Jenseits der Euphorie – ein tschangomadjarischer Priester und die ungarische Messe in Bakau

József Tampu-Ababei, tschangomadjarischer Priester des Erzbistums Gran-Budapest, Leiter der Erzpfarre Unbeflecktes Herz Mariä Budapest-Pestszentlőrinc. Wenn Pfarrer Tampu-Ababei zu seinen Geschwistern, dem Grab seiner Eltern fährt, dann führt sein Weg in sein Heimatdorf, Luizi-Călugăra (ung. Lujzikalagor). Wir haben ihn nach der ersten ungarischen Messe in Bakau befragt.

–  In der Geschichte des 1884 gegründeten Bistums Jassy/Iași kommt es zum ersten Mal vor, dass auf dem Gebiet der Diözese regelmäßig – gegenwärtig einmal im Monat – ungarische Messen gelesen werden. Die erste solche Messe fand am Sonntag, dem 27. Januar in Bakau statt. Hat durch diese Entscheidung die Angelegenheit der Tschangos – in der Moldau leben verstreut etwa 20.-30.000 Tschangomadjaren – ihren Tiefpunkt überwunden oder geht es hier eher um eine symbolische anstelle einer wirklichen und zufriedenstellenden Lösung?  

– Ich halte es für eine große und wertvolle Veränderung. Es ist schwer zu sagen, was wir als Tiefpunkt betrachten. Eher können wir von dem Beginn von etwas sprechen. Wir dürfen nicht vergessen, dass in diesem Gebiet selbst vor der Gründung des Bistums Jassy keine ungarischen Messen gelesen wurden. Ungarische Lieder und Gebete durften auch damals sein, aber die Sprache der Liturgie war Latein. Wenn wir das als Bezugspunkt nehmen, dann können wir diese neue Möglichkeit als eine Veränderung betrachten, die es vermag im Leben der tschangomadjarischen Menschen ein neues Kapitel zu eröffnen.

–  Was war bislang die Hürde im Weg der ungarischen Messe?

–  Man hat bisher die Erfahrung gemacht, dass sich die meisten Menschen ihrer kleinen Welt zugewandt haben. Niemand hatte den Mut, den Status quo zu ändern.

– Könnte mit der Entspannung auch der geplante Besuch von Papst Franziskus in Jassy zu tun haben?

– Ja, meiner Ansicht nach hatte auch der Papastbesuch einen gewissen Einfluss auf die Entscheidung, aber auch die Vorgeschichte war nicht minder bedeutungsvoll. Es ist allgemein bekannt, dass der Bischof von Jassy, Petru Gherghel – auf Grundlage einer Vereinbarung mit Kardinal Péter Erdő – seit zehn Jahren Priester nach Ungarn schickt, die ihre Priesterausbildung hier absolvieren und auch in der Seelsorge eingesetzt werden. Es scheint, als würde diese Initiative nun Früchte tragen.

– Was bedeutet für die tschangomadjarische Gemeinschaft die katholische Identität und deren Erleben in der ungarischen Sprache?

– Leider ist es nicht einfach, das dortige Milieu zu beschreiben. Die ungarische Sprache und (madjarische) Kultur bestimmt den Alltag der dort Lebenden. Für sie ist es nicht nur ein kulturelles Kolorit – die Tschangos empfinden es so, als wären sie Teil der madjarischen Traditionen. Es geht nicht nur darum, dass sie die Eigenarten und Werte am Leben erhalten wollen, sondern dass diese integraler Bestandteil ihres Alltags sind. Die Volkstracht tragen sie nicht nur an Festen und ihre Tänze tanzen sie nicht dann, wenn sie auf einem Festival auftreten. Heutzutage werden sie von mehreren Ortspfarrern dazu ermuntert, dass sie auch auf Dorffesten ihre Volkstracht anziehen. Die Besucher sehen vielleicht nur die Oberfläche, aber die Identität der dort Ansässigen ist tief verwurzelt. Die Tschangos mögen übrigens das Skansendasein nicht, wenn sie gebeten werden, sich so zu kleiden oder zu sprechen, wie es Außenstehende von ihnen erwarten.

–  György Jakubinyi, der Erzbischof von Karlsburg/Alba Iulia, hat in einem „Erdélyi Napló”-Interview* aus dem Jahre 2015 auf eine Frage hin gesagt, dass er den Romanisierungsprozess der Tschangos für unumkehrbar hält. Sind in der gegenwärtigen historischen Situation, jenseits der Euphorie der gestrigen Heiligen Messe, der ungarische Sprachunterricht und die ungarischsprachigen Messen in der Tat nur noch gestenhaft und vermögen es lediglich diesen Prozess zu verlangsamen?

– Es ist unbestritten, dass sich der Assimilierungsprozess beschleunigt hat und womöglich unumkehrbar ist. Es ist schwer zu sagen, wann er begonnen hat. Die Möglichkeit ungarische Messen zu lesen kann den Assimilierungsprozess natürlich bremsen. Die vollständige Romanisierung setzt voraus, dass alle Tschangos ihre Identität aufgeben, aber solange es noch eine Handvoll von ihnen gibt, für die die Wurzeln wichtig sind, dann bleibt die madjarische Kultur auch erhalten. Solange dort solche Menschen leben, für die sie wichtig ist, können wir nicht von vollständiger Assimilation sprechen. Die Bewahrung der Identität kann man von außen unterstützen, aber auch die Einheimischen sollten in ihrer eigenen Kultur überleben.

– Wie haben die Tschangos die Nachricht vom Papstbesuch aufgenommen?

