Mein (Ungarn-)deutschtum: Loretta Wágner

Eine Ungarndeutsche: So identifiziere ich mich auch und so stelle ich mich auch immer vor.  Dies wissen alle meine Bekannten über mich. Aber warum bin ich stolz darauf, was verdanke ich meinem Ungarndeutschtum, was ist meine bisherige Lebensgeschichte?

Ich heiße Loretta Wagner (20 Jahre alt), bin väterlicherseits ungarndeutscher Abstammung (meine Familie stammt aus Taks und Harast). Ich wusste lange nicht, warum ich mich so stark mit dem Ungarndeutschtum verbunden fühle. Aber meine Mutter sagte mir vor kurzem: Schon als halbjähriges Kind wurde ich auf die Musik der Takser „Insel Buam“ eingewogen. Deswegen bin ich fest davon überzeugt, dass die frühkindlichen Impulse eine enorm große Rolle spiel(t)en. Ich habe in Harast den Nationalitätenkindergarten und auch die -grundschule besucht und während dessen sieben Jahre lang in der dortigen ungarndeutschen Tanzgruppe getanzt. Bei meinen Großeltern habe ich zahlreiche Geschichten, Lieder von den Ungarndeutschen gehört, aber in diesen Jahren war es mir noch nicht bewusst, was ich eigentlich bin.

Eine neue Periode begann in meinem Leben, als ich im Deutschen Nationalitätengymnasium (DNG) in Budapest lernte. Dieses Gymnasium war die beste Entscheidung für mich, weil ich mehr über unsere Kultur und Vergangenheit erfahren konnte. Ich habe an einem Schwabenball Jugendliche aus Hartian kennen gelernt und war in Willand auf dem 25. Geburtstag der GJU mit den Haraster, und dann war es nicht mehr zu bremsen. Ich wurde 2014 Mitglied der Gemeinschaft Junger Ungarndeutscher. Ich nahm immer öfter an Veranstaltungen der GJU teil, machte bei Projekten am DNG mit (Forschungen in Hartau über die Vertreibung und Verschleppung der Ungarndeutschen). Dann habe ich neue Jugendliche mit ähnlichen Interessen und Herkunft kennen gelernt, und November 2015 war ich bei der Gründung der GJU Budapest dabei. Ich half bei der Realisierung von Programmen, gewann gute Freunde hinzu, eine super Gesellschaft. Ich wurde noch engagierter und 2016 wurde ich Multiplikatorin (Helferin) der GJU. Aber die größte Anerkennung in meinem bisherigen Leben ist der Valeria-Koch-Preis. Auf der Bühne in Fünfkirchen zu stehen und meinen Namen vor mehreren hundert Vertretern des Ungarndeutschtums zu hören, war ein unglaublicher Moment, den ich nie vergessen werde.

Was passierte mit mir nach den DNG-Jahren? Ich verlor den Kontakt zur GJU nicht (der manchmal der Fall ist), sondern leite ab diesem Jahr die GJU Budapest mit dem Ziel, Programmmöglichkeiten, eine Gesellschaft für die ungarndeutschen Studenten in der Hauptstadt zu bieten. Ich studiere seit 2016 International Business an der Corvinus-Universität, belege einige Fächer im Rahmen des deutschsprachigen Studiengangs. So lebe ich mit einer „Doppelidentität“: Ich bin eine normale Studentin in der hektischen Hauptstadt mit vielen Zielen und Vorstellungen und gleichzeitig vertrete ich auch das Ungarndeutschtum. Ich erzähle ganz gerne meinen Mitstudenten an der Universität über meine Abstammung, sammle neue Ideen, wie man solche Jugendliche noch mehr motivieren kann. Dank der GJU Budapest konnte ich mich praktisch und fachlich entwickeln, wie zum Beispiel Verantwortung für eine Gruppe übernehmen, auf Facebook posten, mitmenschliche Beziehungen aufbauen und erhalten, über das Drehen von einem Kurzfilm für „Abgedreht!“ und Organisieren von Flashmobs.  Dank der GJU bin ich um unvergessliche Erlebnisse reicher geworden: Reisen in Ortschaften und Erweiterung meiner Kenntnisse über die Vielfalt unserer Kultur, wobei ich auch gute Freunde, Bekannte gewonnen habe. Ich habe noch Erfahrungen über Gruppenarbeit, auch die Art von Präsentieren, Moderation, Berichtschreiben gesammelt. Als Multiplikatorin der GJU konnte ich mich am Jugendakteursforum von der IfA in Stuttgart weiterbilden. Jetzt arbeite ich in einer Gruppe von Jugendlichen, die daran arbeiten, andere Jugendliche zu motivieren, sich zu ihrer Identität zu bekennen. Dies machen wir auf Facebook über Posten von spannenden Beiträgen.

Und auf die Frage, warum ich all dies mache, wäre die Antwort sehr lang.  Ja, manchmal habe ich das Gefühl, dass es zu viel und anstrengend ist, ich verliere an Engagement. Aber danach bekomme ich ein Kompliment, eine Rückmeldung, dass unser Programm erfolgreich geworden ist, weiter so, und so bekommen immer mehr Jugendliche Lust, mitzumachen. Wenn wir neue Anfragen, Angebote von anderen Organisationen bekommen, wenn wir auf Mind-Netz erscheinen, wenn ein Student aus München uns aufsucht, mit dem Wunsch, über die ungarndeutschen Jugendlichen seine Diplomarbeit zu schreiben, um einige Beispiele zu nennen.

Ich denke, dass seit einigen Jahren eine immer größere Gruppe, eine Gemeinschaft von Jugendlichen vor allem in der Region Nord entsteht, die zusammenhält. Und wenn sie an einem großen Treffen teilnehmen, andere mit großer Freude als längst nicht gesehene Freunde begrüßen, dann spüre ich ein Zusammengehörigkeitsgefühl, das mich zufrieden und froh stimmt, etwas, was wir heutzutage mehr denn je brauchen.

Als Konklusion kann ich festhalten, dass ich eine positive Tendenz bei der Identitätsbekenntnis der Jugendlichen sehe: Es ist nicht mehr so „peinlich“ ungarndeutsch zu sein. Es hat Sinn, ehrenamtlich tätig zu sein und sich so zu entwickeln, aber irgendwie bei den alten Traditionen zu bleiben.

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