Von Richard Guth
Neulich schrieb mich ein guter Bekannter, Weggefährter, der sich eng mit dem Sonntagsblatt verbunden fühlt, an, und fragte, ob wir Kommentare zu unseren Beiträgen moderieren würden, denn er vermisse den offenen Meinungsaustausch darunter. Ich entgegenete, dass wir (ganze zwei Redakteure) lediglich Kommentare moderieren würden, die aus unserer Sicht als strafrechtlich relevant erscheinen (würden) – würden, denn wir mussten noch nie tätig werden.
Mein Gesprächspartner hat den Finger auf einen wunden Punkt gelegt – warum mangelt es an Kommentaren und Rückmeldungen, denn auch postalische Zuschriften erreichen unsere Redaktion so gut wie keine!? Man könnte meinen, dass dies mit der Themenwahl zu tun haben könnte, die es nicht vermag, unsere Leser anzusprechen. Mag sein, aber um das zu erfahren, benötigten wir auch hierbei die Rückmeldung unserer Leser. Aber auch deren Fehlen ist nachvollziehbar, denn bei dem Informationsangebot neigt man dazu, einfach „weiterzuzappen” und Ausschau nach anderen Angeboten zu halten.
Über ähnliche Erfahrungen berichtete neulich unser Autor Dr. Jenő Kaltenbach, in Bezug auf ein anderes Presseprodukt der deutschen Minderheit beziehungsweise für die deutsche Minderheit (so sollte es eigentlich sein). Auch er vermisst den offenen Meinungsaustausch seiner Landsleute. Daher stellt sich die berechtigte Frage: Sind wir Presseleute (und unsere Produkte) überhaupt noch von Interesse für die ungarndeutsche Öffentlichkeit? Oder gibt es diese Öffentlichkeit überhaupt?
Um das herauszufinden, haben wir im Frühjahr ein „Projekt” gestartet – Projekt ist zu viel gesagt, eher ein Vorhaben –, um direkten Kontakt zu unseren Lesern aufzunehmen. Kaum zu glauben, aber im digitalen Zeitalter mit verschiedenen Plattformen und sozialen Medien erwies sich der Anruf auf dem Festnetz oder Mobilfunk als beste Option. Corona spielte uns dabei in die Hände (wenn man das angesichts der verheerenden Folgen der Pandemie so sagen darf), denn die Leute waren größtenteils zu Hause und freuten sich über den Anruf vom Sonntagsblatt. Gerechterweise muss ich hinzufügen, dass es auch damit zu tun haben könnte, dass ein Großteil unserer Leser über 60, 70 Jahre alt ist und sie diesen Kommunikationskanal anderen vorzuziehen scheinen. Diese Altersstruktur wirft auch Fragen auf, denn es ist in der Tat schwierig, die jüngeren Generationen anzusprechen: in Ungarn vornehmlich aus sprachlichen und inhaltlichen Gründen, in Deutschland und Österreich aus dem Grund, weil die Nachkommen der Vertriebenen, so das Ergebnis der Gespräche, wenig Interesse an unseren ungarnbezogenen Themen zeigen. Zur Analyse gehört wahrscheinlich auch, dass sich die Medienlandschaft in einem Wandel befindet, und die herkömmlichen Produkte es zunehmen schwieriger haben, sich zu behaupten.
Unsere Leser, die ich erreichen konnte, äußerten Lob und Kritik gleichermaßen, zeigten aber, dass es diese ungarndeutsche Öffentlichkeit doch gibt. In diesem Zusammenhang waren besonders die Gespräche mit den Vertretern der deutschen Selbstverwaltungen lehrreich, denn es wurde gleich mit vielen Befürchtungen und Vermutungen aufgeräumt: Das Sonntagsblatt kommt an und wird gelesen, so war der Gesamteindruck, jedenfalls in der Tendenz. Besonders erfreulich war es zu erfahren, dass das Blatt auch weitergegeben wird, somit die Selbstverwaltungen auch ihrer Multiplikatorenrolle gerecht werden. Auch die Mitglieder bestätigten aber die Probleme rund um den Muttersprachverlust (bei gleichzeitigem Erwerb von Hochdeutsch(fremdsprach)kenntnissen unterschiedlicher Intensität in den jüngeren und mittleren Generationen), die Überalterung des aktiven Teils der deutschen Gemeinschaft, den Assimiliationsverlust durch Mischehen und – in vielen Landgemeinden – die Abwanderung der Bevölkerung. Diese Informationen erfuhr ich in vielen Fällen auf Deutsch, von Jung und Alt gleichermaßen – also es stimmt nicht, dass man nicht mehr Deutsch sprechen würde.
Die kardinale Frage bleibt dennoch: Warum sind unsere Lait dennoch so passiv? Hat das etwa mit den enttäuschten Erwartungen der Nachwendezeit, was die gesamte Gesellschaft lähmt, zu tun? Oder geht es da gleich um das Versagen des Experiments, eine starke Zivilgesellschaft zu schaffen?
Wie auch immer, es liegt letztendlich an uns, dies zu ändern. Also, schreibt mal, Leute!
Bild: flickr.com/Katholische Jungschar Österreich