Ist die Tragödie des Komitats Branau die Tragödie der Ungarndeutschen?

Von Patrik Schwarcz-Kiefer

Laut der Volkszählung von 2011 war im ganzen Land die Minderheitenbevölkerung in der Branau/Baranya die größte, ungefähr 12% der Bewohner bekannten sich zu einer der gesetzlich anerkannten Nationalitäten Ungarns (die Deutschen machten 5,7% der Einwohner der Branau aus). Madjaren, Deutsche, Kroaten leben friedlich nebeneinander und machen bunter die auch sonst nicht eintönigen Hänge des Mecsek.

Im Spiegel der Geschichte und Statistik

Die in den kommunistischen Zeiten vollzogene Dorfzerstörung hat den meist agrarisch geprägten Branauer Deutschen deutlich zugesetzt, denn die aus den Dörfern in die Städte Umziehenden haben sich schneller in die madjarische Mehrheitsbevölkerung assimiliert. Das Komitat und damit der Komitatssitz Fünfkirchen/Pécs konnten den Wirtschaftsschock der 90er Jahre bis heute nicht überwinden, das Fehlen der geschlossenen Werke und Bergwerke (die vielen Ungarndeutschen eine ständige Arbeit bedeutet haben) ist schmerzhaft. Es ist noch schlimmer, dass diese in den letzten Jahrzehnten nicht ersetzt wurden.

Der EU-Beitritt des Landes konnte die Probleme des Komitats auch nicht lösen, laut statistischen Angaben war die Region Südtransdanubien, damit die Branau auch, unter denjenigen Regionen, die die EU-Gelder mit der geringsten Effizienz genutzt haben bzw. nutzen. Die letzten 25 Jahre haben dazu geführt, dass die einmal dynamisch entwickelnde Region heute zu den ärmsten Regionen des Landes gehört. Vielsprechende ist es, dass die Löhne in der Branau nach Sala/Zala die niedrigsten in Transdanubien sind, dass die industrielle Produktion in der Branau die geringste ist und dass die Arbeitslosenquote nach Saboltsch-Sathmar-Bereg in der Branau am höchsten ist. Die demographische Situation des Komitats ist auch tragisch, der Bevölkerungsrückgang ist konstant. Zwischen 2010-2016 nahm die Gesamtbevölkerung des Komitats um 20 000 Personen ab, laut Statistikamt KSH. Wenn wir diese Abnahme auf die Branauer Deutschen projizieren und dabei von einem optimistischen Szenario ausgehen, so leben um die 1100 weniger Ungarndeutsche im Komitat als 2011. Nach lokalen Maßstäben die komplette Bevölkerung von 3-4 Dörfern.

Wie sieht die Zukunft der Branauer Deutschen aus?

Im Jahre 2011 lebten 22 150 von den sich auch zur deutschen Minderheit bekennenden ungarischen Staatsbürgern in der Branau, ein Fünftel der gesamten deutschen Bevölkerung des Landes. Ein vielsprechendes Beispiel für die Bedeutung der Branau ist der Landkreis Bohl/Bóly, dessen Bevölkerung zu 21-25% ungarndeutsch ist. Hier und in anderen Kreisen des Komitats bilden die Ungarndeutschen also eine große, beträchtliche Minderheit.

Die oben vorgestellte schlechte Situation des Komitats bedroht auch die Zukunft des Ungarndeutschtums. Die immer menschenleerer schwäbischen Dörfer füllen sich nur zu Festzeiten mit Leben, den Nummernschildern nach fühlt man sich in Deutschland. Je schneller sich die wirtschaftliche Abspaltung des Komitats fortschreitet, desto sicherer wird es, dass die Leute lieber ab- oder – noch schlimmer – auswandern. Und das, obwohl in seinem Ablauf langsamer, führt dazu, was in Siebenbürgen und im Banat bereits Realität ist: zum totalen Verschwinden des Deutschtums.

Für diese Probleme gibt’s keinen sicheren Lösungsvorschlag, das Ungarndeutschtum alleine ist wenig um die wirtschaftlichen Probleme zu lösen. Aber das Mindeste ist, dass wir es formulieren: Die wirtschaftliche Entwicklung der Branau ist eine Schlüsselfrage für das Ungarndeutschtum. Das muss in jedem Forum betont werden. Die Nationalitätenpolitik kann und darf sich nicht nur auf kulturelle Themen beschränken, man muss sich auch um wirtschaftliche Fragen kümmern. Das Beispiel der Branau zeigt dies am besten. Das Schicksal der Branauer Deutschen ist wichtig, weil es um die in seiner Identität stärkste Gruppe geht, die für eine Renaissance des Ungarndeutschtums als Basis dienen kann.

Foto: Der verlassene István-Schacht bei Seibolds/Mecsekszabolcs (Fünfkirchen/Pécs)

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