Den ersten Teil finden Sie hier!
Teil 1: erste Annäherungen (II)
Von Richard Guth
Die 18 Kindergärten geben in unterschiedlicher Intensität Informationen über die zweisprachige Erziehungsarbeit preis. Manche Einrichtungen stellen sogar ihr ganzes Pädagogisches Programm zur Verfügung, manche beschränken sich auf wenige Sätze. So schreibt der Kindergarten Nadwar (auf Ungarisch): „Unser Ziel ist es neben der Muttersprache auch die deutsche Sprache zu fördern. Wir legen großen Wert auf die Traditionspflege.” Neben der „Spracherziehung auf hohem Niveau” sollen die Kinder auch Musik, Traditionen, Volkstracht und Volkstanz der deutschen Nationalität kennen lernen, so der Kindergarten Wemend in der benachbarten Branau, in dem seit langem „deutsche Nationalitätenerziehung” praktiziert würde. Auch der Schlossgarten-Kindergarten Nadasch verschreibt sich diesen Zielen, und zwar „zweisprachig”. Dabei verweist der Homepagetext auch auf das grundlegende Problem der verlorenen deutschen Muttersprache: „Die überwiegend ungarndeutschen oder Mischfamilien sprechen zwar die Sprache ihrer Ahnen nicht mehr, sind aber daran interessiert, dass ihre Kinder diese Sprache, die Sprache ihrer Nationalität, kennen lernen. Diese Bestrebung unterstützen wir. Die aus den Familien mitgebrachte Mundart wird von uns gepflegt und gefördert. All unsere Angestellten benutzen tagsüber in jeder Situation auch die deutsche Sprache, bei jeder Handlung, Tätigkeit.” Der Kindergarten Hajosch wagt neben der Betonung der Traditionspflege sogar einen Ausblick und nimmt eine funktionale Bestimmung vor: „Erziehungsziel unseres deutschen Nationalitätenkindergartens ist es, dass unsere Kinder die Traditionen unserer Ahnen, Kultur, Brauchtum und Sprache unserer Nationalität kennen und bewahren lernen. Wir sind bestrebt, dass sich unsere Kinder offen zeigen für Sprache und Kultur der Nationalität, was eine Grundlage für den Sprachunterricht in der Schule bildet.” An sich ein schönes Credo, wäre es nicht ausschließlich auf Ungarisch abgefasst und vom (Fremd-) Sprach(en) – Unterricht in der Grundschule die Rede.
Wie im ungarischen Schul- und Erziehungssystem üblich, kommt auch hier auf vielfältige Weise Emotionales zum Ausdruck. So die nette Formulierung des Kindergartens Taks in deutscher Übersetzung: „In allen Gruppen wird deutschsprachige Erziehungsarbeit geleistet, aber zu jeder Tageszeit hört der „Eintretende” deutsches Wort”. „Als Nationalitätenkindergarten haben wir uns der Aufgabe verschrieben, dass wir im Alltag versuchen, unsere Kindergartenkinder mit der Musikalität, dem Rhytmus und der Schönheit der deutschen Sprache vertraut zu machen”, so der Kindergarten Pußtawam. Denn „sie sollen eine emotionale Bindung zur Sprache aufbauen, was in Form von Interesse und Neugier erscheinen soll. Beim Kind soll ein positives emotionales Verhältnis zur Kultur und Sprache der Nationalität entstehen”, schreibt der Kindergarten „Wunderland” in Sexard. Auch der Kindergarten „Ein Herz für Kinder” Großturwall betont „die Förderung der Persönlichkeit im zweisprachigen Milieu, das Wecken des Interesses für die Sprache und die Entwicklung einer positiven Attitude”, denn „nicht das Erwerben von (deutschen, R. G.) „Sprachkenntnissen” („«nyelvtudás« kialakítása”) ist das Ziel”, sondern eben die oben genannten. Das Gleiche betont der Kindergarten „Pumukli” in Hanselbek, und begründet dies damit, dass Sprachkenntnisse keinen Sinn ergäben, wenn das Kind die Sprache nicht möge. Sprache und Emotionen gingen Hand in Hand.
Viele Kindergärten betonen, dass die Kinder die deutsche Sprache Ende des dritten Kindergartenjahres entsprechend ihrem Alter und eigenem Entwicklungsstand beherrschen sollen. So spricht die Großturwaller Einrichtung von „passivem Wortschatz, den sich das Kind durch ganzheitliche Wahrnehmung und während der Gruppen- und Selbstbeschäftigung aneignet.” „Für die Kinder soll die Präsenz der deutschen Sprache eine Selbstverständlichkeit darstellen, sie sollen entsprechend ihrem Entwicklungsstand die deutschen Ausdrücke, die im Kindergartenalltag in Kommunikationssituationen auftauchen, verstehen”, so die etwas bescheidene Zielsetzung des Kindergartens Pußtawam. Auch der „Wunderland” Sexard betont, dass die Kinder am Ende der Kindergartenzeit einfachere Instruktionen und Bitten verstehen wie akzeptieren und je nach Entwicklungsstand verwenden und sich mit Hilfe ihres Wortschatzes orientiern würden. Die Kinder sollen Gegenstände, Tiere, Pflanzen und Farben benennen können, schreibt der Kindergarten Waschkut hierzu. Der Deutschstädtische Kindergarten Jula geht weiter und spricht vom Gebrauch erlernter Satzmodelle. „Man versucht bei den größeren Kindern die deutschen Antworten zu üben und zu vertiefen. Diese Antworten bestehen aus kleinen Satzmodellen und grammatischen Strukturen”, ist im deutschsprachigen Kapitel des Pädagogischen Programm des Kindergartens Marka bei Wesprim zu der Frage zu lesen.
