von Erwin Josef Ţigla
stell. Vorsitzender des Demokratischen Forums der Deutschen im Banat,
Vorsitzender des Demokratischen Forums der Banater Berglanddeutschen, Reschitza
Vier Schriftsteller im Mittelpunkt: Otto Alscher, Alexander Tietz, Peter Jung und Adam Müller-Guttenbrunn
Als mich Anfang Mai der Vorsitzende des Demokratischen Forums der Deutschen im Banat, Dr. Johann Fernbach, anrief und bat, ich möge den Festvortrag zu den diesjährigen Heimattagen der Deutschen im Banat am 10. Juni halten, war ich erstens über das Angebot überrascht, zweitens stellte ich mir gleich in den Gedanken die Frage, was ich als Banater Berglanddeutscher in so einem Festvortrag wiederspiegeln bzw. unterstreichen sollte. Er soll ja ausgeglichen sein, das gesamte Banat mit seinen facettenreichen Brücken von hier und dort, von dort und hier, also Grenzen oder Barrieren überschreitend berücksichtigen.
Akzeptiert hatte ich nach einigen Sekunden Gedankenüberrumpelung gleich, doch die Gedankenplage kam erst später. Drei volle Tage hatte ich mir darüber Gedanken gemacht, was ich unterstreichen soll. Wie sollte ich meine engere Heimat, das Banater Bergland nicht zu Schande machen…
Schließlich und endlich kam mir der Rückhalt durch meinen Beruf, den ich seit dem 1. Mai 1995 ausübe: Bibliothekar für die Deutsche „Alexander Tietz“-Bibliothek in Reschitza. Also etwas mit dem Banat und seine prägenden Schriftsteller.
Nur keine Angst haben: Ich werde nicht über alle Schriftstellerinnen und Schriftsteller deutscher Sprache im historischen Banat, also zwischen der Donau im Süden, den Ostkarpaten im Osten, der Marosch im Norden und der Theis im Westen sprechen. Die Zweigstelle Temeswar der Rumänischen Akademie, das Institut für Banater Studien „Titu Maiorescu“ und die Enzyklopädische Gesellschaft des Banats haben am 15. Januar 2016 beim Sitz der Akademie-Zweigstelle in der Banater Hauptstadt den ersten Band der „Enciclopedia Banatului“ (= „Banater Enzyklopädie“) – Generalkoordinator ist Prof. Dr. Crișu Dascălu – vorgestellt. Erschienen im Verlag „David Press Print“ Temeswar, 2015, ist dieser erste Band der Literatur im historischen Banat (auf drei Länder heute verteilt: Rumänien, Serbien, Ungarn) gewidmet. Insgesamt 204 Namen der deutschsprachigen oder / und -schreibenden Personen, ihre Geburts- und Sterbedaten und Einzelheiten zur Person und ihrem Schaffen beinhaltet dieser Band.
Ich werde mich bemühen möglichst kurz und bündig über vier Schriftsteller zu sprechen – aus einem jeden Verwaltungskreis des rumänischen Banats einer.
Beginnen möchte ich mit dem südlichsten Zipfel des Banats, also mit Orschowa im rumänischen Verwaltungskreis Mehedintz.
Otto Alscher ist einer der bedeutendsten deutschen Schriftsteller des Banats. Geboren am 8. Januar 1880 in Perlas / Theiß (heute Wojvodina, Serbien), hat Otto Alscher 1904 die Graphiker-Schule in Wien absolviert und ist bereits ein Jahr später ins Banat zurückgekehrt und hat sich in Orschowa, in der „Gratzka”, ein Häuschen eingerichtet. Im Laufe seiner Lebensjahre ist er immer wieder an diesen Ort zurückgekehrt, für ihn ein Ort der Besinnung und der Inspiration. Seine Wege führten ihn nach Budapest, Belgrad, Temeswar und Lugosch, wo er Zeitungen und Zeitschriften herausbrachte, leitete oder als Journalist daran mitbeteiligt war.
Sein erster Band erschien 1909 in Stuttgart. Weitere Bücher erschienen in Berlin (1910, 1912), München (1914, 1917, 1928, 1937) und Temeswar (1915, 1943). Seine berühmtesten Werke waren die Jagd- und Tiergeschichten. Dadurch wurde er im ganzen deutschen Sprachraum bekannt und geschätzt.
Otto Alscher starb verhungernd in Târgu-Jiu, im Internierungslager der Kommunisten, am 30. Dezember 1944. Posthum erschienen seine Bücher in Bukarest (1967, 1968, 1970, 1971, 1972, 1975, 1976, 1977, 1980, 1986) und München (1995).
Anlässlich des 50. Todestages des Schriftstellers enthüllte der Kultur- und Erwachsenenbildungsverein „Deutsche Vortragsreihe Reschitza” mit Hilfe des damaligen bundesdeutschen Konsuls Uwe Zorn am 10. Dezember 1994 eine zweisprachige Gedenktafel am Rathaus in Orschowa.
Ein Fragment aus Otto Alschers Beschreibung der „Gratzka“ bei Orschowa, der Anfang der Kurzgeschichte „Der Bär im Sommersegen“ lautet so:
„Der Bergwald atmet in schwerer, heißer Mittagsruhe. Er geht so steil hinab, als stiege er aus der Erde letzter Tiefe auf. Jenseits fern dunkeln andere Wälder, blauen Berge im Sonnenglast schwimmend. Zikaden schrillen, scharf und kreischend, als suchten sie mit aller Macht die Ruhe des Waldes zu zerreißen.
