Ungarndeutsche in der weiten Welt (2) – Kraftfahrer Anton Baling

Von Richard Guth

Es war ein „Gefällt mir“ oder ein Kommentar, ich weiß nicht mehr genau – der Name Baling (Báling) hat jedenfalls meine Aufmerksamkeit geweckt. Könnte er womöglich mit dem großen Journalisten und Sohn unserer Volksgruppe, Josef Baling, verwandt sein?! Nachfrage (kostet nichts), dank Facebook aber lange keine Antwort (schwierig, wenn man mit einem nicht „befreundet” ist)! Am dritten Advent hingegen kam dann die lang ersehnte Antwort (ziemlich überraschend): Ja. Wie es sich im Gespräch herausstellte, meinten wir aber nicht den gleichen Josef, aber immerhin war dann die Frage der Verwandtschaft geklärt. Denn sie sind/waren miteinander verwandt, auch wenn nicht so eng.

„Ich bin ein Ungarndeutscher aus Wemend/Véménd, der seit 30 Jahren in Deutschland lebt”, stellt sich Anton Baling zu Beginn des Messenger-Gesprächs vor. 1990, mit 28 Jahren, kam der gelernte Automechaniker ins Land der Vorfahren, das er jedoch aus früheren Verwandtschaftsbesuchen in Baden-Württemberg wohl kannte. Die Idee kam von der elf Jahre älteren Schwester, die vor ihrem Bruder in Krefeld am Niederrhein ansässig wurde – etwas untypisch für ungarndeutsche Auswanderer vor und nach der Wende, die sich in der Regel in einem der drei südlichsten Bundesländer Baden-Württemberg, Bayern oder Hessen niederlassen oder -ließen. Anton Baling war einer der letzten Ungarndeutschen, der noch in den Genuss der Spätaussiedlerregelung kam: Nach einem kurzen Aufenthalt im Aufnahmelager in Friedland war er stolzer Besitzer eines deutschen Personalausweises, – als Beweis für seine deutsche Herkunft musste er nach eigenen Angaben die Kontaktdaten der vertriebenen Verwandtschaft in Baden-Württemberg angeben.

Die Integration in die deutsche Gesellschaft erfolgte nach Balings Erinnerung rasch, auch wenn er nicht in seinem alten Beruf arbeiten konnte, – er wurde schließlich Lkw-Fahrer und ist die ganze Woche über in Deutschland unterwegs. Er fährt in der Regel Blumen durchs Land, was in Corona-Zeiten mit dem zweiten Lockdown im Dezember die Logistikfirma vor große Herausforderungen stelle. Baling, der mit einer Frau bunjewatzischer Herkunft aus Mohatsch verheiratet ist, hat zwei Söhne, mit denen er und seine Frau Deutsch sprechen: „Die Jungs verstehen zwar Ungarisch, aber mögen lieber Deutsch sprechen. Der jüngste, Sebastian, ist bereits in Deutschland geboren.” Anton Baling sprach bei der Ankunft in Deutschland perfekt Deutsch: „Meine Mutter, die vor zwei Jahren über neunzigjährig starb, sprach mit mir in der Regel Mundart, das Wemender Stifoldisch. Geantwortet habe ich ihr in der Regel auch in der Mundart. Ungarisch lernte ich im Übrigen erst mit drei Jahren im Kindergarten”, erinnert sich der 58-Jährige, der aus einer Handwerkerfamilie stammt (sein 93-jähriger Vater ist Glaser und Tischler von Beruf).  Trotz Integration in die deutsche Gesellschaft würde er auch nach 30 Jahren als Ungar wahrgenommen, „die Leute hier wissen nichts vom Ungarndeutschtum.”

Anton Baling hat seine Kontakte zu Ungarn keinesfalls abgebrochen, fährt er doch jedes Jahr in die Branau. Ihn freue es, – auch wenn er sich in der Materie nach eigenem Bekunden zu wenig auskenne -, dass Brauchtum gepflegt werde, auch unter den Jugendlichen. „Bei der Sprache  sieht es aber düster aus, – mit dem Tod der Eltern, Großeltern verschwindet auch die Sprache”, so der Krefelder. Baling erlebte selbst den Niedergang der Branau  nach der Wende (er arbeitete bis zu seinem 28. Lebensjahr in einer LPG als Automechaniker), wo viele Firmen pleitegingen und geschlossen wurden, so dass man gezwungen gewesen sei, woanders sein Glück zu suchen. Für Anton Baling bedeutete es, dass er das Land verließ und ein neues Leben im Land der Ahnen aufbaute. Aber im Herzen blieb er, wie er sagt, ein Ungarndeutscher mit mehrfachen Bindungen.

Bildquelle:Wikipedia/Wemend

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