SB-Redakteur war zu Besuch in der Blaufärberwerkstatt von Johann Sárdi jun. in Großnaarad
SB: Wir befinden uns in der Blaufärberei von Johann Sárdi jun. und meine erste Frage wäre: Wie viele Werkstätten gibt es in Ungarn?
JS: Herzlich willkommen in unserer Werkstatt. Ja, das ist eine der Blaufärberwerkstätten in Ungarn. Diese fünf Werkstätten sind in Raab, Tolnau/Tolna, Almasch/Bácsalmás, Tiszakécske und bei uns in Großnaarad/Nagynyárád.
SB: Ist das ein traditionelles schwäbisches Handwerk?
JS: Bei uns auf jeden Fall! Früher hat es mein Vater, Johann Sárdi sen., gemacht. Zuerst hat er bei einem Meister aus Deutschbohl/Bóly gelernt. Zu dieser Zeit war Großnaarad ein ganz schwäbisches Dorf und viele Frauen haben auch diesen Blaudruck benutzt.
SB: Und warum färbt man mit Blau?
JS: Das ist eine interessante Frage, denn man kann auch andere Farben verwenden, aber der Blaudruck, das ist etwas Besonderes. Und dafür braucht man die Farbe Indigo. Indigo ist eine Pflanze, aus der man die Farbe herstellen kann. Diese ganze Technologie kommt aus dem Fernen Osten, aus Indien und China. Und später kam sie nach Europa, nach Westeuropa. Und als die Schwaben um das 18. Jahrhundert nach Ungarn gekommen sind, haben sie das mitgebracht. Die Fachleute haben schon in ihrer Kultur das Blaufärben benutzt und sie haben hier mehrere Werkstätten gegründet. Die Ungarn haben auch gesehen, dass es besser ist als nur Weiß. So brauchen sie auch mehrere Werkstätten, ein bisschen andere Farbe, andere Mode dazu, aber die Ungarn haben die Technik auch lange genutzt. Natürlich hat die Blaufärberei bei uns seit dieser Zeit ununterbrochen Bestand.
SB: Sie haben bereits erwähnt, dass Ihr Vater auch Blaufärber war. Wie sind Sie zum Beruf des Blaufärbers gekommen? Wie hat Ihre Karriere begonnen?
JS: Ja, als ich Kind war, in dieser Zeit konnten wir diesen Beruf nicht erlernen, weil in diesem Bereich nur die größten Fabriken und Unternehmen tätig waren. Die vielen kleinen Betriebe oder kleinen Werkstätten hatten aus politischen Gründen keine Unterstützung. Ich wurde als Chemiker ausgebildet. Und ich habe oft im Sommer mit meinem Vater zusammengearbeitet und die ganze Technologie habe ich von meinem Vater gelernt. Wie gesagt, wir haben viel zusammengearbeitet, und als er zu alt war und nicht mehr arbeiten konnte, habe ich angefangen. Dann leider, das ist jetzt 7 Jahre her, musste ich alleine weitermachen, denn er ist gestorben (Johann sen. starb mit 97 Jahren, Red.).
SB: Eine etwas persönliche Frage: Was gefällt Ihnen an der Blaufärberei am besten?
JS: Zum einen, als Chemiker ist es auch ein bisschen interessant, weil wir viele verschiedene Chemikalien verwenden und zum anderen, wenn jemand etwas macht und nur eine oder zwei Wochen später man sehen kann, was dabei herauskommt – das zu sehen, ist ein gutes Gefühl.
SB: Sie haben erwähnt, welche Materialien Sie verwenden. Woher bekommt man sie, zum Beispiel Indigo?
JS: Nun, Indigo als Farbe wird von verschiedenen Industrien hergestellt und verwendet. Früher wurde er aus Pflanzen hergestellt, aber seit 1950 sind die meisten Farben synthetisch. In Europa kauft man fast nur den synthetischen Indigo. Ich möchte aber immer bei der alten Technologie und dem alten Material bleiben. Im Moment bestelle ich den Indigo noch aus Indien, weil es dort eine Firma gibt, die den Farbstoff noch richtig aus Pflanzen extrahiert. Das ist im Moment nicht so problematisch, weil ich eine Rechnung bekomme. Das Geld überweise ich und zwei Wochen später steht der LKW mit der Farbe vor dem Haus.
SB: Können Sie kurz erklären, wie die einzelnen Schritte oder der Prozess der Blaufärbung aussehen?
