Von Georg Krix
ZUM GELEIT
Unter Sonntagsblatt verstehe ich die leider SO SELTEN ERSCHEINENDE ungarndeutsche Zeitung „für das deutsche Volk in Ungarn”, die eigentlich schon – ihrer Seltenheit wegen – umbenannt werden sollte, z.B. als „Zeitung der vier Jahreszeiten”. Nachdem ich doch ein aufmerksamer Leser dieser Zeitung bin, so kommt es eben vor, dass ich oft vergesse, was ich im letzten (Wochen?) Blatt (vor drei Monaten oder gar früher) gelesen habe, was mir damals gefiel oder eben nicht gefallen hat – worauf ich auch (damals) eine Meinung hatte, sozusagen als Merkwürdigkeit. Ja, vor Jahren ließ ich mich noch oft mit kritischen Bemerkungen hinsichtlich ungarndeutschen Lebens in Ungarn sehen und hören, doch inzwischen bin ich ja älter geworden und auch ungeduldiger. Damit will ich sagen: Ich habe eingesehen, dass meine kritischen Bemerkungen vielleicht manchen Lesern gefallen, jedoch wirkungslos („für die Katz”) sind. sie führen weder zu einer Änderung der kritisierten Missstände, geschweige denn zu einer Meinungsäußerung der Kritisierten (Personen oder Amtsstuben) und bewirkten sogar nicht einmal eine Leserzuschrift (mit Lob oder Tadel, bzw. Stellungnahme).
Doch ein guter Freund sagte mir dieser Tage, es genüge nicht eine „Wichtigkeit” (in meinem Fall: Kritik, Merkwürdigkeit) einmal zu sagen: Man muss diese ständig wiederholen, sozusagen den Menschen in den Kopf einhämmern, wie einst in unserer Kindheit in der Volksschule, wo wir täglich, ja beinah stündlich immer, bevor der Lehrer zur Stunde in die Klasse trat, das Egyszeregy – Einmaleins – gemeinsam und laut vorleiern mussten. Schließlich haben wir es dann während der ganzen Schulzeit in der Rechenstunde – ja später auch im Leben – gebraucht und gekonnt und es hat manchem Außerwählten im Leben zur Karriere verholfen.
ZUR SACHE
Merkwürdig ist (für mich) vor allem, dass ich das heutige – sagen wir „neue” – Sonntagsblatt oft (das soll heißen: manche Beiträge) nicht verstehe. Die Sprache – obwohl deutsch! – kommt mir fremd vor und inhaltlich gesehen habe ich Schwierigkeiten den Sinn des Gelesenen zu begreifen. Warum? Nun, der Grund ist wahrscheinlich bei mir selbst zu suchen. Ich bin eben alt geworden, komme aus einer anderen Welt und habe sicherlich in den letzten Jahrzehnten mit der Entwicklung (auch auf sprachlichen Gebiet) nicht Schritt halten können. Als Beispiel könnte ich den Artikel über „…Netzwerkwissenschaften” anführen (SB Nr. 4. 2020, S.28), weil ich diesen eben zu jener Zeit gelesen habe, als für mich die Frage aktuell war: „Lasse ich mich impfen, oder nicht?” Ich wollte darin eine Antwort, einen Rat auf meine Frage finden. Ich bin jedoch nicht klüger geworden. So ähnlich erging es mir beim Lesen des Leitartikels in SB 3/2020 „Die Jungen Wilden vom Sonntagsblatt”. Ich stellte mir die Frage: „Was war bisher ’falsch’ beim Sonntagsblatt?” „Und wie tönt die Stimme der neuen Generation der Ungarndeutschen?”, „Wer, wie und wie viele sind diese plötzlich auftauchenden Wilden?” – deren Plattform das SB sein will. Schöne/große Worte! Doch was soll ich dahinter sehen? So sehr ich auch meine alten Augen anstrenge, ich sehe – leider – nichts Erfreuliches im Kreise der mich umgebenden ungarndeutschen neuen (jungen) Generation. Ich merke nur, dass es nun schon seit Generationen keine Erziehung gibt in Richtung lebendige ungarndeutsche Zukunft. „’Clicks’(?) auf die digitalen Plattformen…” – wie Herr Armin Stein meint – werden das Sonntagsblatt nicht in den Himmel heben. Dennoch glaubt unser Freund Dr. Till aus Ofala, dass dies den Jungen Wilden gelingen könnte (SB 4/2020, S.31). Naja, so ist es halt: Dem Einen der Hafer, dem Anderen das Stroh…
Merkwürdig kam mir der Leitartikel in SB 4/2020 „Wo der Schuh drückt” vor. Merkwürdig deshalb, da ich nun überzeugt wurde, dass nicht nur bei mir der Schuh drückt bzw. dass sogar auch der ´Zeitungsschreiber’, unser guter Herr Guth, ebenfalls die Schmerzen fühlt und mit offenen Augen nach wirksamen Heilkräutern Ausschau hält.
