Von Richard Guth
Die Schnellstraße von Pressburg nach Niedermarkt (Dunajská Streda/Dunaszerdahely) ist erst im Bau, aber die Konsequenzen spüren die Alteingesessenen der Großen Schüttinsel (Žitný ostrov/Csallóköz) bereits jetzt. Denn die slowakischen Zuzügler sind bereits da und stellen mittlerweile ein Fünftel der Bevölkerung der 1200 Seelen-Gemeinde. Im Mai sorgte eine Petition von slowakischen Eltern für Diskussionen, die – es ging um zwei Familien, die von anderen slowakischen Familien der Umgebung unterstützt wurden – eine slowakische Schule wünschten. Eine öffentliche Gemeinderatssitzung wurde einberufen, an deren Ende sich die Mitglieder des Gemeinderates einstimmig gegen die Einrichtung slowakischer Klassen entschieden. Die slowakische Elterninitiative wies in einem Bericht auf dem Portal bumm.sk darauf hin, dass die nächstgelegene slowakische Grundschule in Sommerein/Šamorín aus Platzgründen keine Schüler mehr aufnehmen könnte und die Schüler deswegen nach Gabčikovo/Bős fahren müssten, was 45 Minuten entfernt liegt. Nach der Argumentation dieser Elterninitiative würden die slowakischen Klassen die madjarischen Schulen stärken, die mit Schülermangel kämpfen würden.
Wie das Portal korkep.sk in einem Bericht anmerkte, war sich wohl jeder sicher, dass die Geschichte damit nicht zu Ende war. Denn die Stimme der Rohovcer Slowaken wurde auch in Pressburg erhört, Ministerpräsident Peter Pellegrini nahm sich höchstpersönlich der Sache an. Im Dezember wurde von einem Smer-Abgeordneten eine Gesetzesänderung eingebracht (Dass Anträge von einem Wahlkreisabgeordneten eingebracht werden, wird auch in Ungarn munter praktiziert, damit lassen sich Abstimmungsrunden mit den Betroffenen vermeiden. In Deutschland ist das weitgehend unüblich, im Bundesland Sachsen dürfen nur Fraktionen oder mindestens sieben Abgeordnete einen Antrag einbringen.), die die slowakeimadjarische Presse kritisch bewertet, obwohl einer der madjarischen Koalitionsabgeordneten von der Partei Most-Híd, Péter Vörös, der übrigens für die Vorlage stimmte, diese als eine Chance für die madjarischen Zwergschulen sieht. In der Tat wurde die Mindestschülerzahl bei der Einrichtung von Klassenzügen oder gar Gründung von Schulen abgeschafft, dennoch ist man madjarischerseits der Meinung, dass das nicht den ungarischen Schulen nützen werde. Das modifizierte Bildungsgesetz schreibt die Gründung von Schulbezirken (die Trägerschaft von Schulen ist in der Slowakei Sache der Kommunen) vor und sollten sich die betroffenen Kommunen nicht einigen können, dann würden Schulbezirke von den Bezirksregierungen festgelegt. Das größte slowakeimadjarische Presseorgan „Új Szó” spricht in diesem Zusammenhang von „slowakischer Schule auf Befehl”. Als problematisch sieht der von „Új Szó” befragte Jurist János Fiala-Butora die Regelung an, dass der Staat für die Unterhaltung neu einzurichtender Klassen keine zusätzlichen Mittel bereitstellt. So könnte es laut diesem Experten vorkommen, dass die Bezirksregierung die betroffene Kommune zwingt, eine Klasse sogar mit vier Schülern zu eröffnen, aber eben ohne zusätzliche Mittel. Ein befragter Schulleiter bestätigte, dass die Schulen in der Slowakei mit Klassenstärken von mindestens zwanzig Schülern rentabel zu betreiben seien. Auch eine Vertreterin der oppositionellen Partei der Madjarischen Koalition (MKP), Beáta Kiss, äußerte sich gegenüber dem Portal parameter.sk kritisch und spricht von „staatlicher Arroganz”. Darüber hinaus sagte Fiala-Butora, dass die Neuregelung gerade solchen Gemeinschaften zugutekomme, die sich neu gebildet haben und über keine politische Vertretung in den kommunalen Selbstverwaltungsorganen verfügten, aber schulpflichtige Kinder hätten so wie die Eltern in Rohovce. Die Neuregelung, so der Jurist, bringe kaum Vorteile (eine Zusammenarbeit der Kommunen im Bildungsmanagement sei auch vorher möglich gewesen), aber würde andere Probleme, wie das der Schulbusse weiterhin nicht lösen.
Gemeint war hier ein Programm der Regierung, Schüler aus Dörfern ohne eigene Schule in ferner gelegene Schulstandorte zu transportieren. Das Pilotprojekt, das vor anderthalb Jahren gestartet wurde, wird von der Presse und der madjarischen Gemeinschaft ebenfalls kritisch begleitet. Der erste Bus, den unter anderem Verkehrsminister Árpád Érsek (Most-Híd) übergab, brachte Kinder aus den madjarischen Dörfern Dobrohošť/Doborgaz und Vojka nad Dunajom/Vajka in die slowakische Schule von Karlburg/Rusovce, heute ein Ortsteil der slowakischen Hauptstadt, während madjarische Schüler mit öffentlichen Verkehrsmitteln die ungarische Schule in Gabčíkovo/Bős ansteuern müssten. Das Portal „Körkép“ veröffentlichte den Meinungsartikel einer slowakeimadjarischen Mutter, die auf die mögliche Tragweite der Eröffnung von slowakischen Schulen in überwiegend von Madjaren bewohnten Ortschaften, in den es vorher nur eine ungarischsprachige Schule gab, hin: „Es ist leider Gottes eine Erfahrung, dass wenn man zwischen der ungarischen und slowakischen Schule wählen kann, nicht wenige madjarische Eltern dem Spruch Glauben schenken, dass „das Kind mit der slowakischen besser fährt“.“ Auch andere Kommentatoren befürchten gravierende Auswirkungen auf die madjarische Schullandschaft und bringen konkrete Beispiele, bei denen die Eröffnung slowakischer Klassenzüge auf Kosten der ungarischen geschehen sei. Die Vertreter der Elterninitiative in Rohovce begrüßten natürlich die Neuregelung und betonen, dass es wichtig sei, dass jedes Kind in seiner Muttersprache lernen kann. „Dass die Kinder slowakischer und madjarischer Natonalität in demselben Gebäude lernen werden, wird zur Entstehung guter Beziehungen beitragen“, meinte Slávka Brontvajová, Mitglied der Elterninitiative.
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