Von Robert Becker
Äußerlich betrachtet bin ich kein Kampfgeist – nur innerlich. Das ist meine Selbsteinschätzung, die jedenfalls eines ständigen Haderns mit sich selbst und einer Entwicklung im Verlaufe meiner Lebzeit unterworfen ist. Dabei geht es um den Sinn jeglicher Bestrebung, die in mir keimt oder heranwächst, aber auch um das Deutschtum in Ungarn. In Bezug auf Tun, Walten und Handeln soll ja eine vernünftige Sinnesfrage stehen. Illusionen machen einen langfristig zu einem Schattenkämpfer, zu einem Besessenen, der der Realität entfremdet wird, zu einem Don Quijote de la Mancha – und so zu einem Objekt öffentlichen Schmunzelns, wenn nicht harschen Gelächters hinter dem Rücken.
Wenn man mit Windmühlen kämpft – zu dessen Sinn tut die empfundene Ehrlichkeit seines Unterfangens nur wenig dazu. Man kann sich einer Ein-Personen-Gesellschaft weder unterordnen, noch sich ihr auf die Spitze stellen. Weder an jenem Strang lohnt es sich zu ziehen, an dem selbst Atlas mit aller Last dranhängt, noch an jenem, der vielleicht nur eines Stranges willen leer bis in das Weltall hineinragt; sonst kann einen wegen der Sinnlosigkeit seiner Tat zum Schluss selbst Sisyphos noch beneiden.
Dann gäbe es die wahre Chance sich jener sogenannten Realität zu verschreiben, die gerade um eine Leere gafft, der man aus diversen Richtungen versucht durch farbige Prismen eines Geisterschlosses zum Glanz zu verhelfen, wo statt der Wirklichkeit nur noch Leinwandprojektionen laufen und wo jede Rolle wahrer Akteure geübte Kaskadeure übernommen haben. Das Stück läuft zwar so gut, dass man zu gewissen Momenten sich durch das Beispiel mancher Mitwirkender oder Statisten an dem Spektakel ergötzen, sich begeistern, ja vielleicht sogar sich daran zu glauben zwingen könnte… Nur sehe ich ehrlich gesagt – zumal es ja ein Schauspiel ist – keinen Sinn darin.
Wobei einen Sinn gäbe es doch: Dass man aus seiner selbstverschuldeten Isolation in einen Kreis eintreten könnte, der nicht leer ist! Wäre es die Gemeinschaft selbst? Jener allerletzte Rest, der geblieben ist? Der, ob man es will oder nicht, schon alles ist? – Nicht weil man eingebildet ist, oder dass man zu hochmütig sei, um dies zu akzeptieren, aber man möchte sich nicht unbedingt zu den Führungskräften zählen: Man wäre gerne in der Basis. Nur ob die noch – wenn auch nicht zusammengehalten und angeführt – aber wenigstens berücksichtigt wird? Vorausgesetzt natürlich, dass man an ihrer wahren Existenz überhaupt noch glaubt! Da bin ich mir nicht mehr ganz so sicher.
Gut: Das Deutschtum in Ungarn ist zur Zeit der Wende in einem desolaten Zustand gewesen, nehmen wir mal diese These an. Doch sind fast alle, die diesem Rest in Wahrheit angehörten, nicht wie es im Idealfall hätte sein sollen, auch einzeln von den jeweils aktuell tätigen Spitzenvertretern und diversen Akteuren auf der Bühne unserer Realität abgeholt worden, sondern – ohne ihr Erbe jemandem auch nur vermachen zu können – durch ihren Tod davongegangen. So wurde unsere Substanz zu Grabe getragen und von der Zeit aufgefressen. Unser Deutschtum in Ungarn ruht bald sanft, was sich erst verzögert herauskristallisiert, denn Kristalle wachsen langsam.
Modellhafte Beispiele, gesinnungsmäßiger Ansporn und ehrliche Einsätze hätten es bringen können sowie eine Bildung, die einen breiten Querschnitt nicht nur zahlenmäßig erfasst und nicht nur jene Leistungen herauszuquetschen beabsichtigt, die sich in fächerbezogenen Leistungstabellen repräsentativ darstellen lassen, sondern eine Gesinnung, die tief verankert – sich mit soliden Sprachkenntnissen gepaart – eine zeitgemäße Identität darstellen könnte. Das alles hätte noch wachgerüttelt, wenn man uns nicht als Masse der butterweichen Anschmiegsamkeit und nicht als taktische Manövriergemeinschaft repräsentiert hätte, die um Mehrheitszustimmung buhlt, um noch mittelfristig eine möglichst langfristige Akzeptanz zu erwirken.
Die in sich vorausgesetzte Schläue dabei ist nur ein Geschmacksverstärker, ein Aroma, das unsere bittere Lage durch ein wenig Chemiesüße für alle, die uns verkosten wollen, noch genießbar machen soll. Dieser Pudding ist aber ohne Kalorie, er ist nur ein Teil unserer Selbstauflösungsdiät.
Hart zu kritisieren ist, nicht der angenommene oder selbst anerzogene, aber auch nicht der angeborene Stil einer seltsamen Nörglernatur. Diese Gesinnung hält nur bis zu jenem Moment, wo man die Idee noch für sinnvoll hält, etwas in eine Richtung der Besserung zu führen, eine Änderung von Bestand zu erreichen oder eine positive Wende herbeiführen zu können – sonst fällt die Flinte ins Korn. Dazu noch nicht bereit, alles ohne Sinn für sich zu erklären, öffnet man aber bereits die Munitionskiste der letzten Reserve in jenem Bewusstsein, dass man vielleicht darin nur noch Platzpatronen karger Worthülsen übrig hat. Wenn man auch verstummt, man bleibt doch, wer man ist.