von Stefan Pleyer
Bereits seit dem 3. Jahrhundert feierte man im Römischen Reich den Erlöser, Jesus Christus, aber damals noch in
einer anderen Form, mit einer anderen Bedeutung: Der Zeitpunkt des Festes der Geburt Christi wurde natürlich nicht zufällig von den früheren Kirchenvätern ausgewählt, da der genaue Geburtstag in der Bibel nicht einmal erwähnt wird. Zum offiziellen, später festlich gewordenen Feiertag verwendete die frühere Kirche die alte Symbolik der älteren Religionen, deren Ursprung in der heidnischen Mythologie und Naturreligion wurzelt.
Beispielsweise hielten die Germanen genau in derselben Periode das sogenannte Julfest ab, das der Ausdruck der neugeborenen Sonne war, weil es in die Zeit der Wintersonnenwende fiel. In der Geburtstunde des Christentums, als das ganze Religionssystem seine Entstehungsphase durchmachte, wurden Geburt und Taufe Jesu zusammen, am 6. Januar gefeiert, welcher Brauch in der orthodoxen Kirche bis heute so gepflegt wird – jedoch der 25. Dezember erschien für die Erinnerung an ein solches maßgebendes, elementares Geschehen als viel symbolhafter, aus diesem Grund verlegte die römische Kirche um die Mitte des 4. Jahrhunderts ihr Hauptfest vom 6. Januar, dem Tag der Taufe Jesu, auf den 25. Dezember. Durch diese Terminverschiebung auf den Tag der römischen Sonnwendfeier und den „dies natalis” des Mithras gingen römische Neujahrs- und Mittwinterbräuche ins christliche Weihnachtsfest über.
Auch im deutschsprachigen Raum hatten Weihnachten ihren festen Platz im Kalender der frühmittelalterlichen Kirchengemeinden. Die deutsche Benennung „Weihnachten” geht auf das mitteldeutsche Wort „ze den wîhen” zurück, woher die heutige „Nacht” stammt, und bedeutete urspünglich: „zu den heiligen Nächten”-die Feierlichkeiten machten, wie heute, mehrere Tage, mehrere Nächte aus, deswegen erschien es bei der ersten Erwähnung im Jahre 1170 in Pluralform.
Der nächste große Schritt im Prozess der Entwicklung der kurrenten Zelebrität war die Reformation, und damit die lutherische Reform: Die Veränderungen des ehemaligen Augustinerpriesters wirkten auch auf die christlichen Feste aus, und Luther intiierte die gegenseitige Bescherung durch den Hl. Nikolaus und das Christkind am Heiligen Abend, was vorher nie geschah. Sein Ziel war mit diesem Akt, die Bedeutung des Festes zu betonen. Danach verbreitete sich der Weihnachtsbaum – erst auf protestantischen Gebieten – relativ schnell: Einige Quellen berichten über einen gewissen „weiennacht baum” in Stockstadt am Main, aus dem Jahre 1527, später wurden die mit Kerzen dekorierten Bäume im deutschen Raum populärer, und auch außerhalb davon, wie die Weihnachtsbaum-Beschreibungen im Baltikum. Die erste unbefragbare Erscheinung, wo wir ausgesprochen über eine Tradition sprechen können, war im Elsaß, am Anfang des 17. Jahrhunderts.
Wie spiegelten die ungarndeutschen Weihnachtsbräuche die oben erwähnte Entwicklung? Andere Länder, andere Volksgruppen, andere Sitten, trotzdem können wir viele Ähnlichkeiten sowie auch beispielsweise karpatenländische deutsche Besonderheiten nachweisen, wenn wir diese unter die Lupe nehmen.
Schauen wir uns zuerst die Siebenbürger Sachsen an: Die eingewanderten Söhne und Töchter des Rattenfängers von
Hameln hielten Weihnachten für das Fest aller Feste. Ein besonderer Weihnachtsbrauch in Siebenbürgen war der „Christleuchter“: Der Christleuchter ist weder ein Vorläufer noch ein Ersatz des Christbaumes, dessen Existenz erst um 1830 durch einen eingewanderten Dänen in Kronstadt/Siebenbürgen erstmals belegt ist und sich in der Kirche nur langsam durchsetzte, sondern es handelt sich dabei um einen eigenständigen Brauch, bei dem die Kinder in die Geburt Christi einbezogen werden, indem sie den Sohn Gottes im Gesang loben und preisen. In siebenbürgisch-sächsischer Mundart „Lichtert“ oder „Lichterchi“ genannt, wurde der Leuchter in den verschiedenen Gegenden und Ortschaften Siebenbürgens unterschiedlich angefertigt. Das Grundgerüst bestand aus einem Holzgestell mit einem Aufsatz in Kronen- oder Pyramidenform und wurde mit Wintergrün umwickelt und mit Papierblumen, Stroh- und Hagebuttenketten verziert sowie mit Keksen, Nüssen und Äpfeln geschmückt und mit Kerzen besteckt. Oder der Lichtert war über und über mit vielen bunten Papier- und Seidenblumen und zwölf großen Kerzen besteckt und mit einer Friedenstaube gekrönt. Während des Jahres wurden die Lichtertgestelle dann in der Sakristei verwahrt. Im Weiteren begleitete das Element des Leuchters das ganze Weihnachtsfest der Sachsen.