Dabei muss ich ihm jedoch beim Thema „leidige Demografie” (teils) widersprechen, wo er meint, dass die statistischen Zahlen von einst und heute wohl stimmen, die aber auch verraten, dass zu Zeiten von ’Väterchen’ Kádár die damals gehandhabte Strategie für Bevölkerungszuwachs viel erfolgreicher war als die heutige des ’Tyrannen’ Orbán. Ja, aber warum? In den 1970er Jahren kamen bereits die Kinder bzw. Enkel der ehemaligen Ratkó-Kinder aus der Rákosi-Ära zur Welt. Welch ein Unterschied in der zwischenzeitlich erfolgten Liberalisierung in der Familien-Politik!
„Leidig” ist das Thema Demographie für uns Ungarndeutsche u.a. auch hinsichtlich Abwanderung („Wenn das Dorf stirbt”) so wie auch in Bezug Volkszählung. Das Aus- oder Absterben von manchen Dörfern ist freilich nicht nur ethnisch, also aus ungarndeutscher Sicht ein trauriges Merkmal, obwohl schwäbische (auch von Schwaben bewohnte) Dörfer sicherlich mehr dieser Gefahr ausgesetzt sind. Beim Abwandern unserer Landsleute in deutsches Sprachgebiet spielt auch die vor Jahrzehnten erfolgte Entwurzelung (noch) eine Rolle, wie auch das instinktgemäß noch vorhandene (sprachliche/kulturelle) Zugehörigkeitsgefühl.
Ja, ein „merkwürdiges” Gefühl! Leider kommt dieses auch bei den (bisher „namenlosen”) Volkszählungen zum Ausdruck, indem sich unsere Landsleute anstatt eines standhaften Bekenntnisses in Sachen Muttersprache und Nationalität in ein Versteckspiel begeben und eine Mischmasch-Erklärung (oder gar keine) abgeben. Ist das immer noch die Folge von Angst (wegen ehemaliger Diskriminierungen)? – oder einfach nur Unwissenheit und Feigheit? Die in diesem Jahr fällige Volkszählung wurde nun auf Herbst nächsten Jahres verschoben, aber immer noch mit der Neuregelung, dass diesmal auch die ’richtigen’ Namen angegeben werden müssen (die dann – laut Gesetz – pseudonymisiert‘ werden sollen). Hier ist gute Aufklärungsarbeit gefragt. Zuständig dafür sind die Amtsträger der Selbstverwaltungen, der Vereine und der Presse. Eine Bewährungsaufgabe der Betroffenen. Bisher erfahre ich aber nur Windstille in Sachen Volkszählung, keine Aufmunterung und Ermutigung zu einem deutschbewussten Bekenntnis.
