Projektkoordinatorin der Initiative „Für Zweisprachigkeit im Einzelhandel”,
Réka Szilágyi, im Sonntagsblatt-Gespräch
SB: Frau Szilágyi, erzählen Sie uns bitte über die Initiative.
RSZ: Die Initiative „Zweisprachig im Einzelhandel” (Kétnyelvűség a kereskedelemben) ist eine Aktion des Madjarischen Nationalrates in Siebenbürgen (MNR/EMNT), die mit dem Ziel gestartet wurde, die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf die Bedeutung und Anwendung der Zweisprachigkeit zu lenken sowie die Bilingualität im Einzelhandel zu stärken, dort, wo eine bedeutende madjarische Bevölkerung ansässig ist.
Als „Geburtsstunde” gilt der Zeitraum Februar/März 2019, als Enikő Sziget, Geschäftsführerin der Bewegung „Ziviles Engagement“ (Civil Elkötelezettség Mozgalom, BZA/CEMO), und Miklós Barabás, Aktivist der BZA, eine Fortbildung darüber gehalten haben, mit welchen Mitteln und Methoden Rechte und Interessen auf dem Gebiet der Zweisprachigkeit im Einzelhandel durchgesetzt werden können – Organisator und Urheber der Veranstaltung war der MNR. An der Fortbildung haben einige Regionalvertreter der Organisation aus Szeklermarkt/Miercurea Ciuc, Odorhellen/Odorheiu Secuiesc, Niklasmarkt/Gheorgheni, Szekler Neumarkt/Târgu Secuiesc und Boralth/Baraolt teilgenommen
Im Ergebnis hat der Madjarische Nationalrat in Siebenbürgen im März 2019 eine Kampagne für Zweisprachigkeit gestartet. Unser Ziel ist die Stärkung des Bewusstseins für den Muttersprachengebrauch im Kreise der madjarischen Gemeinschaft, denn wir machen im Alltag beim Einkauf oft die Erfahrung, dass wir für unser Geld weniger bekommen. Weiteres Ziel der Aktion ist es, dass die im Szeklerland ansässigen Firmen und Unternehmen in ihren Werbekampagnen sowie bei den Aufschriften noch mehr Wert auf die Zweisprachigkeit legen.
Die Aktion hatte auf mikroregionaler Ebene bereits Vorgänger, aber nun haben wir uns zum Ziel gesetzt, das gesamte Szeklerland abzudecken – koordiniert und einheitlich, mit einem festgelegten Fahrplan und mit konkreten Aufgaben.
SB: Wie sehen Sie die sprachliche Lage der Madjaren in Rumänien und wie verbreitet ist der Gebrauch der ungarischen Sprache im Alltag? Gibt es dabei regionale Unterschiede?
RSZ: Der Gebrauch der ungarischen Sprache wird gesetzlich geregelt – in den Verwaltungseinheiten, wo der Anteil der Madjaren 20 % übersteigt. Leider wird das Sabotieren des Gesetzes nicht bestraft, deswegen verzichten die Kommunen und staatlichen Institutionen in sehr vielen Ortschaften Siebenbürgens und des Partiums auf die Anwendung des Gesetzes. Es entstanden in der Vergangenheit mehrere Studien zwecks Untersuchung dieses Phänomens. Die Erfahrung ist, dass dort, wo der Anteil der Madjaren 60 % übersteigt, Zweisprachigkeit mit höherer Wahrscheinlichkeit in den Amtsstuben, Schulen und staatlichen Einrichtungen praktiziert wird. Wo aber der Anteil zwischen 20 und 50 % liegt – es gibt sehr viele solche Ortschaften in Siebenbürgen und dem Partium – dort werden in den meisten Fällen nur auf Druck von außen ungarische Aufschriften angebracht oder zweisprachige Formulare erstellt. Im Szeklerland ist der Gebrauch der ungarischen Sprache weit verbreitet, auch in den Amtsstuben und Geschäften, aber wenn man diese Region verlässt, dann hört man im offiziellen Kontext nur selten ein ungarisches Wort. Unter den Großstädten in Siebenbürgen und dem Partium liefern Klausenburg/Cluj-Napoca und Großwardein/Oradea ein herausragendes Beispiel, denn hier ist der ungarische Sprachgebrauch zunehmend konsequenter und auch seitens der Bevölkerung wird Druck ausgeübt.