Von den ehemaligen westungarländischen Heanzen blieben leider nur sehr wenige greifbare Informationen auf, wie dieser Volksstamm diese heiligen Tage feierte. Eins ist sicher: Die Figur vom Hl. Nikolaus bringt den Kinder gar nichts, stattdessen aber ängstigt er sie. Eine positive Gestalt ist da die sogenannte Lutzlfrau/Pudlfrau, die die Kleinen mit verschiedenen Süßigkeiten beschenkt.
In der Frage der Art der Weihnachtsfeier zeigen die Donauschwaben ein ziemlich gemischtes Bild, da auch die schwäbischen Besonderheiten je nach Region, Landesteil unterschiedlich waren. Die Germanistin Katharina Wild sammelte die wichtigsten Komponente der „schwäbischen Weihnachten”, und beschreibt in ihrem Werk einen allgemeinen, landesweit ähnlichen Verlauf so: „Am Heiligen Abend zogen in vielen Siedlungen Südungarns die Hirten Peitschen knallend durch das Dorf, in Erinnerung daran, dass laut der Bibel die Hirten in dieser Nacht nach Bethlehem gegangen waren. Im Ofner Bergland stellten sich die Hirten nach der Christmette dem Kircheneingang gegenüber auf und begrüßten mit Peitschenknallen und Hornblasen die Teilnehmer der Christmette.
Bei den Ungarndeutschen (d. h. Donauschwaben) wurde zu Weihnachten in der Regel ein Wacholderbusch aufgestellt und mit Ketten aus buntem Papier, Dörrobst und Puffmais sowie mit Nüssen – meist vergoldet oder versilbert –, Lebkuchenfiguren, Gebäck und Äpfeln behängt. An seiner Spitze war der Morgenstern zu sehen. Den Spiegel und die Bilder in der Wohnung schmückte man ebenfalls mit Wacholderzweigen. Die Bescherung der Kinder geschah und geschieht auch heute noch am Abend des 24. Dezember. Das Christkindl, eine in Weiß gekleidete Gestalt, brachte den Kindern früher außer dem Weihnachtsbaum oft auch noch selbst gefertigte Geschenke wie aus Hefeteig gebackene Figuren, Puppen, Pferde und anderes Spielzeug. Auch von den Pateneltern erhielten sie zu Weihnachten Geschenke, meist Lebkuchenfiguren, Äpfel, Nüsse und Dörrobst. Zur Weihnachtszeit wurde auch in den ungarndeutschen Dörfern das Christkindl- oder Bethlehemspiel aufgeführt. Größere Schulmädchen und -jungen zogen von Haus zu Haus und trugen mit verteilten Rollen die bekannte Geschichte, die Geburt vom Jesulein, vor. In vielen Ortschaften wurde das Adam-und-Eva-Spiel, auch Paradiesspiel genannt, aufgeführt, das die Geschichte des ersten Menschenpaares im Paradies vorstellt. Beide Spiele haben auch bei den Ungarn ihre Entsprechungen.”
Wir, Ungarndeutsche sind in der glücklichen Lage, dass unsere Bräuche (nicht nur die, die mit den Weihnachten verbunden sind) so reich und bunt sind, dass sie den Rahmen dieses Beitrags sprengen würden. Noch erfreulicher ist es, dass diese Schätze unserer Vergangenheit auch bis in unsere Zeit erhalten geblieben und gut dokumentiert sind, wodurch die ungarndeutschen Vereine, Kindergärten, Familien die volkskundlichen Sammlungen als Orientierungspunkte, grundlegende Quellen zur Traditionspflege benutzen können, dementsprechend haben wir die Möglichkeit, auch in der Welt der „Disney Christmas und des Black Fridays” die Ankunft Jesu „schwowisch” zu feiern.