Von Annkristin Teichert
In der Ausgabe 02/2022 des Sonntagsblattes haben wir bereits über die Zeitzeugin Klara Wagner (80) berichtet. Sie stammt aus der Branau, aus dem Dorf Ratzkoslar/Egyházaskozár, lebt jedoch seit längerem in Raab/Győr. In beiden Gemeinden bemüht sie sich darum das Erbe ihrer deutschen Vorfahren aufrechtzuerhalten. Dafür hat sie in den letzten Jahren auch Ahnenforschung betrieben. Ihr Interesse an ihrer Familie hat sie bis in die Vereinigten Staaten von Amerika gebracht.
Im Jahr 2016 hat Frau Wagner einen Speichel-DNA-Test gemacht. Mit Hilfe einer weltweiten Datenbank konnte Frau Wagner Verwandte in den USA ausfindig machen. Der Test bestätigte, dass sie zwar sehr entfernte Verwandte sind, doch konnten sie ihre Verbindung bis sieben Generationen zurückverfolgen. Seit sieben Jahren halten sie Kontakt und jetzt kam es auch zu einem persönlichen Treffen.
Ende Januar dieses Jahres kamen ein entfernter Verwandter, Chris Rusch, und seine Frau Marleny, zu Besuch nach Ungarn. „Eine Gemeinsamkeit zwischen Chris und mir ist, dass wir sehr an unserer Familie und unseren Vorfahren hängen“, berichtete Frau Wagner im zweiten Gespräch mit dem Sonntagsblatt. Im Juni kam dann die Einladung für die 80-Jährige in die Vereinigten Staaten, um an dem schon zum dritten Mal veranstalteten Familientreffen der Familie Rusch teilzunehmen. Frau Wagner erzählte, dass sie von der Einladung sehr überrascht gewesen sei, da sie dieses Jahr 80 geworden ist und nicht mit einer so langen Reise gerechnet hätte. Jedoch hatte sie sich dazu entschieden gemeinsam mit ihrer 26 Jahre alten Enkelin Ildikó zusammen an dem Treffen teilzunehmen. Ihr Motiv ihre Enkelin mit einzubinden, war auch zweiseitig. Einerseits spricht Ildikó gut Englisch, andererseits kann sie dadurch auch die Kontakte zu den Verwandten weiter erhalten. Somit verließen die zwei Frauen am 19. Juli Ungarn und reisten in die Vereinigten Staaten von Amerika, wie es wohl ihre Vorfahren auch gemacht haben, jedoch gemütlicher mit dem Flugzeug.
Das Treffen selbst fand am 22. Juli statt. Es begann um 10 Uhr in einem großen Park, wo Zelte aufgebaut worden waren mit Bänken und Tischen. Die Umgebung war nach Wagners Angaben auch sehr schön, es gab einen Spielplatz und einen großen See, an dem man Wassersport treiben konnte. Um den Rest kümmerten sich die Familienmitglieder selbst. Es wurden zum Beispiel bequeme Stühle für die Älteren mitgebracht. Dann wurde gemeinsam gegrillt, jeder hat etwas mitgebracht, es gab reichlich Essen, Getränke und natürlich auch Kuchen, so die 80-Jährige.
An dem Treffen nahmen insgesamt 40 Verwandte teil, und fast alle Altersgruppen waren vertreten. Klara Wagner beklagte jedoch, dass nur wenige junge Personen gekommen seien. Jedoch waren ein paar aus der Altersgruppe 40-50 und einzelne junge Mädchen um die 20-30 vor Ort. Sie konnte allerdings auch Chris‘ Cousine Kathy kennen lernen, die sich wie ihr Cousin auch mit der Ahnenforschung beschäftigt. Abgesehen von den beiden 70-jährigen Chris und Kathy sind von den Nachkommen noch drei weitere junge Frauen an der Genealogie interessiert. Jedoch konnte bedauerlicherweise nur eine von ihnen am jährlichen Treffen teilnehmen. April ist Dichterin und Schriftstellerin. Klara Wagner berichtete freudig, dass sie sogar einen der Gedichtbände von April geschenkt bekommen hat und dass in dem Band auch ein Gedicht mit dem Ahnenerbe beschäftigt. „Ich habe vier Donauschwabenanstecker mitgebracht als Geschenk. Chris gab sie denen, die er für würdig hielt“, erzählte Frau Wagner. Die Anstecker bekamen Chris, einer seiner Brüder, sowie zwei seiner Cousins erhielten ein Andenken an die ungarndeutschen Vorfahren.
Am nächsten Tag des Treffens besuchten sie die Gedenkstätte von Chris’ Großeltern, zu der Klara Wagner ein Band zu Ehren ihrer gemeinsamen Vorfahren mitgebracht hatte. Anschließend fuhren sie zum ehemaligen Haus ihrer Großeltern, in dem Chris’ Vater geboren wurde und das glücklicherweise noch heute steht.
Die zwei entfernten Verwandten Klara und Chris planen weiterhin in Kontakt zu bleiben. Für nächstes Jahr ist ein weiterer Besuch in Ungarn geplant. Chris habe auch noch weitere Pläne, berichtete Frau Wagner. Da es in Colorado noch keinen deutschen Verein gäbe, plant Chris einen zu gründen, um jeden mit deutschen Vorfahren aus den USA zu vereinen. Frau Wagner erklärte sich bereit die Kontakte in Europa für den Verein herzustellen.
Abgesehen davon seien ihre Verwandten leider nicht besonders an der Genealogie von ihren deutschen Vorfahren interessiert, berichtete Klara Wagner. „Während des Treffens habe ich mit Bedauern festgestellt, dass sich nur sehr wenige für ihre deutsche Herkunft interessieren. Das sehe ich auch bei uns zu Hause, bei der jüngeren Generation“, sagte sie. Jedoch erfuhr sie, dass sich die Ahnen von der Familie Rusch zunächst in Ungarn niederließen, von wo aus in den 1760er Jahren mindestens ein Sohn, Christopher Rausch/ Rusch/ Rauch, zusammen mit einigen anderen Familien nach Russland auswanderte. Sie lebten dort schließlich etwa 150 Jahre lang. „Es gibt auch Cousins und Cousinen in Europa. Ich werde dieses Thema weiter verfolgen…“, meinte abschließend Klara Wagner.