von Generation für Generation weitergegebenen Legenden, Sagen und Märchen begleiten durch Jahrhunderte die Geschichte eines Dorfes. Wenn auch jetzt Legenden geboren werden, erzählen sie nicht mehr über heanzische Elfen und Hexen…
Erschienen am 07. 10. 2017 auf dem Internetportal vaol.hu. Ein Artikel von Róbert Orbán. Übersetzung: Stefan Pleyer