Ach, „Wo der Schuh drückt” – Leitartikel im SB 4/2020
Anscheinend – laut Herrn Guth – drückt er allerorts, hinten und vorne, oben und unten. Nun, was dann? Wo/wie ist Abhilfe zu finden? Gute Frage und schwierig darauf die richtige Antwort zu erraten! Ich empfehle unseren Landsleuten, insbesondere allen Sonntagsblatt-Lesern, besagten Artikel (in SB 4/2020, S. 1-3) wiederholt und aufmerksam durchzugehen, um die vom drückenden Schuh verursachten Wunden festzustellen und richtig deuten zu können. Ja, und dann selber auch eine entsprechende Heilsalbe kreieren und darlegen! Freilich, dieses Schuhdrücken verursacht keinen körperlichen Schmerz und bereitet daher – leider – den Leidtragenden keine (oder kaum) Sorgen.
Herr Guth, Autor besagten Artikels, hat bereits guten Anfang auf dem Wege der „Heilung” gemacht und hat damit eine sensationelle Wunderleistung – eine Merkwürdigkeit – vollbracht. Er hat über Telefon das Land, ja die Welt durchkämmt, hat alle Sonntagsblatt-Empfänger angesprochen und nach Lage, Erfahrung und Meinung befragt. (Habe darüber bereits in meinem Beitrag „Weißt DU…?”, SB 4/2020, S. 13-14 geschrieben!) Nun weiß er, wie und was man über das Sonntagsblatt denkt und auch wie es so allgemein um das Ungarndeutschtum bestellt ist. Sehr wichtig dieses Wissen! Nur, was kann man damit anfangen? Darüber sollten wir uns gemeinsam Gedanken machen. Auch hätte Herr Guth manch interessierten Leser zur Mitarbeit – Berichterstattung, Meinungsbildung – animieren können/sollen.
Drückt der Schuh, so kommt er wahrscheinlich von einem schlechten Meister. Der Schuh ist falsch „konstruiert”, er ist verdreht oder einfach zu eng! Man kann versuchen, den Schuh zu reparieren, zu dehnen. Am besten ist jedoch, man tauscht ihn aus, auf einen passenden. Und den Meister schickt man zum Teufel!
Unsere deutsche Volksgruppe in Ungarn hat leider schlechte Schuhe. Sie drücken – wie schon gesagt – vorn und hinten, oben und unten. Doch die Hersteller dieser Schuhe wollen (?) das nicht merken. Mit schönem Zureden und teurer Creme trachten sie eine Besserung – immerhin einen schönen Glanz – erreichen zu können. Man erbringt auf Landesebene selig und fröhlich machende Beschlüsse, erfindet Wurzeln und schafft Flügel. Auf Dauer (eigentlich überhaupt, wie das Leben zeigt) ist dies jedoch keine Lösung des Übels. Die Gesundheit, der Geist der Träger leidet darunter.
Leidet? Ja, wie das Leben zeigt! Bitte dazu den SB-Beitrag „Fünf Jahre danach” (Sonntagsblatt 4/2020, S. 6-8, ebenfalls von Richard Guth) zu lesen!
Unsere ungarndeutschen Würdenträger wollen – im Einklang mit zuständigen staatlichen Stellen – die Welt überzeugen, dass es in Ungarn deutsche (!) Nationalitätenschulen und Kindergärten gibt. Damit meint man Institutionen in Trägerschaft der deutschen örtlichen Verwaltung oder der Landesselbstverwaltung. Nun, wie „gut deutsch” diese sind, geht ja aus dem Artikel hervor oder lässt sich eben erahnen. Ich muss dazu die Frage stellen: Wissen unsere für Bildung zuständigen ungarndeutschen „Fachkräfte” überhaupt, was und wie eine wirklich (ungarn)deutsche Schule oder ein Kindergarten sein sollten? Ab und zu kann man wohl in der „Neue Zeitung“ und auch im Sonntagsblatt Berichte und Schilderungen von Erfahrungen bei Besuchen in Siebenbürgen (Rumänien) lesen, wobei man dann staunt, dass es dort wirkliche(!) deutsche Schulen gibt, so, wie es dort auch „echte” ungarische Lehranstalten gibt. Letztere so ganz nach dem Motto, wie im ungarischen Fernsehen in der Sendung „Határok nélkül”, „Grenzenlos” ich gehört habe: „Olyan magyar iskola, ahol magyar gyerkeket magyar tanerő magyar nyelven és a magyar ősök szellemében tanít és nevel”, also „Solche ungarische Schulen, wo ungarische Kinder von ungarischen Fachkräften in ungarischer Sprache und im Geiste der ungarischen Ahnen unterrichtet und erzogen werden”.
