Das Erbe – Ein Name, der von deutscher Herkunft zeugt

Von Richard Guth

Wie schon so oft, begann es mit einem Facebook-Kommentar. Darin wies die Autorin auf die schwäbische Herkunft seines Vaters hin. Grund genug, um Kontakt mit der Dame, die seit Jahren in Australien lebt Kontakt aufzunehmen. Susanne, Zsuzsanna Háromszéki-Pencz heißt sie und stellte sich bereitwillig meinen Fragen.

Im Mittelpunkt stand dabei der Name Pencz, den sie immer noch stolz dranhängt, wie sie sagt „als Zeichen der Ehrerbietung dem Vater, den Vätern gegenüber”. Denn ihr bürgerlicher Name ist Háromszéki, ein Name, den der Vater, der nach Budapest zog und sich gezwungen sah, einen madjarischen anzunehmen, um voranzukommen, anstelle Pencz ab dem letzten Kriegsjahr trug. Frau Háromszéki-Pencz berichtete, dass ihr Vater 1899 in Kerekegyháza bei Ketschkemet geboren wurde, in einer schwäbischen Familie. Sie betrieben eine Kneipe im Ort. Das Dorf, so auch auf Wikipedia nachzulesen, wurde von Deutschen und Madjaren aus den umliegenden Dörfern besiedelt und trug den Spitznamen „Kukália”, „Stummhausen”. Warum? So erinnert sich Frau Háromszéki-Pencz an die Legende: Nachdem das Dorf besiedelt wurde, ging die Kommission von Haus zu Haus, um nachzuschauen, wie gut sich die Schwaben eingelebt haben. Die ungarischen Fragen verstanden die Schwaben nicht, woraufhin die Kommission feststellte: Hier wohnten nur „kukák”, also Stumme. Daher der Spitzname „Kukália”, angeleht an „Kerekegyháza”.

Die Familiengeschichte der Pencz/Háromszékis scheint ohnenhin voller Wendepunkte zu sein: Die Großeltern mütterlicherseits (der nichtdeutsche Teil der Familie) wanderten 1890 nach Kanada aus, wo 1908 die Mutter meiner Gesprächspartnerin geboren wurde. Nach ihren Erinnerungen bewegte das Heimweh die Familie, 1928 nach Ungarn zurückzukehren. Dieser familiäre Hintergrund, Vater Schwabe, Mutter Kandadierin, hätte bei der Aufnahme an der Hochschule für Geld- und Rechenwesen Schwierigkeiten bereitet – dennoch konnte sie sich dank ihren guten schulischen Leistungen, Aufnahme zu finden. Wie sie denkt, rechnete man damit, dass sie eh die Hochschule abbrechen würde. Brach aber nicht ab. Dem Studien folgten Anstellungen in staatlichen Betrieben, wo sie in der Personal- und Finanzabteilung arbeitete. Nach ihren Erinnerungen wurde sie wegen ihrer Herkunft als nicht zuverlässig eingestuft, was zur Folge hatte, dass man von ihr erwartete, der Partei beizutreten. Das trat sie nicht und schmiedete bereits Ende der 1970er Jahre Pläne das Land zu verlassen.

1983 war es so weit. Ihr Mann starb kurz davor, sie stand mit zwei minderjährigen Kindern da. Mit dem „Westpass” in der Tasche (auf den sie drei Jahre lang wartete und nur mit Sondergenehmigung erhielt) wagte sie den Sprung ins Ungewisse: „Ich konnte alles verkaufen, ohne dass man misstrauisch wurde. Die Wohnung im Steinbruch/Kőbánya und den Trabant Kombi. Ich muss nicht sagen, wie sehr ich zitterte, wenn ich einen Polizisten in meiner Straße erblickte.” Sie stiegen am 13. Juni 1983 in den Zug nach Wien, Bekannte halfen dort bei der Ankunft. Sie wurden in einer kleinen Pension untergebracht, sie ging nach eigenen Angaben arbeiten, die Kinder besuchten die Schule. Das „diszidálás”, in der DDR hieß es Republikflucht, blieb nicht ohne Frolgen, was wohl ihre Mutter zu spüren bekam, die fortan öfters von der Stasi Besuch bekam. Sie erhielt die Aufenthaltserlaubnis, wollte aber nach eigenen Angaben wegen der Nähe zu Ungarn nicht bleiben und reichte die Papiere bei der Botschaft von Australien ein. Sie erhielt politisches Asyl und kam mit den Kindern September 1985 in Melbourne an. Die Integration glückte: Sie lernte Englisch, absolvierte eine Schule für Tourismus und arbeitete noch 18 Jahre lang in einem Reisebüro, das ungarische Kunden bediente. Darüber hinaus war sie an Gerichten als Dolmetscherin tätig. Ihr Sohn heiratete eine ungarische Frau, ihre Tochter einen kroatischen Mann, also wieder Mischehen, wie im Falle von Frau Háromszéki-Pencz. Ihr liege sehr viel daran, die ungarische Sprache zu bewahren und an die Enkelgeneration weiterzugeben. Sie betrachtet sich als Ungarin/Madjarin in Australien.

Ihre Familiengeschichte zeugt von sprachlicher Assmililation in einer fremdsprachigen Umgebung, denn der Vater, der Ende des 19. Jahrhunderts geboren wurde, mit dem Großvater noch deutsch sprach. In der Familie von Frau Háromszéki-Pencz wurde aber ungarisch gesprochen. Sie selbst spricht die Sprache der väterlichen Ahnen ein wenig, nicht zuletzt sprachen sie ja in Wien diese Sprache, brauche aber nach eigenen Angaben immer ein paar Tage, um reinzukommen: „Ich brauche paar Tage, um mich zu trauen. Der Mann meiner Freundin ist Deutscher, sie leben in Stuttgart. Ich besuche sie öfters und brauche etwa zwei Tage, bis ich mit dem Mann Gespräche führen kann”. Sie selbst hat vom deutschen Erbe der Vorfahren den Namen bewahrt, auf den sie dennoch stolz ist. Ein Schicksal, das sie mit vielen teilt.

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