SB: Wie haben die Vertreter des Einzelhandels auf die Initiative reagiert? Gibt es schon sichtbare Ergebnisse?
RSZ: Sie zeigen sich durchweg offen – das ist der generelle Eindruck. Wir haben viele Unterstützer. Wir haben im gesamten Karpatenbecken Fans, also auch außerhalb der Landesgrenzen, die hin und wieder auch ihre eigenen Erfahrungen mitteilen. Was unsere Ergebnisse betrifft: Mit dem Discounter Penny haben wir unseren ersten durchschlagenden Erfolg erzielt, denn als Antwort auf die Kampagne hat sich die Discounter-Kette, die sich in deutschem Besitz befindet (REWE-Gruppe, R. G.), in zwölf siebenbürgischen Ortschaften verpflichtet, die Kommunikation in der Zukunft zweisprachig zu gestalten: in Großkarol/Carei, Kovasna/Covasna, Niklasmarkt/Gheorgheni, Margarethen/Marghita, Szeklerburg/Miercurea Ciuc, Odorhellen/Odorheiu Secuiesc, Großsalontha/Salonta, St. Georgen/Sfântu Gheorghe, Sowata/Sovata, Neumarkt/Târgu Mureș, Szekler-Neumarkt/Târgu Secuiesc sowie in Valea Lui Mihai.
Unseren nächsten Erfolg erzielten wir mit Profi Food Room, wo der Erfolg zwar nicht hundertprozentig ist, aber in den Geschäften dieses Unternehmens in den Komitaten Harghita und Kovasna die zweisprachigen Aufschriften, Werbesprüche und Flugblätter bereits angebracht wurden. Mit dem Regionaldirektor des Discounters Profi haben wir vor einigen Tagen (Stand: Mitte August 2020, R. G.) verhandelt und mit dem größten Mobilfunkanbieter des Landes, Orange, führen wir auch Verhandlungen.
Parallel dazu haben wir uns im Februar postalisch an den Leiter des Einkaufszentrums NEST – das in Kürze in Szeklermarkt eröffnet werden soll – gewandt, um ihn zu bitten, dass man in den Geschäften und in der Kundenkommunikation die ungarische Sprache gebrauchen solle. Da das Management des Einkaufszentrums nicht verantwortlich für das Werbematerial der Geschäfte ist, haben wir jedes einzelne Geschäft angeschrieben. Als Ergebnis bemüht man sich in einzelnen Geschäften ausgesprochen um anspruchsvolle zweisprachige Kommunikation – z. B. bei LC WAIKIKI, Altex, Pepco, Martes Sport, Zoo Center, wo neben den Kundengesprächen auf Rumänisch und Ungarisch auch die Werbeflächen, Anzeigen, Beschreibungen der Produktkategorien, Flugblätter und sonstige Aufschriften zweisprachig sind, wohingegen man in anderen Geschäften – wie Takko, KIK, Deichmann, CCC und Orsay – ausschließlich die rumänische Sprache gebraucht und im Moment auch keine Bereitschaft für Zweisprachigkeit zeigt. Natürlich führen wir dort, wo es noch nicht dazu gekommen ist, weitere Gespräche mit den Betreibern der Läden.
Auf unserer Facebook-Seite veröffentlichen wir fortlaufend die positiven und negativen Beispiele im Bereich der Zweisprachigkeit im Einzelhandel und hoffen, dass die Ladenbesitzer und -betreiber immer mehr darauf aufmerksam werden. Es kam auch schon vor, dass der Betreiber eines Cafés dank unserer Kampagne, ohne Anfrage unsererseits, die Eistheke, die bis dahin auf Rumänisch beschriftet war, bilingualisieren ließ und dies uns im Nachhinein mitteilte. Gleichzeitig erreichen uns stets Anfragen, solche Einzelhandelsgeschäfte aufzusuchen, wo die ungarische Sprache neben der rumänischen keinen Platz findet.