So nebenbei: Einst hat es – wohl nur für kurze Zeit – auch in Ungarn (echte) deutsche Bildungseinrichtungen gegeben. Wohl kann man jene Zeit mit der heutigen nicht vergleichen, dennoch sollte man darüber wissen und ich würde gelegentlich gerne meine persönlichen Erfahrungen zu diesem Thema verraten – nur so als Beispiel zur Aufklärung.
Merkwürdiges Sonntagsblatt?
Warum? Ich habe bereits einleitend versucht auf diese Frage einzugehen. Weil jedoch dieser Tage die neue Nummer des Sonntagsblattes (1/2021) mir in die Hände und zu gleicher Zeit über Telefon von einem alten Freund die Frage zu Ohren kam: „Sag mal, kommt dir das Titelblatt der neuesten Ausgabe nicht erschreckend vor? Da müssen doch unsere »Jungen Wilden« darüber lachen. Sonntagsblatt und Wochenzeitung Nr. 1 am 1. März!?!” Nun, ich habe erklärt und beruhigt. Auf die nächste Frage fand ich jedoch keine Erklärung. Warum nicht auch ein Foto in meinem Beitrag vom ursprünglichen Gründer des Sonntagsblattes (gemeint ist Jakob Bleyer) zu sehen ist? Hm, ja! Und warum so kleine Buchstaben und so eintönig/langweilig die Drucklegung? Ich wusste darauf nur zu sagen: „Nur nicht brummen, wird schon kummen!”
Ich selber will nicht Unmut aufkommen lassen, kenne ich doch selber zur Genüge all die Schwierigkeiten im Zusammenhang mit Entstehung und Gestaltung dieser Zeitung. Doch dabei sollte es nicht bleiben (Wochenzeitung vierteljährlich!?). Weg/Ausweg zur Besserung/Erneuerung muss gesucht und gefunden werden. Bestimmt gibt es Meinungen und Vorschläge dazu, nur der Mut fehlt diese auszusprechen, anzugehen, zu verwirklichen. Wie allgemein! Als Beispiel: Selten erscheinen „Meinungen” im Sonntagsblatt, wenn doch, dann (überwiegend) unter Pseudonym. Warum? Anno in der seligmachenden sozialistischen Zeit schrieb auch ich einige Male in der „Neue Zeitung“ und aus Vorsicht, um meine Person zu tarnen (schließlich war ich ja Angestellter in einem staatlichen Unternehmen) habe ich das Pseudonym ’Eisenbrunner’ verwendet. Doch die damaligen Wortführer der Zeitung, die Genossen Leipold und Stein, haben mich schnell enttarnt und an den Pranger gestellt. Doch heute leben wir ja (angeblich) in einer anderen Zeit.
Was ich damit sagen will: Das Sonntagsblatt tut gut, wenn es kritische Meinungen bringt. Aber: Es sollten ebenso Meinungen/Vorschläge zur Verbesserung der getadelten Zustände und zur Behebung der bestehenden Mängel vorgelegt werden. Die könnten Anstoß zu einer Debatte geben – und letztendlich auch zu Besserung führen. Dadurch würde das Sonntagsblatt erst wirklich MERKWÜRDIG werden.