JS: Ja, die Grundtechnologie ist, dass wir ein weißes Textil nehmen. Der Stoff wird gemustert und auf den gemusterten Stoff wird eine Paste aus verschiedenen Chemikalien aufgetragen, die die Grundfarbe während des Färbeprozesses schützt. Dann wird blau gefärbt und am Ende mit saurem Wasser ausgewaschen. Es gibt mehrere Arbeitsschritte. Zuerst müssen wir die Stoffe immer kochen. Und da brauche ich auch diese alte Technologie: Mit Waschsode koche ich die Stoffe eine Stunde lang, damit sie richtig sauber werden. Die nächste Phase kommt, wenn die Oberfläche ein bisschen hart wird, das ist wichtig wegen des Indigos. Dann kommt das Muster, dann tragen wir die Masse auf. Dann kommt die Färbung, das machen wir in der Kipa. Das ist ein zwei bis zweieinhalb Meter tiefer Brunnen in der Erde, der mit diesem blauen Wasser gefüllt ist. Dabei wird die Leinwand mit Hilfe eines Rahmens in die Indigofarbe getaucht und färbt sich dann an der Luft durch Oxidation blau. Je öfter man die Leinwand eintaucht, desto dunkler wird sie. Ich mache das etwa 14- bis 16-mal. Dann muss man das ganze Tuch drehen. Was unten war, kommt nach oben. Und dann tauche ich wieder sieben bis achtmal. Dann kommt das Waschen. Das ist auch eine lange Prozedur, weil ich sechs verschiedene Waschtechniken brauche. Dann muss getrocknet werden. Wenn das Tuch getrocknet ist, wird es auf eine Walze gerollt und es wird ein wenig nass gemacht und besprüht. Dann lasse ich es etwa einen Tag in der Rolle und es bleibt schön glatt. Es muss nicht gebügelt werden.
SB: Woher nehmen Sie die Inspiration für Muster und Design?
JS: Meistens hat mein Vater die Modelle gekauft. Das war früher ein eigener Beruf. Leider gibt es so etwas nicht mehr. Die meisten Muster, die wir verwenden, sind mindestens über 100 Jahre alt, aber das ist kein Problem, wir können sie noch 100 Jahre verwenden. Und Blaufärberwerkstätten gibt es sowieso nicht mehr viele. Mein Vater hat auch ein paar Muster gemacht. In der Umgebung von Willand wollten viele Weinkellereien eigene Motive auf der Schürze oder auf der Serviette haben.
SB: Wie sehen Sie die Zukunft der Blaufärberei? Die Leute kaufen heute lieber in Bekleidungsgeschäften ein. Was bedeutet das für die Blaufärberei?
JS: Ich kann sagen, dass diese fünf Werkstätten, die hier in Ungarn arbeiten, fast genug sind, weil die Leute das einfach nicht mehr so brauchen wie früher. Heute trägt niemand mehr Tracht. Aber wir können solche Kleider herstellen und zum Beispiel Volkstanzgruppen oder ähnliche Gruppen interessieren sich dafür.
SB: Haben Sie schon mal versucht, modernes Design mit der traditionellen Technik des Blaudrucks zu verbinden?
JS: Ja, das haben wir versucht. Seit zwei Jahren machen wir jedes Jahr einen Preis für Leute, die entweder professionell arbeiten oder das nur als Hobby machen. Im Frühjahr geben wir fünf Meter Stoff dazu und dann können sie daraus ein Kleidungsstück machen, nicht unbedingt eine Tracht. Das wird dann im Juli bei unserem Blaufärber-Festival auf der Bühne präsentiert und von einer Jury bewertet. Letztes Jahr waren es ungefähr 40 Kleider, aber dieses Jahr waren es schon 50 und nächstes Jahr hoffentlich noch mehr. Das finde ich ganz interessant, weil es einerseits Trachtenmode gibt, z.B. die Großnarader Tracht, oder man kann auch ganz moderne Sachen sehen, das ist immer ganz interessant, was sie mit dem Stoff gemacht haben und wie sie die Blaudrucktechnik angewendet haben. Hier kann man den Leuten zeigen, dass diese Naturstoffe sehr bequem sind, vor allem im Sommer.
SB: Gibt es internationale Beziehungen zwischen den Blaufärbern?
JS: Ja, aber zuerst möchte ich etwas erwähnen. Wir sind stolz darauf, dass wir 2015 das ungarische Kulturerbe erreicht haben, und drei Jahre später haben wir zusammen mit vier Ländern – den deutschen, österreichischen, slowakischen und tschechischen Blaufärbern – das UNESCO-Weltkulturerbe erreicht. Seit dieser Zeit kommen die Blaudrucker in Europa ein bisschen besser zusammen. Wir sind gute Freunde, einmal im Jahr treffen wir uns und können uns ein bisschen fachlich, ein bisschen freundschaftlich unterhalten. Und diese Zusammenarbeit wollen wir natürlich fortsetzen. Dieses Jahr im Juli war hier bei uns diese Blaufärbertagung. Die deutschen, die slowakischen und die österreichischen Kollegen waren hier. Die tschechischen konnten leider nicht kommen, aber ich hoffe, dass nächstes Jahr alle kommen. Dann können wir gemeinsam unsere Probleme besprechen und gemeinsam können wir auch leichter unsere Ziele erreichen. Es gibt nicht viele Branchen, die sagen können, dass die Zusammenarbeit so gut ist, wie bei den Blaufärbern.
SB: Herr Sárdi, vielen Dank für das Interview.
JS: Danke auch.
Das Gespräch führte Martin Szanyi.