SB: In der Slowakei stellte sich die vormalige Regierungspartei Most-Híd an die Spitze der Zweisprachigkeitsinitiative (nach Vorarbeit der Bewegung für eine Zweisprachige Südslowakei) in erster Linie im Bereich Verkehr – wie steht die rumänische bzw. rumänienmadjarische Politik zu dieser Frage?
RSZ: Wir haben die diesbezüglichen Bemühungen von Most-Híd nicht verfolgt. Wir glauben, dass in jeder madjarischen Gemeinschaft im Karpatenbecken der Gebrauch der ungarischen Sprache wichtig ist, nicht nur im Privaten, sondern auch in jedem Bereich des öffentlichen Lebens: auf den Straßen, in den öffentlichen Institutionen, in der Schule usw. Besonders wichtig ist es in den Städten und Dörfern, in denen der Anteil der madjarischen Gemeinschaft mehr als 20 % beträgt oder – unabhängig von diesem Anteil – dort, wo wir historische, kulturelle Wurzeln haben. Dies könnte sich im Einzelhandelsbereich zu einem touristischen Faktor entwickeln: Die Mehrheit der Touristen und Besucher schätzt es, wenn sie in mehreren Sprachen – auch in der Sprache der Autochthonen – Wegweiser und Aufschriften finden. Die rumänische Politik meidet gänzlich dieses Thema oder, wenn es zur Sprache kommt, entgegnet man: Wir haben ja ein Sprachgesetz – wir haben es mustergültig gelöst. Aber darüber, wie es um die Umsetzung dieses Gesetzes in Siebenbürgen bestellt ist, darüber sprechen wir selbst und die politischen Repräsentanten der Siebenbürger Madjaren zu wenig. Es entstanden madjarischerseits auch einige Vorschläge zur Modifizierung des Gesetzes – z. B. zwecks der Einführung einer alternativen Schwelle neben der 20 %-Regel –, aber diese konnte man nicht durchsetzen. Denn wenn es die Frage auf die politische Agenda schafft, wird sie sofort von nationalistischen Tönen begleitet. Im Falle staatlicher Institutionen und Ämter gibt es keine Sanktionen, wenn man das Gesetz nicht anwendet. Die madjarischen Politiker sprechen zwar hin und wieder – meist in Folge einer zivilen Kampagne oder eines skandalösen Falles – über das Thema, aber in der Regel steht es nicht im Fokus und es mangelt an Kontinuität.
SB: Wieweit nennt Otto Normalverbraucher das Thema sein Eigen?
RSZ: Wie ich bereits erwähnt habe, ist Ziel unserer Initiative, dass die Bedeutung der Zweisprachigkeit bewusst wird, denn wir zahlen genauso viel für das Produkt oder die Dienstleistung wie die Rumänischsprachigen, aber bekommen für das Gleiche weniger, denn wir können den Service nicht in unserer Muttersprache in Anspruch nehmen. Deshalb auch unser Motto „Für mein Geld auf Ungarisch, bitte!“ Dadurch, dass wir unsere Bitte ständig zur Sprache bringen, erreicht unsere Botschaft immer mehr Menschen und unserer Ansicht nach wird der Anspruch auf Zweisprachigkeit – vor allem in den Ortschaften mit madjarischer Mehrheitsbevölkerung – nach einiger Zeit zur Normalität. Seit dem Beginn unserer Kampagne signalisierten uns immer mehr Personen Mängel beim Sprachgebrauch in diversen Unternehmen, Läden und Gastronomiebetrieben. Wir können in dieser Kampagne nicht auf jede dieser Anfrage reagieren, deshalb ermuntern wir diejenigen, die sich an uns gewendet haben, die Firmen direkt anzusprechen. Jedes Unternehmen ist profitorientiert: Wenn die Kunden die zweisprachigen Aufschriften beanspruchen, dann wird der Unternehmer dem entsprechen, denn er will seine Kunden nicht verlieren. Das funktioniert so. – Wir müssen Anspruch erheben! Unsere Erfahrungen zeigen, dass sich die Gegenseite offen zeigt – jedenfalls was den Einzelhandel anbelangt.
SB: Frau Szilágyi, vielen Dank für das Gespräch!
Weitere Informationen: Fb-Seite “Kétnyelvűséget a kereskedelemben”
Bildquelle:www.digitalhungary.hu