Tradition, Gegenwart und Zukunft liegen in Großturwall auch im räumlichen Sinne dicht beieinander: Wie eine Trotzburg steht im Stadtzentrum das Gebäude der Deutschen Selbstverwaltung Großturwall, das eine Altentagesstätte und den zweisprachigen Kindergarten „Ein Herz für Kinder” beherbergt. Letzteres feiert in diesem Jahr zwanzigjähriges Jubiläum seines Bestehens und war der erste Kindergarten des Landes in der Trägerschaft einer deutschen Nationalitätenselbstverwaltung (Damals berichtete auch das SB über den neueröffneten Kindergarten).
„Wir sind ein tolles Team. Wir haben viele Mitarbeiter, die von Anfang an hier arbeiten, unter anderem aus den Gemeinden Großmanok und Obergalla”, unterstreicht die Leiterin des Kindergartens, Maria Gasser-Karsai, im deutschsprachigen Gespräch mit unserer Zeitung während des Besuchs im Kindergarten. „Uns liegt es vielen daran, die alten Traditionen wiederzubeleben und dies innovativ und durch moderne Methoden der Kindergartenpädagogik zu erreichen”, so die langjährige Leiterin der Einrichtung. Neben all der positiven Entwicklung bedauert die gebürtige Tscholnokerin, die als Einzige in der Einrichtung über Mundartkenntnisse verfügt, den Verlust des Großturwaller Dialekts und die fehlende Möglichkeit für junge Erzieherinnen, das ungarndeutsche kulturelle Erbe authentisch zu erleben. Denn „dieses Erbe muss erlebt und nicht gepflegt werden”, so die erfahrene Kindergärtnerin.
Das Fehlen dieses sprachlich-kulturellen Hintergrundes trifft nach Worten von Maria Gasser-Karsai auch auf die Eltern der Kinder zu, unter denen es auch zugezogene Ungarndeutsche beispielsweise aus der Branau gibt: „Unter den 68 Kindergartenkindern gibt es lediglich zwei, die mit Sprachkenntnissen in den Kindergarten kommen: Der Vater des einen Kindes ist Deutscher, beim anderen Kind ungarndeutscher Herkunft legt die Mutter Wert auf die Vermittlung der deutschen Sprache.” Den Eltern liege dennoch sehr viel an der frühkindlichen Spracherziehung ihrer Kinder, und sie möchten sie „in guten Händen” wissen. Dies zeige sich an den Anmeldezahlen: Jedes Jahr würden zwei- bis dreimal so viele Eltern ihre Kindern anmelden als Plätze überhaupt vorhanden sind.
Zweisprachige Erziehung im KIGA „Ein Herz für Kinder” bedeutet nach den Worten der Leiterin, dass die Kinder die Sprache erleben sollen. Dabei laufen die Beschäftigungen in der einen Woche auf Ungarisch, in der anderen auf Deutsch. Man würde dabei Tätigkeiten und Sprache miteinander verbinden, ergänzt mit Spielen, Reimen und innovativen Ansätzen wie Spielstationen. Dies führe dazu, dass einige der Kinder auch über einen aktiven Wortschatz verfügen, in Form von Wörtern und kürzeren Sätzen, die sie situationsgebunden einsetzen würden.
Dabei verfolgt man am Kindergarten nicht das Modell „Eine Person – eine Sprache”, denn die Kindergärtnerinnen, für die Deutsch keine Muttersprache mehr ist, würden es als „unnatürlich” empfinden, ausschließlich deutsch zu sprechen, so die Muttersprachlerin Gasser-Karsai, und verdeutlicht dies an einem Beispiel: Sie war Anfang Oktober für zwei Wochen auf Weiterbildung im bayerischen Deggendorf. „Für mich war es keine große Sache, den ganzen Tag deutsch zu sprechen. Für einige meiner Kolleginnen aus anderen Kindergärten in Ungarn schon. Sie waren am Abend totmüde, denn sie meinten, sie müssten im Kopf zuerst alles auf Ungarisch formulieren und dann ins Deutsche übersetzen.” Deswegen müsste man alles daran setzen, die Deutschkenntnisse der angehenden Kindergärtnerinnen zu verbessern. Gut fände Maria Gasser-Karsai ein System wie in Deutschland, wo die zukünftigen Pädagogen ein Vorpraktikum absolvieren müssten. „Wir würden uns darüber freuen, wenn solche deutsche Muttersprachler zum Vorpraktikum zu uns kämen. Aber Interesse ist kaum da. So bleibt uns der einwöchige Aufenthalt von Kindergärtnerinnen von unserer Partnereinrichtung in Bayern, was aber zu kurz ist.” Die Leiterin wünscht sich die Erhöhung des Deutsch-Anteils beim täglichen Umgang auf 70% und räumt ein, dass sie sich selbst mehr anstrengen müssten. So würde man neuerdings die Besprechung auf Deutsch halten, um mehr Sprachpraxis zu haben.
Aber auch in Kindergärten ist mittlerweile Personalmanagement vonnöten, und zwar im weiteren Sinne, denn angehende Nationalitätenkindergärtnerinnen würde man bereits im zweiten Semester von Deutschland aus abwerben. Sich diesen Herausforderungen mit Erfolg zu stellen, bleibt eine Mammutaufgabe, die alle betrifft und jeden fordert.