Der Hang ist felsig, in Stufen stoßen Kalksteinblöcke hervor; wo aber die Sonne in der Wipfeldecke eine Lücke findet, wuchern Brombeeren, voll der reifen Früchte. Und dies undurchdringliche Gewirr ist belebt von unzähligen Vögeln, ununterbrochen schwirren Schwarz- und Ringamseln und alle Arten Drosseln, bis zu den schweren Krametsvögeln ab und zu.
Vorsichtig muss der Schritt sein, um dieses reiche Leben der Wälder in seiner Sommerfreude nicht zu stören. Dadurch wird ein junger Dachs überrascht, der an einer tief schattigen Stelle Morcheln aus dem Altlaub wühlt, er wirft erschreckt den schmalen Kopf mit den schwarzen Wagenstreifen auf, um polternd, mehr rollend den Hang hinab zu flüchten.“[1]
Wir fahren nun mit unserer literarischen Reise Richtung Norden fort und kommen zu meiner Heimatstadt Reschitza.
Alexander Tietz wurde in Reschitza am 9. Januar 1898 in einer Intellektuellenfamilie geboren. Nach dem Studium in Temeswar und Budapest kehrte er als Lehrer in seine Heimatstadt zurück. Er war einer der anerkanntesten Erzieher deutscher Muttersprache des XX. Jahrhunderts in Reschitza, der seinen Schülern die Liebe zur Heimat, Kultur, Tourismus und Umweltschutz beibrachte.
Die Liebe zum Banater Bergland verhalf ihm in seiner Suche nach Volksgut im Banater Bergland, das ihm auch die Bekanntheit im deutschsprachigen Raum erbrachte.
Er starb am 10. Juni 1978 infolge eines Verkehrsunfalls in seiner Heimatstadt Reschitza und wurde ebenfalls hier, zwei Tage später, am Friedhof Nr. 5 unter großer Anteilnahme beerdigt.
Am 19. Oktober 1995 wurde in Reschitza die Deutsche „Alexander Tietz”-Bibliothek offiziell eröffnet. Heute gehört sie zum Jugend-, Dokumentations- und Kulturzentrum „Alexander Tietz“. Am 6. Oktober 2005 wurde vor dem Zentrum eine Büste Alexander Tietz‘ enthüllt. Am 24. Februar 2004 wurde ihm die Ehrenbürgerschaft post mortem des Munizipiums Reschitza verliehen.
Geschätzt für seine 9 Eigenbände (4 posthum – davon 3 mehrsprachig übersetzt) und zahlreichen Veröffentlichungen in verschiedenen Publikationen und Bänden im In- und Ausland, bleibt Alexander Tietz die bekannteste deutsche Persönlichkeit des Banater Berglands des XX. Jahrhunderts.
Ich zitiere nun Alexander Tietz:
„Das Banater Bergland weist durch seine stürmische geologische Vergangenheit einen außergewöhnlich mannigfaltigen Reichtum an Landschaften auf.
Aus drei Elementen setzt sich das Bild dieses Landschaftsgebietes zusammen:
Erstens, im Westen, das von altersher abgeholzte, grüne, mit Szallaschen besprenkelte Hügelland, das, von oben gesehen, einer erstarrten wogenden See gleicht: es ist das Vorland des Gebirges; … zweitens, im Osten, der Bergwald, der von den wasserreichen, aus Urgestein bestehenden Hängen des Semenik über ungezählte Kämme, Gräben und Täler flutend, sich gegen Sonnenuntergang hinabsenkt; der, noch im vorigen Jahrhundert Urwald und später, als Forstbesitz der … StEG, der Eigentümerin des gesamten Karascher Montangebietes, ohne Siedlung, ohne Bauerngehöfte, ohne Szallaschen, ohne Hirten geblieben, sich in großartiger Einsamkeit über viele Quadratmeilen erstreckt;
und drittens, das Banater Kalksteingebirge, das sich vom Rande der Ebene nach Süden bis zu der Unteren Donau dahinzieht; das Karstgebiet, das mit seinen typischen Merkmalen, mit seinen öden Steinhalden, mit seinen trichterförmigen Vertiefungen, den Dolinen, mit seinen tief eingekerbten Schluchten, in denen das kristallklare Wasser der Gebirgsflüsse rauscht, mit seinen ungefügen Felswänden, Zacken, Zinnen, Türmen, Nadeln, mit seinen unterirdischen Bächen, Meeraugen, Quellen, Wasserfällen, Höhlen, Schächten, Grotten dem Bergland sein phantastisch-pittoreskes Gepräge gibt. Rilke sagt: «Die Ebene hat keine Namen». Unser Landschaftsgebiet aber hat tausend Namen. … Man könnte das Banater Bergland geradezu als die Landschaft der sprechenden Winkel definieren.“[2]
[1] Aus: „Deutscher Volksbote“, 17.03.1944, Seite 7. Diese Geschichte bildet den Abschluss der Auswahledition „Ein Augenblick und eine Seele. Im Werk Otto Alschers“, Hrsg.: Helga Korodi, eBook, 2016.
[2] Aus: Alexander Tietz, „Wo in den Tälern die Schlote rauchen. Ein Lesebuch“, Literaturverlag Bukarest, 1967, Seiten 6 – 8