Für unsere fremdsprachigen Mitbürger: (Un-)Kommunikation in Krisenzeiten

Von Richard Guth

Krisenzeiten vermögen es, auf Missstände zu verweisen, die in Friedenszeiten sonst unbemerkt bleiben. Dies gilt in der aktuellen Corona-Krise nicht nur für Bereiche wie Sozialpolitik und Gesundheitswesen, sondern auch für solch alltägliche wie die zwischenmenschliche Kommunikation, die Vermittlungen von Informationen, die eigentlich jeden erreichen sollten. Aber darüber hinaus könnte die Kommunikationpraxis auch Realitäten abbilden, die hinter der Kulisse mustergültiger Minderheitenpolitiken gerne mal verschwinden.

Aber beginnen wir mal bei denen, wo eigentlich Mehrsprachigkeit seit Jahrhunderten eine Selbstverständlichkeit ist. Ende März kursierte auch in der ungarischen Presse eine Pressemitteilung der 2007 in Neumarkt an der Mieresch/Târgu Mureș gegründeten Menschenrechtsorganisation Bewegung zur Zivilen Verpflichtung (CEMO), in der diese die Kommunikationspraxis der rumänischen Behörden kritisiert und auf die Empfehlungen des Europarats hinweist. Es fänden sich kaum zwei- oder mehrsprachige Informationen zum Coronavirus und zu den nötigen Schutzmaßnahmen, selbst auf Seiten von Regierungsämtern für Sicherheit und Gesundheit in den mehrheitlich von Madjaren bewohnten Komitaten Covasna und Harghita. Auch die kostenlose Coronarufnummer wäre nur auf Rumänisch erreichbar sowie die Pressemitteilungen von Gesundheits- und Innenministerium. Interessant waren in diesem Zusammenhang die Facebook-Kommentare: Neben den üblichen Bemerkungen rumänienklischeehafter Prägung fanden man auch differenziertere: So meldete sich ein junger Mann aus dem Seklerland zu Wort, der berichtete, dass die Kommunen und die ungarischsprachigen Medien die Bevölkerung wohl auf Ungarisch informieren würden, indem diese unter anderem Regierungsverordnungen in Übersetzung publizieren würden. Die CEMO-Kritik ist natürlich selbst vor dem Hintergrund solcher Informationsangebote berechtigt, denn dies wäre ja vordergründig Aufgabe des Staates. Neben diesen Stimmen tauchten auch welche auf, die sehr stark an der Mustergültigkeit der Minderheitenpolitik des ungarischen Staates kratzten – warum es wohl keine Informationen auf Slowakisch, Deutsch oder sogar Lowari gäbe? Die Reaktion darauf waren unterschiedlich: Neben Zustimmung wiesen einige darauf hin, dass man ja in Ungarn leben, wo Ungarisch Amtssprache ist und dass es sich bei ungarländischen Nationalitäten um kleine Gruppen handele, im Gegensatz zu der ungarischen Minderheit in Rumänien mit 1,25 Millionen Seelen.

Apropos Ungarn – ja, ich habe vergeblich nach Corona-Inhalten in deutscher Sprache gesucht, die gab und gibt es im Land der mustergültigen Minderheitenrechte nicht. Die zentrale Coronavirusseite der Regierung enthält zwar Inforamtionen auf Englisch, aber keine in den 13 anerkannten Nationalitätensprachen. Diese Aufgabe übernahmen – wie in Rumänien – fürs Erste Organisationen (LdU) und Presseorgane der deutschen Minderheit (Neue Zeitung, Sonntagsblatt) sowie die Budapester Zeitung, einige von ihnen anfangs mit großem, aber schnell nachlassenden Elan. Auch auf Selbstverwaltungsebene sah es vorerst mau aus, bis wir auf eine Bekanntmachung der Gemeinde Petschwar/Pécsvárad gestoßen sind, die über außerordentliche Maßnahmen in deutscher Sprache informierte. Jubel, bis man aber nach unten rollte und feststellen musste, dass sich diese Info an „unsere fremdsprachigen Mitbürger” richtete. Also an Personen deutscher Sprache, die sich in Petschwar ein Haus oder eine Datscha zugelegt haben und der ungarischen Sprache nicht mächtig sind. Eigentlich eine nette Geste, ohne Zweifel. Aber was ist mit den dort lebenden Schwaben? Wer denkt an sie? Man müsste aber gleichzeitig fragen, warum diese Schwaben das nicht einfordern? Weil sie der (Groß-) Muttersprache etwa nicht mehr mächtig sind? Hatte Georg Sawa wieder mal Recht gehabt und wir haben uns billig verkauft?!

Epilog

Dass es insgesamt anders geht, dafür liefert uns das öfters zitierte Bistum Temeswar wieder mal ein gutes Beispiel. Kurz nach der Verkündigung der Einschränkungen in der Seelsorge trat Bischof Josef-Csaba Pál vor die Mikrofone oder besser gesagt vor das Smartphone und wandte sich an das Kirchenvolk, und zwar in drei Sprachen: auf Deutsch, Rumänisch und Ungarisch. Eine Erfahrung, die uns in Ungarn nicht zuteil wurde, wahrscheinlich feilt die Ungarische Bischofskonferenz immer noch an ihrem Hirtenbrief in deutscher, slowakischer, kroatischer und Lowari- sowie Beasch-Sprache. Genauso fehlten Hinweise, wann Messen in solchen Sprachen im Internet übertragen werden. Hier waren die in Rumänien wieder Vorreiter. Einfach, weil es dort authentisch ist. Und das ohne Prädikat „mustergültig”.

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