Interessant ist die Beschreibung des Weges dahin, insbesondere die Frage, welche Funktion und welchen Anteil in alltäglichen Sprachsituationen die deutsche Sprache innehat. Die meisten Kindergärten, die hierzu Angaben machen, würden sich bemühen, dass in möglichst vielen Situationen die deutsche Sprache zum Einsatz kommt. Der Kindergarten Waschkut bietet nach eigenem Bekunden das zweisprachige Kindergartenprogramm nach Bedarf an, dabei betrüge der Anteil der deutschen Sprache 50%, der Schwerpunkt liege auf der Förderung der deutschen Sprache. Der Kindergarten „Lustige Zwerge” in Schaumar definiert sich als ein „zweisprachiger Kindergarten, wo in den Tätigkeitsformen des Kindergartenlebens der Gebrauch von zwei Sprachen – der Sprache der Minderheit und der ungarischen Sprache – zur Geltung kommt. Das Gebrauchsverhältnis der beiden Sprachen wird durch die Sprachkenntnisse der Kinder bestimmt, das Ziel ist aber die Betonung der Minderheitensprache.” Auch der Kindergarten „Wunderland” in Sexard und der Kindergarten in Pußtawam betonen die Zweisprachigkeit, aber mit einer zunehmenden Tendenz zur Dominanz der deutschen Sprache im Alltag. Der Kindergarten „Pumukli” spricht in diesem Zusammenhang vom Durchdringen des Alltags der Kinder („áthassa”) durch die deutsche Sprache. Entscheidend beim Gebrauch der deutschen (und ungarischen) Sprache in den Gruppen sei der Stand der (wohl deutschen) Sprachkenntnisse der Mitglieder der jeweiligen Kindergartengruppe.
Einen interessanten Ansatz verfolgt bei der Sprachvermittlung der Schaumarer Kindergarten: „Grundprinzip in der Spracherziehung ist, alle Kinder der altersgemischten Gruppe in ihrer Muttersprache zu erziehen. Erziehen in derselben Sprache, die sie verstehen und in der sie sich mühelos mitteilen können. Kinder, die die ungarische Sprache als Erstsprache erlernen, werden ungarisch angesprochen und erzogen. Daneben werden vom Beginn des Schuljahres Sprachübungen in Deutsch eingeführt, die regelmäßig und täglich gebraucht und geübt werden. Dieses Üben und Wiederholen stärkt im Kind das Sicherheitsgefühl und führt zum Erfolg im Spracherwerb.”
Auch in anderen Einrichtungen wird die Pflege der (wohl ungarischen) Muttersprache als besondere Aufgabe betrachtet. Bemerkenswert ist es, im Falle des Deutschstädtischen Kindergartens Jula und des Kindergartens in Marka, dass man in Erziehungssituationen („nevelési szituációban”) nur ungarisch mit den Kindern sprechen würde.
Man müsse täglich spielerisch eine solche Atmosphäre schaffen, damit sich die Kinder veranlasst fühlen, „ihre Deutschkenntnisse zu aktivieren”, so der Julaer Kindergarten. Wie das im Alltag aussehen kann, hier ein Auszug aus dem Pädagogischen Programm des Kindergarten Marka: „Im Tagesablauf nutzen wir die vielfältigsten Anlässe, um mit den Kindern deutsch zu sprechen. Wir lassen uns vom folgenden Grundsatz leiten: In Alltagssituationen, ob beim Essen, im Waschraum, beim An- und Ausziehen usw., sprechen wir mit den Kindern deutsch.
– Beim Ankommen begrüßen wir jedes Kind persönlich. Wir reichen ihm die Hand, nehmen mit ihm Augenkontakt auf und sprechen es in deutscher Sprache an. Wir nutzen dabei ganz einfache Satzmodelle wie: „Geht es dir gut?“ „Dein Kleid ist sehr schön.“ Oh, hast du schöne Haare!“
– Beim Frühstück sprechen wir mit den Kindern immer deutsch. Wir geben dabei einfache Instruktionen: „Bring bitte einen Teller!“ „Hol bitte einen Stuhl!“
– Während der Spielzeit sprechen wir in allen möglichen Situationen deutsch.
– Im Stuhlkreis sprechen wir deutsch, singen deutsche Lieder und sprechen Reime.
– Auch bei einzelnen Tätigkeiten wie Aufräumen, in der Garderobe, im Waschraum, im Hofsprechen wir deutsch.
– Beim Mittagessen reden wir mit den Kindern deutsch. Wir benennen die Speisen, sagen Tischsprüche und geben Anleitungen und Anweisungen in deutscher Sprache.
– Bei Bastelarbeiten sprechen wir deutsch.”
Ein lustiges und kindergerechtes Beispiel zeigt zuletzt, worauf es eigentlich ankommt (oder vielleicht mancherorts ankommen sollte): „Einmal pro Woche werden die Kinder vom Kasperle besucht, dieser singt, spielt mit den Kindern und lehrt ihnen neue Spiele und inszeniert zusammen mit den Kindern verschiedene Situationen. Da der Kasper nur Deutsch kann, sind die Kinder gezwungen, ihm auf Deutsch zu antworten oder mit ihm zu sprechen.”
Fortsetzung folgt!