Von Richard Guth
Vor einiger hatte ich mehrfach mit einem ungarndeutschen Funktionsträger korrespondiert. Ich war neugierig, welche Möglichkeiten diese Person sieht – als Entscheidungsträger -, sich für den Fortbestand unserer Volksgruppe, mit der sie sich zu 100 % verbunden fühle, aktiv einzusetzen. Vieles wurde von dieser freundlichen und aufgeschlossenen Person genannt, über die Unterstützung von Initiativen, Programmen und der Errichtung von Begegnungsstätten und sonstigen Einrichtungen. Im Sinne der Traditionspflege. Unterstützung ja, aber aktiv, von sich aus tätig werden?! Insgeheim hoffte ich darauf, dass diese Person auch dazu Angaben macht, zumal unser viel gerühmtes vorbildliches Nationalitätengesetz, das vor kurzem zugunsten einer gewissen Stärkung der Sprachrechte modifiziert wurde (auch darüber haben wir berichtet), handfeste Möglichkeiten für die Stärkung der deutschen Sprache in der Öffentlichkeit bietet. Da man als seriöser Journalist die Antwort nicht in den Mund des Interviewten legen sollte , habe ich es dabei belassen.
Die Sache hat mich im Nachhinein aber ganz schön beschäftigt. Insbesondere nachdem ich ein Buch mit rumäniendeutschen Zeitzeugeninterviews in die Hand nahm – die Damen und Herren, allesamt jenseits von 70, berichten darin über ihr Leben und den Alltag ihrer deutschen Gemeinschaften querbeet in Rumänien. Es wird überall ein Bild gezeichnet, was man als kleine deutsche Welt bezeichnen kann. Selbst in den dunkelsten Jahren der Ceauşescu-Diktatur hörte man nach Erinnerungen der Zeitzeugen in den Städten des Banats, Partiums und Siebenbürgens auf den Straßen und Plätzen, in den Geschäften und öffentlichen Gebäuden deutsches (und ungarisches) Wort. Noch früher (aber bereits zu rumänischen Zeiten) soll das auch in den Amtsstuben üblich gewesen sein. Authentisch halt, eine Selbstverständlichkeit für jeden, der in diesem multiethnischen Raum ansässig war, ob in Bistritz oder Oberwischau, Hermannstadt oder Fogarasch, Temeswar oder Hatzfeld.
So ungefähr war das auch bei uns, den in Trianon Verbliebenen, jedenfalls nach Erinnerungen meines vor einem Jahr verstorbenen Freundes Franz Wesner, der in der multiethnischen Tolnau aufgewachsen ist, wo die Lait in der Regel mehrsprachig waren. Die Zeiten sind aber längst vorbei, trotz der mustergültigen Minderheitenpolitik Ungarns, das so gerne die Nachbarländer kritisiert, die ihre madjarischen Minderheiten unterdrücken sollen. Vor allem sprachlich.
Es gibt die Vision und es gibt die Realität. Die Vision von einer kleinen deutschen Welt in Ungarn, in der man auf Plätzen und Straßen, in Geschäften und öffentlichen Gebäuden deutsches Wort hört, in der man in den Amtsstuben sich der (verlorenen, aber wiedergewonnenen Muttersprache) seine Amtsgeschäfte erledigt. In der Amtsträger wie selbstverständlich Zweisprachigkeit in der Öffentlichkeit praktizieren und so die heilige „bőgatyás” Traditionspflege mit Inhalt und vor allem deutscher Sprache füllen und nicht als Zaungäste dem Untergang der Volksgruppe zusehen.
Diese verbrieften Rechte stehen uns seit spätestens 1993 zu, man müsste sie nur nutzen. Also raus aus der Komfortzone, dem Gewohnten, was zur falschen Selbstverständlichkeit wurde. Unter dem Motto: Wo ein Wille, da auch ein Weg.