Von Dr. Jenő Kaltenbach
Ich weiß, Sonntagsblatt und auch die Neue Zeitung sind für die Ungarndeutschen, also erörtert man darin nur Dinge, die unmittelbar mit der Gemeinschaft zu tun haben, als ob die Nationalität eine Insel wäre. Das hat in Ungarn eine lange Tradition. Man denkt, es ist besser, wenn man sich mit sich selbst beschäftigt, die Außenwelt tut es ja auch nicht für uns. Dinge, die außerhalb passieren, sind zwar nicht irrelevant, aber darüber schreibt ja die ungarische Presse, in der wiederum minderheitenrelevante Dinge kaum vorkommen. Integration schaut zwar anders aus, aber a megszokás nagy úr, sagt man auf Ungarisch.
Damit gibt es ein ganz kleines Problem, nämlich, dass die ungarischen Blätter die Welt aus der Sicht der Mehrheitsnation interpretieren, was nicht unbedingt deckungsgleich ist mit der der Ungarndeutschen, also werden die Mitglieder der Gemeinschaft auch auf diese Art und Weise schleichend „magyarisiert“.
Was wäre, wenn man versuchen würde mal diese Tradition durchzubrechen, und man sich wenistens ab und zu mit Themen der Allgemeinheit auseinandersetzen würde, also wie man Dinge aus der Sicht der Ungarndeutschen betrachtet?
Da wäre gleich etwas Aktuelles, worüber die ganze Welt spricht, einschließlich der Presse der alten Heimat. Es gibt nämlich gerade einen großen Skandal in Ungarn. Die Orbán-Regierung wird gerade beschuldigt, dass sie mit Hilfe eines Spionagesoftwares aus Israel namens Pegasus Oppositionspolitiker, Journalisten, Intellektuelle massenweise ausspioniert haben soll. Die Opposition und auch der Ausland sprechen von einer riesen Skandal, die Orbán-Regierung weicht aus, versucht wie üblich das Ganze so gut wie möglich zu vertuschen, oder sie geht zum Gegenangriff rüber.
Die erste Frage für uns lautet, gibt es darunter auch Mitglieder der Ungarndeutschen oder sind sie völlig uninteressant? Die zweite, wie kann dies erfahren werden, wäre es nicht die Pflicht der LdU mal höflich nachzufragen? Und die dritte, was sagt dazu unser lieber Parlamentarier, der gute Emmerich Ritter, der sich doch regelmäßig so verhält, als ob er Mitglied der Regierungsfraktion im Parlament wäre?
Weitere Fragen könnten sein, ob er weiterhin eine Regierung unterstützen will, die die eigene Bürger, darunter möglicherweise auch Ungarndeutsche ausspioniert? Kann man diese politische Treue durch finanzielle Unterstützung von ungarndeutschen Projekte quasi erkaufen? Was sagt dazu die LdU? Ist es überhaupt ein Thema, das man bei einer Sitzung irgendeines Gremiums mal diskutiert, oder man duckt sich halt, der Tradition entsprechend, schön weg? Wie steht es mit einer Konsultation mit der deutschen Botschaft, da die deutsche Regierung natürlich auch damit zu tun haben muss? Schließlich hat sich die deutsche Kommissionspräsidentin der EU, Ursula von der Leyen, ziemlich besorgt darüber geäußert. Sie sagte, wenn es sich bewahrheitet, dann ist es eine sehr ernste Sache, die Konsequenzen haben muss! Katharina Barley, deutsche Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments, fordert schon lange, die Einfrierung der EU-Gelder für Ungarn, wegen drt mehrmaligen schweren Verletzung des europäischen Rechts.
Ich weiß, dies sind alle unbequeme Dinge, die man am besten vermeidet, so tut, als würden sie uns nicht berühren, obwohl im Unterbewusstsein man zumindest ahnt, dass dies möglicherweise eine falsche Annahme ist.
Was man auf keinen Fall tun darf, ist, dass man sich nicht, zumindest intern und in Ansprache mit relevanter Partnern, der Sache nachgeht und eventuell nötige Schritte für die Zukunft beschließt.
Im nächsten Frühjahr wird wieder einmal gewählt. Die Mitglieder der deutschen Gemeinschaft haben erneut die Möglichkeit jemanden aus ihrer Mitte ins ungarische Parlament zu schicken. Ich kann nur hoffen, dass das eine richtige Wahl wird. Nominierungsrecht hat zwar die LdU, aber darüber zu entscheiden, wer schließlich Erster auf der Liste wird, sollte man nach einer Art von Rennen entscheiden, wo der geeignete Kandidat nach seinem/ihrem Programm und Persönlichkeit bewertet wird.
Also, man sollte langsam auch politisch erwachsen werden, schließlich liegt bereits ein ziemlich langer Weg dahin hinter uns.