–  Sie haben diese auch mit Freude aufgenommen und bereiten sich mit viel Liebe und Begeisterung auf den Besuch vor. Es gibt welche, die nach Jassy und welche, die nach Schomlenberg/Șumuleu Ciuc/Csíksomlyó fahren werden, aber unabhängig davon sind sie voller Erwartung.

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Hintergrund:

Auf einen Beschluss des Dechanats- und Diözesanrats des Bistums Jassy hin hat Bischof Petru Gherghel genehmigt, dass ab Januar 2019 am letzten Sonntag jeden Monats ab 13:00 in der St. Nikolaus-Kirche von Bakau eine römisch-katholische Messe in ungarischer Sprache gelesen wird. Die Messen werden von den Pfarrern Felix Măriuț (Faraoani) und Andrei Varga (Valea Seacă) zelebriert.

Quelle: http://www.magyarkurir.hu/hirek/az-euforian-tul-egy-csango-pap-bakoi-magyar-szentmise-utan-kozosseg-megmaradasanak-eselyeirol?fbclid=IwAR1mFQOLJzWxfv66GGzobC-FLpMboANoeI6XGLZfGz9wwqiNPWupi0doq38

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* Das Interview mit Erzbischof Jakubinyi aus dem Jahre 2015 (Der Fall des Heiligen Stuhls mit Siebenbürgen / A Szentszék esete Erdéllyel, Magyar Kurír, 9. Februar 2015) enthält wichtige Informationen und bemerkenswerte Aussagen. Der Geistliche berichtet im Interview von einem Fall, bei dem ein Priester der Diözese Karlsburg in die Moldau gefahren sei um dort eine ungarische Messe zu halten. Aber da er die katholische Kirche geschlossen vorgefunden hätte, wich er wohl auf die Kneipe aus. Die Mehrheit der Tschangos habe diese Aktion mit Argwohn beobachtet und man habe diesen Priester mit Hilfe des Dorfpriesters und des -polizisten verjagt. Jakubinyi berichtete weiter von einer Aktion von 25 Diözesanpriestern tschangomadjarischer Herkunft, die sich an das Bistum von Jassy gewandt haben, um die ungarische Messe in den tschangomadjarischen Dörfern einzuführen. Der Bischof habe diese Forderungen mit der Begründung zurückgewiesen, dass sie nicht Angehörige des Bistums Jassy, sondern lediglich dort geboren seien. Als der Verband der Tschangomadjaren darum bat, habe er die Antwort erhalten, dass die Gläubigen keine derartigen Wünsche geäußert hätten. Jakubinyi führt dies unter anderem darauf zurück, dass sich die Priester in der Moldau nicht trauten, sich für die ungarische Messe auszusprechen. Der Erzbischof wagt auch einen Blick in die Vergangenheit, was wichtig für das Verständnis der Problematik ist: 1946/47 sah sich die kommunisitische Führung veranlasst (nicht zuletzt wegen der ungeklärten Zugehörigkeit von Nordsiebenbürgen), den Seklern und den Tschangos entgegenzukommen. Generalsekretär Gheorghe Gheorghiu-Dej schickte 150 madjarische Lehrkräfte in die Moldau. Im gleichen Atemzug schrieb er den Bischof von Jassy, Anton Durcovici, an, mit der Bitte ungarische Messen einzuführen. Daraufhin hat der Bischof am nächsten Montag im größten tschangomadjarischen Dorf, in Faraoani (ung. Forrófalva), zwei Urnen aufstellen und die Gemeindemitglieder (die vorher wohl bearbeitet wurden) abstimmen lassen. Nur vier Menschen stimmten für die ungarische Messe in der 5000 Seelen starken Gemeinschaft. Der Bischof schickte dieses Ergebnis nach Bukarest und so blieb es bei der rumänischen Seelsorge. Auch der ungarische Schulunterricht blieb nicht lange erhalten, nach Jakubinyis Worten dank der Agitation der rumänischen Priester: Sie wiesen in ihrer Predigt darauf hin, dass, während die rumänischen Lehrer der Messe beiwohnen würden, würden die ungarischen dieser fernbleiben. So erschienen diese in den Augen der tiefgläubigen Tschangos als Atheisten. Auch andere Beispiele für die fortgeschrittene Assimilierung der Tschangos brachte der Erzbischof: In den 60er, 70er Jahren siedelten sich 4000 Tschangos in der Bergbaustadt Wolkersdorf/Vulcan an. Damals diente im Ort ein Sekler Pfarrer namens István Sántha, der die Tschangos herzlich aufnahm. Diese Menschen forderten jedoch rumänische Messen. Zu Hause sprachen sie wohl die Mundart, aber die ungarische Literatursprache verstanden sie nicht. Für sie war die Sprache der Kirche das Rumänische. Gegenwärtig würden im Erzbistum in 22 Orten für 10.000 Menschen rumänische Messen gelesen. Nach Jakubinyi, der der Ansicht ist, dass die Assimilierung der Tschangos nicht aufzuhalten sei, sei der Tschango in erster Linie ein Bürger römisch-katholischen Glaubens, aber ohne Nationalbewusstsein. Die ersten spirituellen Erlebnisse, die Erstkommunion, die Firmung und die Sonntagsmessen würden sich in ihnen allesamt auf Rumänisch verfestigen.

Erschienen am 28. Januar 2019 auf dem katholischen Portal magyarkurir.hu. Aufgezeichnet von Béla Baranyai. Die gedruckte Version ist am 3. Februar in der katholischen Zeitschrift „Új Ember” erschienen. Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung des Herausgebers und Chefredakteurs von „Magyar Kurír” und „Új Ember”, István Kuzmányi. Deutsche Übersetzung: Richard Guth

Bild: foter.ro

 

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